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Politik

»Ist das eine Gesinnungsprüfung hier?«

Rechtsreferendar wegen Neonazi-Angriff vor Gericht: Verteidiger will Freispruch

  »Ist das eine Gesinnungsprüfung hier?« | Rechtsreferendar wegen Neonazi-Angriff vor Gericht: Verteidiger will Freispruch

Weil er dabei war, als 250 Neonazis und Hooligans in Connewitz randalierten, steht ein sächsischer Rechtsreferendar am Dienstag zum zweiten Mal vor Gericht. Auch ein brisantes Foto mit Hakenkreuztattoo wird an diesem Tag diskutiert.

Seit Dienstagmorgen muss sich ein 27-jähriger Rechtsreferendar in zweiter Instanz wegen Beteiligung am Neonazi-Überfall auf Connewitz vor dem Landgericht Leipzig verantworten. Der Angeklagte Brian E. absolviert derzeit seinen juristischen Vorbereitungsdienst am Amtsgericht Chemnitz.

Es ist bereits der dritte Versuch einer Berufungsverhandlung. Zu früheren Terminen meldete der angeklagte Rechtsreferendar sich krank. Zuletzt wegen einer Gehirnerschütterung, die von einem Boxtraining am Vorabend stamme. Diesmal erschien er – zur Überraschung vieler Zuschauer. Sein Verteidiger will auf Freispruch plädieren.

Das Amtsgericht verurteilte Brian E. 2018 zu einer Strafe von einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung. Die Richterin sah es als erwiesen an, dass der Rechtsreferendar am 11. Januar 2016 gemeinsam mit rund 250 bewaffneten und vermummten Personen durch Connewitz gezogen sei. Die Gruppe attackierte Autos, Geschäfte und Passanten und hinterließ rund 113.000 Euro Sachschaden. Zeitgleich fand in der Leipziger Innenstadt eine Veranstaltung zum einjährigen Geburtstag des rechten Bündnis »Legida« statt.

»Wir haben hier einen Rechtsreferendar und der muss um jeden Preis zur Räson gebracht werden«, erklärt Verteidiger Jürgen Schäfer zu Prozessbeginn seine Wahrnehmung der bisherigen juristischen Aufarbeitung. Die Verurteilung seines Mandanten durch das Amtsgericht nennt er »rechtsfehlerhaft« – obwohl er selbst damals keinen Freispruch forderte, sondern lediglich um ein mildes Urteil bat. Der Angeklagte fügt an, dass er sich zwar im ersten Prozess »geständig eingelassen« habe, dies aber nicht mit einem »Geständnis« gleichgesetzt werden könne. Auch seine frühere Entschuldigung an die Opfer des Angriffs, bedeute kein persönliches Schuldeingeständnis seinerseits.

»Ich sage Ihnen, Sie wären auch nicht einfach gegangen«

Auch vor dem Landgericht gibt E. eine geständige Einlassung ab, die er schriftlich vorbereitet hat. Er wiederholt im Wesentlichen seine Aussagen aus erster Instanz: Er sei ein vielseitig politisch interessierter Mensch und habe in Connewitz gegen linke Gewalt demonstrieren wollen. Von einem langfristig organisierten Angriff auf den linksgeprägten Stadtteil habe er nichts gewusst. »Natürlich ist klar, dass eine Demo niemals in Gewalt umschlagen darf«, erklärt er.

Als die Ausschreitungen in Connewitz begannen, sei Hobby-Kampfsportler E. »weder psychisch noch physisch« in der Lage gewesen, sich aus der Gruppe zu entfernen, erklärt er. »Das ist linksextremes Gebiet« sagt E. über das Viertel im Leipziger Süden. Zudem sei er inmitten einer dicht gedrängten Gruppe eingeschlossen gewesen. »Ich sage Ihnen, Sie wären auch nicht einfach gegangen«, entgegnet der Rechtsreferendar auf mehrere Nachfragen der Staatsanwältin.

Mehrfach liefern sich Staatsanwaltschaft und Angeklagter kleinere Wortgefechte.»Auf wie vielen Legida-Demos waren Sie schon?«»Drei bis Vier.«»Und wie viele davon gingen in Connewitz los?«»Keine. Das war 'ne Jahresdemo.«
Streit um Foto mit Hakenkreuztattoo

Wenig später kippt die Stimmung, als die Staatsanwaltschaft den Angeklagten auf ein Foto anspricht, das ihn mit tätowierten Hakenkreuzen auf der Brust zeigt. »Ist das eine Gesinnungsprüfung hier?« wirft Verteidiger Schäfer ein. Brian E. selbst ist sichtlich aufgebracht und erklärt, das Foto sei gefälscht. Der Staatsanwalt hält entgegen, dass das Foto mit Hakenkreuz-Tattoo am Tag der Aufnahme auf der Facebookseite von E.s Boxverein veröffentlicht worden sei.

»Wollen Sie jetzt die Tätowierung über meine persönliche Gesinnung stellen?«, entgegnet Rechtsreferendar E. lautstark. Er verweist auf ausländische Freunde und Kommilitonen, die im Publikum sitzen. »Vielleicht verstehen Sie mal, dass ich kein Neonazi bin«, schließt er.

Das Urteil im Berufungsprozess wird für Ende November erwartet. Sollte die frühere Verurteilung aufrecht erhalten werden, droht E. das vorzeitige Ende seiner juristischen Ausbildung.


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1 Kommentar(e)

Anonym 12.11.2019 | um 17:15 Uhr

"Man wird sich doch wohl mal ein Hakenkreuz tatoovieren dürfen ohne gleich als Nazi abgestempelt zu werden!!!"