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Politik

Nix Halbes und nix Ganzes

Wie es um das Kraftwerk Lippendorf tatsächlich steht, will niemand so richtig sagen

  Nix Halbes und nix Ganzes | Wie es um das Kraftwerk Lippendorf tatsächlich steht, will niemand so richtig sagen

Im Dezember hatte die Stadt überraschend mitgeteilt, deutlich früher als geplant aus der Fernwärmelieferung durch das Kraftwerk Lippendorf aussteigen zu wollen. Vor gut einer Woche meldete die Leipziger Volkszeitung, der Braunkohleausstieg 2023 sei vom Tisch. Was nun tatsächlich Sache ist, will niemand so richtig sagen – zumindest nicht, bevor sich am Dienstag der Aufsichtsrat der Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft trifft.

»Viele Manager aus der Führungsetagen sind derzeit offenbar schwer damit beschäftigt, für die Zukunft des Großkraftwerks zu streiten« – so stand es in der Titelgeschichte der März-Ausgabe geschrieben, als kreuzer-Autor Clemens Haug vom Ende des Kraftwerks Lippendorf berichtete. Heute, knapp vier Monate später, gilt das wohl noch immer. Zwar hatten die Stadtwerke im Dezember überraschend angekündigt, deutlich früher als geplant aus der Fernwärmelieferung durch das Kraftwerk Lippendorf aussteigen zu wollen. Vergangene Woche dann jedoch das angebliche Rollback: In der LVZ hieß es, der Braunkohle-Ausstieg für 2023 sei vom Tisch, die Stadtwerke würden den Fernwärmevertrag mit Lippendorf bis 2030 verlängern wollen. Wie steht es denn nun tatsächlich um die Wolkenmaschine in Leipzigs Süden?

Eine Frage, die sich auch Gesine Märtens, Grünen-Stadträtin und Aufsichtsratsmitglied der Stadtwerke, stellt. Mit einer eingereichten Dringlichkeitsanfrage wollte die Grünen-Fraktion im Stadtrat am Mittwoch wissen, ob an den Medienberichten einer möglichen Vertragsverlängerung etwas dran sei und was sich seit den Äußerungen des OB Burkhard Jung (SPD) im Dezember 2018 geändert habe. »Wir müssen raus aus der Braunkohle und jetzt steht dafür ein sehr günstiges Zeitfenster offen«, sagte Jung damals. Der Antrag wurde für die vergangene Sitzung jedoch abgelehnt. Alle anderen Fraktionen fanden das Anliegen nicht dringend, weshalb die Anfrage nun erst im September beantwortet werden soll.

Nach Informationen der LVZ soll der Aufsichtsrat der Stadtwerke über eine Verlängerung des Fernwärmeliefervertrags mit dem Braunkohlekraftwerk Lippendorf bis zum Jahr 2030 entschieden haben. »Das entspricht nicht den Tatsachen«, sagt Frank Viereckl, Pressesprecher der Leipziger Stadtwerke dem kreuzer. Die Stadtwerke würden alles in ihrer Macht Stehende dafür tun, den Ausstieg aus der Kohlewärme bis Ende 2022 zu realisieren. »An diesen Plänen hat sich auch nichts geändert«.

Stadtwerke peilen Ausstieg für Ende 2022 an

Der Ausstieg steht fest, die große Frage, wann er kommt, bleibt. Als Nebenprodukt der Stromerzeugung wird Fernwärme vermarktet. Die Leipziger Stadtwerke beziehen um die 320 Megawatt Wärme im Jahr vom Lippendorfer Meiler. Das entspricht rund 60 Prozent der in Leipzig verteilten Fernwärme – Ressourcen, mit denen mehrere Tausend Häuser und Großimmobilien wie das Uniklinikum und das Stadion beheizt werden können. Diese Wärme wollen die Stadtwerke in Zukunft selbst produzieren. In einem »zukünftigen Portfolio« hat das Unternehmen festgesetzt, wie. Die Energie soll aus einem Gaskraftwerk in der Eutritzscher Straße, aus mehreren Blockheizkraftwerken und Gasmotoren und aus Windparks sowie zwei Biomassekraftwerken außerhalb Leipzigs gewonnen werden.

Außerdem will die Stadt ein neues Gaskraftwerk bauen, das mit 150 Megawatt Strom und Wärme produzieren soll und eine Lebenszeit von etwa 15 Jahren haben soll. Dieses Portfolio sei technisch bis Ende 2022 umzusetzen, so Viereckl.

Auch Gerd Lippold, Grünen-Abgeordneter im Sächsischen Landtag, hält an einer schnellstmöglichen Abkoppelung von der Fernwärme fest: »Aus meiner Sicht hat sich an den Plänen für Lippendorf nichts geändert«. Planungs- und Genehmigungsprozesse könnten den für 2022 angepeilten Ausstiegt jedoch hinauszögern. »Den Ausstieg bis 2023 abgeschlossen zu haben, ist ein ziemlich sportliches Vorhaben«, sagt Lippold. Verhandlung der Stadt mit der Betreibergesellschaft LEAG könne er nachvollziehen, wenn es darum geht, etwas flexibler zu werden: »Die Stadt sollte darauf achten, so früh wie möglich unter guten Bedingungen aussteigen zu können.« Dabei gelte es, neue vertragliche Bindungen mit festen Fristen oder festen Mengen zu vermeiden.

Aufsichtsrat tagt am Dienstag

Lippendorfs Betreibergesellschaft LEAG äußerte auf Nachfrage des kreuzer: »Das Kraftwerk Lippendorf ist und bleibt auf absehbare Zeit für die Fernwärmeversorgung von Leipzig ein zuverlässiger Partner«. In verschiedenen Gesprächen mit den Stadtwerken seien diverse Optionen angeboten worden, wie die Fernwärmelieferung auch über 2023, dem bisherigen Vertragsende, hinaus, sichergestellt werden könne. Die Entscheidung der Stadt, den Vertrag nicht zu verlängern, ihn quasi inmitten noch laufender Gespräche zu beenden, sei für die LEAG schwer nachvollziehbar.

Das letzte Wort hat vorerst der Aufsichtsrat der Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (LVV). Dieser tagt am Dienstag, um nach Angaben von Viereckl Entscheidungen über das geplante Gaskraftwerk im Leipziger Süden und ergänzende Anlagen zu treffen. Was am Dienstag hinter verschlossenen Türen beschlossen wird, soll am Freitag schließlich auch der Öffentlichkeit mitgeteilt werden.


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