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Kultur

Raster an der Wand

Das Lichtfest 2019 lässt Fassaden erleuchten

  Raster an der Wand | Das Lichtfest 2019 lässt Fassaden erleuchten

Das Lichtfest 2019 will kein »Event« mehr sein – zumindest nach Aussage von Oberbürgermeister Burkhard Jung. Stattdessen gibt es in diesem Jahr Lichtinstallationen und weitere künstlerische Ideen

Zarte Lichtstrahlen fallen auf die Bänke der Nikolaikirche. An der Decke zeichnen sich kaum sichtbare Licht-Raster ab. Wer seit dem 5. September die Kirche betritt, kann beobachten, wie sich bei Tageslicht die Strahler nicht gegen die klassizistische Architektur durchsetzen können. Die Kirche ist der erste Lichtraum zum Thema »Wir sind das Volk!« – »Offen für alle«, die das Lichtfest 2019 zu einem besonderen Ereignis werden lassen sollen. Der 30. Jahrestag des Umsturzes fordert neue Formen des Gedenkens.

Darüber wurde nach dem letzten Lichtfest nicht lange diskutiert, sondern schnell und offensichtlich sehr schmerzlos der Lichtkünstler Jürgen Meier, der jahrelang das städtische Erinnerungsereignis organisierte, von seinen Pflichten entbunden.In diesem Jahr mache die österreichische Künstlerin Victoria Coeln das Besondere aus, wie Oberbürgermeister Burkhard Jung bei der Lichtfest-Präsentation Ende August verkündete. Auch Michael Kölsch von der Stiftung Friedliche Revolution betonte bei der Vorstellung, dass die Lichtkünstlerin »das Fest zum Erfolg führt«. Sie sei die »richtige Künstlerin« für den 9. Oktober. Ihr gehe es nicht nur um »Partizipation«, sondern sie finde auch einen »sehr ästhetischen Ausdruck, lässt Lichträume zum Austausch der Besucher untereinander entstehen«, sagte Kölsch weiter.

Coeln, die in den letzten Monaten im Keller des Museums der bildenden Künste ein Lichtstudio betrieb, hat aus ihren Recherchen und den Zeitzeugen-Berichten nun Geschichten für die sechs Lichträume entwickelt. Gemäß ihrem Motto »Licht lässt Menschen leuchten« soll das Fest laut Coeln einen »Prozess der Versöhnung« einleiten, den die Politik im Anschluss daran umsetzen soll. Und es gehe ihr um die Überwindung des »starren Menschen«, der nur noch auf Displays glotzt. Kommunikation, heute über das Gestern reden – so stellt sich das auch der Oberbürgermeister vor, denn wie er weiß, wurde 1989 zugehört und nicht gepöbelt. Bei der Präsentation diktierte Jung den anwesenden Journalisten zudem in den Block, dass sie den Begriff »Event« streichen sollen. Das wird das Lichtfest 2019 nämlich keinesfalls. Was stattdessen – das wird sich zeigen.

Nach dem Lichtfest 2018 schrieb die Stadt gemeinsam mit der Halle 14 einen Wettbewerb »Künstlerische Ideen für das Lichtfest 2019« aus. Offensichtlich wollte die Stadt neue Ideen für den städtischen Feiertag finden. Die ersten Drei des Wettbewerbs sind nun auch rund um das Lichtfest zu erleben.

Der dritte Platz ging an die ehemalige kreuzer-Bildredakteurin Sandra Schubert. Sie stellt private Fotoalben in den Mittelpunkt. »Private Fotografie in Ostdeutschland 1980 – 2000« lautet der Titel des Projekts, das sie gemeinsam mit Sophie Schulz und Friedrich Tietjen plant. Dafür wollen sie Blicke in die privaten Alben der Menschen werfen und ihnen zuhören.Die sogenannten »Sichtungstermine« 2019 finden am 3. Oktober sowie am 15. und 16. November von 16 bis 19 Uhr in der Halle 14 statt.

Carsten Möller zeigt im »Freiraum«-Pavillon auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz seine Audio- und Videoinstallation »Home Video« am Samstag (5.) und Montag (7. Oktober) jeweils um 18 Uhr. Zwei Lieder prägen die Erkundung der »Heimat«. Zum einen ist das Lied »Unsre Heimat« aus dem Jahr 1951 zu hören. Wenn Menschen in der Sauna, in der zeitgenössischen Ladenzeile die Liedzeilen singen »Unsre Heimat/ Das sind nicht nur die Städte und Dörfer/ Unsre Heimat sind auch die Bäume im Wald/ Unsre Heimat ist das Gras auf der Wiese/ Das Korn auf dem Feld....« wirkt dies einerseits sehr harmonisch in der Darstellung. Andererseits wird klar, dass die Heimat als Volkseigentum – wie es im Lied zu hören ist – längst der Vergangenheit angehört. So geht die Kamera langsam durch die heutige Welt und erinnert an die Zeit vor 1989. Die vielleicht bei dem ein oder der Anderen dabei einsetzende Wehmut an früheres Lied-Repertoire, bricht der zweite Song. 1990 entstand »Heimatlos« von der Gruppe Die vergessenen Kinder. »Home is where the heart is/ doch mein Herz kennt keine Heimat mehr....« Ob im Fitnessstudio oder auf dem Hauptbahnhof – Heimatlosigkeit bestimmt nicht nur die Optimierungs- und Transiträume der heutigen Gesellschaft. Woran hängt man sich? Möller gibt in seiner Installation 35 Minuten Zeit, um das Heute in Leipzig nach der Heimat zu befragen.

Bei Ronny Szillos Lichtinstallation »Genuine Generation«, die am 9. Oktober an der Kunsthalle G 2 zu sehen sein wird, geht es um die Botschaften einer Bekleidungsmarke. Die Siegerarbeit des Ideenwettbewerbs fragt unter anderem: Wer trägt warum Obertrikotagen mit der Aufschrift »Member of the Wildlife Safari« oder »Guarding the coastline«? Welche Träume verbinden sich damit? »Visafrei bis Hawaii« – wie eine Losung der späten Montagsdemonstrationen von 1989 lautete? Heißen diejenigen, die es in ferne Länder zieht, dann im Umkehrschluss Fremde in ihrer Heimat besonders herzlich willkommen?


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