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Kultur

Weißwurst im Senf und Weisheit im Bier

Frühschoppen-Lesung mit Eckhard Henscheid, Thomas Kapielski und Jürgen Roth

  Weißwurst im Senf und Weisheit im Bier | Frühschoppen-Lesung mit Eckhard Henscheid, Thomas Kapielski und Jürgen Roth

kreuzer-Autor Benjamin Heine hat die 17. Ausgabe der Frühschoppen-Lesung zur Leipziger Buchmesse besucht. Meister der Stammtischbelletristik sitzen an einer Biertischgarnitur, schwafeln und schoppen, prosten und protzen.

Am Morgen ein Bier und der Tag gehört dir. Ob diese dem allzu Trivialen entrückte Weisheit nun Thomas Kapielski zugeschrieben werden muss oder Goethe oder Luther – die beide einem Rülpser ja nicht ganz abgeneigt gewesen sein sollen – bleibt ungewiss. Jedenfalls sind »Ein Tag ohne Bier ist wie ein Tag ohne Wein« und »Wenn Sport der Bruder der Arbeit ist, dann ist Kunst die Cousine der Arbeitslosigkeit« von ihm. Aber wo waren wir? Ja, richtig, beim Frühschoppen in der Galerie ARTAe. Die Herren Thomas Kapielski, Jürgen Roth und – ja, geht in Ordnung – sowieso – – genau – – – Eckhard Henscheid, allesamt Meister der Stammtischbelletristik, sitzen an einer Biertischgarnitur, fünfzig andere tun es ihnen gleich, hocken wie die Ölsardinen, wenn die denn hocken könnten, in den zweieinhalb Galerie-Räumen Rücken an Rücken. Überall große Biere, hier und da auch Laugenbrezeln. Rote Zwiebeln aalen sich in prächtig gelbem Obazda, dass man am liebsten gleich mit reinspringen würde. Schade eigentlich, dass niemand raucht und dass gestern keine Bundesliga war, über die man reden könnte. Ein Mädchen kuschelt mit einem Babyschwein – jedoch nur auf einem von Claudia Hauptmanns Gemälden an den Wänden (40x68cm, schwarzer Rahmen, schon verkauft).

Galeriebetreiberin Sabine Elsner, die ganz am Ende dieser bierselig-heiteren Veranstaltung noch für den größten Lacher sorgen wird, kündigt zunächst die 17. Ausgabe ihrer Frühschoppen-Lesung zur Leipziger Buchmesse damit an, dass der Dritte im Bunde neben den beiden Stammgästen Kapielski und Roth nur durch mit Blut handgeschriebene Briefe ihres Mannes Marian hergelotst werden konnte. Was Eckhard Henscheid, dieser große alte Mann der Neuen Frankfurter Schule, dieser Ehrenkapitän der Titanic, entschieden von sich weist: »Ich war fast sofort bereit, nach Leipzig zu kommen.« Zum Auftakt widmet er sich der »happigen Grammatik« des Sportfernsehens sowie dem Dativ und dem Akkusativ als solche und »das hat mir ihn gleich sympathisch gemacht«, nein, das hat mir ihm, hat mich ihn, Quatsch, »das hat mich ihm gleich sympathisch gemacht!« Ja, so geht das in Ordnung – sowieso – – genau – – –.

Jürgen Roth schwafelt sich dann einmal durch die Schwafeleien von Platon bis Kant über den »Menschen und subalterne Arschlöcher wie Pflanzen, Tiere, Moleküle«. »Können Sie noch folgen?«, fragt er in die Runde, »ich mir nicht.« Als dann Thomas Kapielski in die Themen »CO2-Sparvereine« (die mehrmals täglich die Luft anhalten), »Waldbad der Stadt Bienenbüttel« und – sehr aufschlussreich – »Zäune« einführt, scheint Eckhard Henscheid sich das Gehörte auf der Zunge zergehen zu lassen, blickt irgendwohin da oben und würde dabei jeden Helmut-Schmidt-Ähnlichkeitswettbewerb gewinnen. Und dann, tatsächlich, liest er aus seinem Debüt, dem ersten Roman der »Trilogie des laufenden Schwachsinns«, den »Vollidioten«. Ja, der sei von 1973 und aus Frankfurt am Main, »aber sonst stimmt alles noch.« Das tut es zweifelsohne. Wie da der Herr Kloßen an seinem Briefkasten rumfuhrwerkt, wie er nur 2,35 DM in der Tasche hat, aber ja noch auf einen Lottogewinn zählen kann; wie da alle immer nur in der Kneipe sitzen, und irgendwo eine Karin oder Gabi lacht – das ist immer noch und immer wieder komisch in beiden Bedeutungen des Wortes.

Dann ist erstmal Pause, auf dass sich endlich Weißwurst zu Brezeln und Obazda gesellen möge. Und frisches Bier! Jürgen Roth wirft hernach einen Blick in eine Frankfurter Trinkhalle, Thomas Kapielski in sein nächstes Buch, in dem so Schönes stehen wird wie: »Ich trieb bis zu meiner Inhaftierung Handel mit Bürstenartikeln.« Was in so einem Satz alles drin steckt! Kriminalität, das (sicher aufregende) Dasein eines Bürstenvertrieblers, der Niedergang des Drogeriewesens und was nicht alles. Und da haben wir ja noch nicht mal von der Bamberger Busenbürste gesprochen!

Wer über solcherlei nicht lachen kann, wem nicht das Herz aufgeht, wenn jemand eine Rolltreppenfahrt in Itzehoe gewinnt (in einem Haus seiner Wahl!) oder der Vorstand der Arno-Schmidt-Stiftung versucht, sich Obazda vom Sakko zu wischen, ist hier natürlich falsch. So jemand kann vielleicht auch nicht lachen, wenn die Gastgeberin in ihren finalen Dankesworten an allerhand Leute von Verlag und Brauerei auch einen Herrn erwähnt, der gar nicht da ist, »aber seine ... äh ... zauberhafte Ex-Frau!« So jemand ist an diesem Samstagmittag aber zum Glück nicht gekommen. Prost!


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