Das Amtsgericht verhängt erneut Haftstrafen wegen des Angriffs auf Connewitz im Januar 2016. Beide Angeklagte hatten im gesamten Prozess geschwiegen. In früheren Verhandlungen zum »Sturm auf Connewitz« fielen bei Geständnissen stets Bewährungsstrafen. Ein Verteidiger kritisiert das Vorgehen des Gerichts als »geschäftsmäßiges Abarbeiten«.
Am Ende reichen auch die ausführlichen Exkurse der Verteidiger nicht für den von ihnen geforderten Freispruch aus. Am späten Montagnachmittag verurteilt Amtsrichterin Höhme die beiden Trockenbauer Ronny E. und Markus S. wegen Beteiligung am Connwitzangriff im Januar 2016 zu Haftstrafen von je einem Jahr und vier Monaten – ohne Bewährung. Sie sah es als erwiesen an, dass die beiden Männer Teil der vermummten und bewaffneten Gruppe gewesen waren, die vor rund drei Jahren randalierend durch die Wolfgang-Heinze-Straße gezogen war und dort Geschäfte, Wohnhäuser und Passanten angegriffen hatte.
Es sind nicht die ersten Haftstrafen, die in der in der Prozessreihe am Leipziger Amtsgericht gesprochen wurden. Im Februar verurteilte Richterin Höhme zwei Thüringer Kampfsportler und zwei Leipziger, die der organisierten rechten Szene zugerechnet werden, zu Haftstrafen in ähnlicher Höhe. Zu Beginn der Verhandlungsserie im August 2018 fielen ebenfalls Strafen ohne Bewährung. In allen Fällen schwiegen die Angeklagten zu den Ereignissen in Connewitz – auch diesmal. Ronny E. und Markus S. verfolgten das Geschehen im Gerichtssaal über beide Verhandlungstage scheinbar unbeteiligt und äußerten sich weder zum Tatvorwurf noch zu ihren persönlichen Verhältnissen.
»Schlicht nicht hinnehmbar, sich nicht der Verhandlung zu stellen«
Es sei »schlicht nicht hinnehmbar, sich nicht der Verhandlung zu stellen und dann mit Bewährung davonzukommen«, konstatiert daher die Staatsanwaltschaft in ihrem Schlussplädoyer. Der Angriff, an dessen Ende 215 Personen in einer Seitenstraße von der Polizei festgesetzt wurden – darunter auch die beiden Angeklagten – sei ein »geplanter Einmarsch« gewesen, bei dem es darum gegangen sei, »Wut und Hass auf den politischen Gegner freien Lauf zu lassen«.
Dieses Fazit begründet die Staatsanwaltschaft mit Chatprotokollen und Bewegungsprofilen, die eine koordinierte Aktion erkennen ließen, wie auch mit zahlreichen Zeugenaussagen. Eine Anwohnerin schildert am Montag ihre Beobachtung, dass mehrere der Angreifer gezielt zu den Eingängen der Kneipen gestürmt seien, in die sich Passanten geflüchtet hatten. Sie betont, die Gruppe habe klar gewaltbereit gewirkt und habe ihrem Eindruck nach auch schwere Verletzungen von Menschen zumindest in Kauf genommen. »Es wirkte auf mich so, dass da für jeden ganz klar war, worauf man sich eingelassen hatte und warum man da war«, fasst die Zeugin ihren Eindruck zusammen.
»Ob es zu Körperverletzungen kam, wissen wir nicht«
»Ob es da zu Körperverletzungen kam, wissen wir nicht. Aus der Akte ergibt sich nichts«, merkt Verteidiger Wissmann an. Sein Mandant sei auch nicht entsprechend angeklagt. In der Tat spielen Körperverletzungen und gezielte Angriffe auf Menschen in den Leipziger Connewitz-Prozessen bisher keine Rolle.
Im November 2018 wies der kreuzer erstmals nach, dass der Staatsanwaltschaft Leipzig bekannt ist, dass an dem Abend des 11. Januar 2016 nicht nur Sachschäden verursacht, sondern auch Menschen verletzt wurden. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat in den Verfahren am dortigen Landgericht auch Anklage wegen »gefährlicher Körperverletzung in vier tateinheitlichen Fällen« gegen mehrere mutmaßliche Connewitz-Angreifer erhoben.
Exkurs zu »Drittortauseinandersetzungen« und Kritik am »geschäftsmäßigen Abarbeiten«
Die Strategie der Verteidiger Boine und Wissmann ist eindeutig. Ihren Mandanten sei lediglich nachzuweisen, dass sie im Januar 2016 in der Seitenstraße in Connewitz gemeinsam mit über 200 anderen Personen angetroffen wurden. Was davor passiert ist, sei reine Spekulation, ein Tatnachweis könne nicht erbracht werden.
Selbst wenn sein Mandant gemeinsam mit der Gruppe durch die Wolfgang-Heinze-Straße gelaufen wäre, sei dies entgegen der bisherigen Vorgehensweise des Gerichts nicht ausreichend, um ihn als Täter zu verurteilen, erläutert Anwalt Wissmann. Auch das von der Staatsanwaltschaft angeführte »ostentative Mitmarschieren«, mit dem die Gruppe in ihrer Gewalthandlung bestärkt werde, sei nicht gegeben. Ein entsprechendes Urteil des Bundesgerichtshofs beziehe sich ihm zufolge lediglich auf sogenannte »Drittortauseinandersetzungen« von Hooligans. Ausführlich erläutert Wissmann in seinem Plädoyer diese abgesprochenen Wald- und Wiesenschlägereien und verweist auf Youtubevideos, bei denen man das »sehr anschaulich« erkennen könne.
Ronny E.s Verteidiger Andreas Boine wiederum kritisiert, das Amtsgericht, versuche die Vielzahl der Täter möglichst schnell und »geschäftsmäßig« abzuarbeiten. Er verweist konkret auf den Fall eines Rechtsreferendars, der sich im November 2018 geständig zeigte und wegen des Connewitzangriffs verurteilt wurde. Die Staatsanwaltschaft verstehe »schweigen als Schuldnachweis«, merkt er an.
Anfrage zu Verfahrensabsprache wertet Verteidiger als Vorverurteilung
Zu Beginn des ersten Verhandlungstags hatte Boine einen Befangenheitsantrag gegen die verhandelnde Richterin gestellt. Weil diese vorher angefragt hatte, ob mit einem Geständnis der Angeklagten zu rechnen sei und Interesse an einer Verfahrensabsprache bestehe, schloss er, das Urteil würde bereits vor der Verhandlung feststehen.
Im Großteil der bisher verhandelten Connewitz-Verfahren erfolgte vorab eine Verständigung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Die Angeklagten räumten den Tatvorwurf zumindest rudimentär ein, dafür erhielten sie Bewährungsstrafen. Auf die Ladung von Zeugen wurde in diesen Fällen meist verzichtet, die Verhandlungen dauerten in der Regel nur wenige Stunden.