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Fast übersehen

Über die Skulptur in Leipzig – Aktuelle Motive und vergessene Geschichte

  Fast übersehen | Über die Skulptur in Leipzig – Aktuelle Motive und vergessene Geschichte

Die Geschichte der Leipziger Bildhauerei ist interessant – und kaum bekannt. Dass diese Kunstform durchaus Beachtung verdient, zeigen derzeit Werke von Stella Hamberg in der Galerie Eigen + Art.

Der Eigen + Art-Galerist Gerd Harry Lybke rief nach der großen Malerei-Welle der sogenannten Neuen Leipziger Schule dazu auf, dass nun die Plastik das Kunstfeld erobern solle. Der Wunsch liegt fast 15 Jahre
zurück und es passt daher sehr gut, dass Stella Hamberg vor 15 Jahren erstmals in Lybkes Galerie ausstellte. Hamberg, 1975 geboren, studierte an der Dresdner Hochschule für Bildende Künste in der Fachklasse für Dreidimensionale Arbeit, Schwerpunkt Plastik und Skulptur bei Martin Honert. Im Kunstfeld fiel sie bisher dadurch auf, dass sie mit Bronze arbeitet. Daher wirken ihre Ausstellungen zumeist wie Materialschlachten, da sich das zeitgenössische Auge eher an minimalen Formen und experimentellen Materialzusammenstellungen erfreut. Als sie ihre überdimensionalen Figuren »Berserker« beispielsweise vor über zehn Jahren erstmals zeigte, war für einige Zeitgenossen nicht klar, ob es sich hierbei um eine reine Geldanlage – sprich Investorenkunst – handelt oder welche ironische Ader die bronzenen Kolosse geformt haben mag.

Bis Ende Oktober präsentiert Eigen + Art erneut Skulpturen von Hamberg. Dabei fallen vor allem die Gips- und Bronzedarstellung eines menschlichen Unterkörpers in naturalistischer Darstellungsweise auf. Die Künstlerin titelt sie »Trance 2« (Bronze) und »Trance 3« (Gips). 
Ihre Zeitgenossenschaften treten dabei in den Hintergrund und auch zutiefst konservative Kunstgeschmäckler mögen sicherlich diese Abbilder der Natur. Allein, die Frage ist, ob zeitgenössische Kunst und vor allem Skulptur nicht schon viel weiter ist – sowohl in Form-, Material- als auch Themenspektrum.

Geschichte der Leipziger Bildhauerei kaum bekannt

Aber vielleicht ist es sehr gut, dass diese Arbeiten hier gezeigt werden. Leipzig gilt nach wie vor nicht als Bildhauerstadt, obgleich sowohl an der Kunstakademie als auch der Kunstgewerbeschule über Jahrzehnte hinweg Bildhauerei studiert werden konnte. An der Hochschule für Grafik und Buchkunst gab es nach 1945 keine Fachklasse dafür. Als 1984 Wolfgang Peuker (Vorsitzender des Verbandes der Bildenden Künstler, Bezirk Leipzig) und Herbert Ihle (Sektion Plastik im Verband Bildender Künstler Leipzig) in einem Schreiben an den stellvertretenden DDR-Kulturminister Dietmar Keller die Einrichtung einer Bildhauerklasse an der HGB vorschlugen, gab es keinen positiven Bescheid. Auch nach 1990 passierte nichts in die Richtung – abgesehen von der Klasse Joachim Blank im Fachbereich Medienkunst, die seit einigen Jahren Klasse für Installation und Raum heißt.

Das ist eigentlich sehr schade, denn allein die Geschichte der Leipziger Bildhauerei ist sehr interessant und bisher leider kaum bekannt. Interessant ist beispielsweise der Aspekt, dass Bildhauerinnen und Bildhauer im Vergleich zu malenden Kunstschaffenden in allen Jahrgängen der Großen Deutschen Kunstausstellung in München von 1937 bis 1944 vertreten waren.

Blick über den Tellerrand

Geht man weiter in der Geschichte zurück – steht Max Klinger samt seinen mehrfarbigen Plastiken meist im Mittelpunkt der Erzählungen. Allein für seinen 1902 beendeten »Beethoven«, der heute mächtig im Museum der bildenden Künste thront, wurde 1903 extra ein Ausstellungsraum im damaligen Bildermuseum am Augustusplatz geschaffen, der mit Extraeintritt betreten werden konnte. Im öffentlichen Raum kommt niemand an den Figuren von Carl Seffner vorbei: ob Karl Heine in Plagwitz oder Johann Sebastian Bach vor der Thomaskirche. Als er 1932 starb, fand innerhalb der Großen Leipziger Kunstausstellung in der Abteilung Kampfgruppe für deutsche Kunst eine Gedenkausstellung für ihn statt. Dabei waren unter anderem vier Objekte zu sehen, die Adolf Hitler zeigten.

Neben Seffner lehrte Adolf Lehnert an der Leipziger Kunstakademie. Zu seinen Schülern gehörten auch Max Brumme, der 1937 das Kriegermal vor der Peterskirche gestaltete, oder Alfred Thiele. Er schuf beispielsweise »Die große Sitzende« im Agra-Park. Die Skulptur stellte er bei der Großen Leipziger Kunstausstellung 1940 aus. Das sind nur einige Aspekte aus der Geschichte der »Malerei«-Stadt Leipzig. Zeit, um endlich auch einmal über die Leinwand hinauszuschauen.


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