Eigentlich wollte das Portal »Topf Secret« Benutzerinnen und Benutzern den Zugang zu Informationen über die Hygieneverhältnisse der hiesigen Gastronomie erleichtern. Doch anstelle von schneller Auskunft tritt überbordende Bürokratie. Statt drei Prüfberichte zu erhalten, geht seit Ende Januar E-Post zwischen der Redaktion und Frag-Den-Staat hin und her.
Endlich Klarheit! So und ähnlich jubelten einige Medien, als die Verbraucherorganisation Foodwatch gemeinsam mit der Transparenz-Initiative Frag-Den-Staat auf der Basis des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) das Portal »Topf Secret« freischaltete und die Bürger aufrief, sich von den Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämtern (VLAA) die Kontrollprotokolle ihrer Lieblingslokale, -bäcker, -imbisse und -supermärkte senden zu lassen. Laut VIG hat jeder Mensch Anspruch auf diese Behördeninformationen. Die Anträge auf »Topf Secret« werden an das zuständige VLAA geleitet, das innerhalb weniger Wochen die Ergebnisse der angefragten Hygienekontrolle senden muss.
Klingt gut, auch wenn der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) die Initiative in einer offiziellen Erklärung als »reinsten Populismus« bezeichnet. »Gastronomen dürfen nicht leichtfertig und zu Unrecht an den Pranger gestellt werden«, warnt Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges. Das Ganze passierte im Januar 2019. Warum der kreuzer erst jetzt, im April, darüber berichtet? Die Redaktion unternahm den Praxistest: Exakt am 27. Januar stellte die Gastro-Redakteurin über das Portal die erste, am 3. Februar eine zweite und dritte Anfrage – mehr sind kostenpflichtig –, um zu erfahren, wie die Hygienetests in den Restaurants Ratskeller, Indian Crown und Uno-Pizza ausgefallen sind. Statt drei Prüfberichte zu erhalten, geht seitdem E-Post zwischen der Redaktion und Frag-Den-Staat hin und her.
Zuerst kamen Eingangsbestätigungen mit je einer Vorgangsnummer und der Ansage, dass das VLAA der Stadt Leipzig in den nächsten sechs Wochen antworten wird. Am 15. und 19. Februar ploppten weitere E-Mails mit gleichlautendem Inhalt auf: »Die Zustellung eines amtlichen Schreibens an Sie ist aufgrund nichtzutreffender Anschrift gescheitert. Eine weitere Bearbeitung des Vorgangs ist der Stadt Leipzig aus diesem Grund aktuell nicht möglich. Mit freundlichen Grüßen … «. Man hat also den Namen der Antragstellerin Petra Mewes nicht in der Kreuzstraße 12 gefunden, die angefragten Lokale haben aber das Recht, diesen zu erfahren. Na gerne, wurde ja auch alles korrekt eingegeben, aber natürlich stehen auf dem Firmenschild an der Fassade in der Kreuzstraße nicht die Namen der Mitarbeiter außen dran.
Also schnell auf alle geantwortet. Nächste Reaktion: Drei E-Mails mit der Aufforderung, »Diese Anfrage läuft noch« zu bestätigen, dazu der Hinweis, dass sich die Frist bis zum 6. April verlängert. Am 7. März kommt ein »Hallo Petra Mewes, wir haben das Problem bei Ihrer Anfrage ›Kontrollbericht zu UNO Pizza, Leipzig‹ behoben.« Na endlich, denkt man, aber der Link führt lediglich zur Aufforderung, nochmals zu bestätigen, dass man mit der Weitergabe seiner Daten an den Betrieb einverstanden ist – als wäre das nicht längst geschehen.
Liest die Antworten eigentlich jemand? Das Prozedere wäre ein Witz, ginge es nicht um die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben. Zwischendurch ruft die Redaktion am 1. März Andreas Winkler an. Der Pressesprecher von Foodwatch bestätigt das Problem: »Uns ist bekannt, dass die Behörden unter fragwürdigen Einwänden die Antwort immer wieder verzögern. Das VIG funktioniert ganz einfach nicht. Wir fordern jetzt, das Prozedere zu vereinfachen. Vor allem müssen die Behörden selbst aktiv werden und ihrer Veröffentlichungspflicht nachkommen.« Die Plattform kann also nur Zwischenlösung sein.
Niemand will Wirte an den Pranger stellen, aber die Bundesregierung muss endlich eine Basis schaffen, die Transparenz zur Regel macht und nicht zur Ausnahme. Präventive Wirkung hat zum Beispiel ein Modell in Dänemark, wo die Behörde die letzten vier Kontrollberichte online stellt und einen Smiley an die Kneipentür hängt. »Das schafft Klarheit, Transparenz und ist gute Werbung für ein Lokal«, findet Winkler. Seit Inkrafttreten des dänischen Gesetzes 2001 soll die Zahl der beanstandeten Betriebe von 30 auf rund 15 Prozent gesunken sein. Und hier?
Außer Spesen nichts gewesen, bisher. Zudem stellen sich noch ganz andere Fragen: Was nützen Berichte, aus denen nicht hervorgeht, ob die offengelegten Mängel abgestellt wurden? Und was nützen Infos über Beanstandungen, die weit in der Vergangenheit liegen? Zum einen, weil eine Antwort der Behörden monatelang dauert, zum anderen, weil der Zeitpunkt der Lebensmittelkontrolle selbst sogar noch deutlich weiter zurückliegen kann. Als Gast muss man sich darauf verlassen können, dass ein geöffnetes Lokal hygienisch sauber ist. Schmuddelbetriebe gehören geschlossen.
Dieser Text erschien zuerst in der kreuzer-Ausgabe 04/19.