Das Stadtarchiv Leipzig zeigt in der ersten Ausstellung ausgewählte Zeichnungen des Leipziger Architekten Johannes Koppe unter der Überschrift »Die Sprache des Architekten«.
Zwanzig Männer in weißen Kitteln und vier Frauen in Alltagskleidung schauen von einem Gruppenfoto aus dem Jahr 1929. Hier stellte sich nicht die Belegschaft einer Arztpraxis auf, sondern das Architekturbüro von Johannes Koppe und seinem späteren Büropartner Otto Hellriegel. Auffallend daran: Die Frauen tragen keine Kittel. Obwohl Emilie Winkelmann, die erste Architektin in Deutschland, mehr als zwanzig Jahre zuvor ihr eigenes Büro in Berlin eröffnete. Sie durfte 1914 zur Internationalen Buchgewerbe-Ausstellung in Leipzig auf dem heutigen Alten Messegelände das Haus der Frau errichten.
Auf dem Gelände entstand 1923 bis 1924 die Messehalle für den Verband der Werkzeugmaschinenfabrikanten für die Frühjahrs- und Herbstmessen. Im Winter drehten die Radsportler ihre Runden auf einer Rennbahn, die der Verein Sportplatz Leipzig finanzierte. Nach 1945 fand die Umgestaltung zum sowjetischen Pavillon statt. Der rote Stern leuchtet heute noch weit über das Gelände. In den Türbögen erinnern Kraftwerke und Stromleitungen an Lenins Spruch: »Kommunismus – das ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes.«
Die Architektur spricht immer zu uns – wir müssen nur ihr gegenüber aufmerksam sein. Hier ist nun das Stadtarchiv untergebracht und zeigt in der ersten Ausstellung ausgewählte Zeichnungen des Leipziger Architekten Johannes Koppe unter der Überschrift »Die Sprache des Architekten«. Koppe (1883–1959) meldete sich 1910 als Architekt in Leipzig an und spezialisierte sich auf die Moderne im Kleinen. So entwarf das Büro Kleinwohnungen und Wohnsiedlungen – wie etwa den Fliederhof in Schönefeld, Wohnbauten am Poeten- oder Triftweg.
Die Teilnahmen an Wettbewerben zum Grassimuseum, der Königshauspassage oder der Krochsiedlung endeten in Plätzen hinter dem jeweiligen Siegerentwurf. Nach 1945 schufen Koppe und sein Büro den vielleicht schönsten Industriebau der Nachkriegszeit in der Stadt: die Industriehalle aus Backstein mit ihrer großen Fensterfront, die heute zum Westwerk in der Karl-Heine-Straße gehört. Ihre streng-moderne Linie aus den Jahren 1952/53 zerstört heute leider die dort ansässige Konsumfiliale mit ihrer unvorteilhaften und vor allem schlecht angebrachten Außenwerbung.
Das Stadtarchiv erhielt vor knapp 15 Jahren ein Konvolut von 5.000 Bauzeichnungen des Büros. Es befand sich in einem schlimmen Zustand. Ein Teil konnte bisher rekonstruiert werden. Interessant an dem Bestand ist – wie Anett Müller bei der Ausstellungseröffnung betonte –, dass hier die Arbeit eines Privatarchitekten näher untersucht und nachvollzogen werden kann. Wie entsteht ein privates Gebäude? Was passiert zwischen Entwurf und Einzug? Was ändert der Architekt wie? Wie sieht die heute noch vorhandene gebaute Realität aus?
Ausgewählte Zeichnungen lassen den Weg sowohl von funktionaler Moderne für die Gesellschaft als auch für die eigenen vier Wände nachvollziehen.