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Kultur

»Kunst muss nicht schön sein«

Spinnerei und Tapetenwerk laden am Wochenende zum Kunstgucken. Eine selektive Vorschau

  »Kunst muss nicht schön sein« | Spinnerei und Tapetenwerk laden am Wochenende zum Kunstgucken. Eine selektive Vorschau

Einige Weisheiten und viele Leinwände – genau das findet man ab Freitag im Leipziger Westen. Spinnerei und Tapetenwerk laden zum Kunstgucken. Was den kunstinteressierten Besucher dort erwartet, verrät Kunstredakteurin Britt Schlehahn.

Ost-West im Tapetenwerk

Am Freitag lädt das Tapetenwerk zum Fest. In Halle C treffen Kunstwerke aus der Hochschule für bildende Künste Dresden und der Kunstakademie Düsseldorf aufeinander. Studierende der Malereiklasse von Eberhard Havekost (Düsseldorf) und der Dresdner Klasse für Kunst mit dem Schwerpunkt auf digitalen und zeitbasierten Medien von Carsten Nicolai erarbeiteten über knapp zwei Jahre eine gemeinsame Ausstellung, die sie fern von ihren jeweiligen Wirkungsorten dem Leipziger Publikum präsentieren. Der Besucher kann nun urteilen, ob die Unterscheidung Ost und West in der Kunst wirklich noch eine Rolle spielt.

Aufklärung auf der Spinnerei

Bereits Anfang April eröffneten fast alle Spinnerei-Galerien ihre neuen Ausstellungen, die sie nun zeitgleich zum Art Weekend in Berlin mit einem Rundgang zelebrieren. Das Archiv Massiv überrascht mit einer Rauminstallation von Ronny Szillo, Stefan Vogel und Erik Swars unter dem Titel »Bis hier hin gings noch gut«. Eine Wand weiter sind Fotografien von Margret Hoppe unter dem Slogan »Bildarchiv Nummer 37« zu sehen. Auf ihnen ist der Wandel der Halle 7 auf dem Gelände von Jim Whitings Bimbo Town vor drei Jahren hin zur fein sanierten Halle im Jetzt zu beobachten.

Traditionell öffnet die Halle 14 das Tor zur Welt außerhalb des Leipziger Universums. Bis August lädt sie zur Ausstellung »Vergessene Aufklärungen«. Seit Immanuel Kant 1784 auf die Frage des Pfarrers Johann Friedrich Zöllner »Was ist Aufklärung?« antwortete: »Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit«, führte dieser Gedanke zu vielen Überlegungen und Bildern.Das Kuratorenduo Ejham Khattab und Michael Arzt richtete den Blick auf »Unbekannte Geschichten über den Islam in der zeitgenössischen Kunst«. Dafür lud es 15 Positionen von Marokko bis Pakistan, von Großbritannien bis Indonesien ein. Viele Brüche treten in der hier zu sehenden Malerei, den Installationen und Videos auf, die einerseits aus dem Unbekannten stammen, anderseits Imaginationen über den Lauf der Geschichte vorstellen. (Eröffnung am Samstag um 15 Uhr mit einer Performance von Yara Mekawei)

Narziss trifft Keramikobjekt: Grit Hachmeister zeigt bei Aspn eine kleine Retrospektive von ihrem Selbstporträt mit Expander hin zu kleinen, ironisch geformten Kraftgeräten vor einer Spiegelwand. »Ach« lautet der Ausstellungstitel. Die Zeichnung »Man« lässt vermuten, dass das Mannsein – oder zeitgemäßer ausgedrückt – Männersein nicht einfach ist. Schnell zerbricht nicht nur ein fragiles Keramikobjekt, wenn es übersehen wird.

In der Werkschauhalle ist jede Menge Leipziger Kunst zu sehen oder Kunst, die von Kunstschaffenden stammt, die mal in Leipzig studierten – vornehmlich bei Timm Rautert oder Astrid Klein. Florian Peters-Messer präsentiert seine Sammlung unter dem Titel »You are here«. Der Sammler erklärte dem Handelsblatt seine Motivation, um Kunst einzukaufen: »Ich stamme aus einer Familie, die seit 200 Jahren Unternehmer hervorbringt und in der immer ein soziales Verantwortungsgefühl ausgeprägt war«. Kunst muss seiner Meinung nach nicht schön sein: »In der Kunst berühren mich die politisch-soziologischen Kerninhalte einfach am meisten.«

Die Besucher können sich selbst ein Bild davon machen und treffen dabei auf Peggy Buths Film »Demolition Flats«, der Sprengungen von Plattenbauten in Frankreich zeigt. Die vor einigen Jahrzehnten gemachten Versprechen zur gebauten Moderne stürzen recht imposant ineinander.

Der geringste Widerstand im Kirowwerk

Die Kunstfiguren Ratte und Bär schufen die Schweizer Peter Fischli und David Weiss in ihrem Film »Der geringste Widerstand« 1981. In ihren räudig wirkenden Kostümen versuchen die zwei Tiere das Kunstfeld durch einen genialen Schlachtplan aufzumischen, der sie zu Erfolg und Geld führen soll. Große Pläne gibt es einige ebenso wie heute noch taufrisch wirkende, ironisch-kluge Einsichten über das Kunstfeld. »Der geringste Widerstand«, so säuselt die Frauenstimme am Swimmingpool ist wie die nicht enden wollende Gartenparty: leicht, schmerzfrei, doch oftmals mit Opfern verbunden. Daneben sind in der Halle 9 im Kirowwerk noch Fotografien zu sehen und ein anderer Fischli-Weiss Klassiker: das Sprüche- und Fragebuch »Findet mich das Glück?«

Am Samstag findet zudem – fast auf dem Weg zu Spinnerei und Tapetenwerk – der Westbesuch auf dem Bürgerbahnhof Plagwitz statt.


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