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Politik

Stadtrat mit Abstand in der Coronakrise

Die erste Sitzung des Stadtrates in der Corona-Krise in der Kongresshalle am Zoo

  Stadtrat mit Abstand in der Coronakrise | Die erste Sitzung des Stadtrates in der Corona-Krise in der Kongresshalle am Zoo

Eigentlich sollte die bisher letzte Stadtratssitzung am 25. März stattfinden. Aber die Corona-Pandemie machte auch vor dem Amphitheater der Lokalpolitik keinen Halt. Stattdessen mussten seine Mitglieder ihre Arbeit ins Homeoffice verlagern. Mittlerweile gibt es eine neue Lösung: Am 29. April tagt das Leipziger Parlament in der Kongresshalle am Zoo – mit ausreichend Abstand seiner Mitglieder zueinander.

In der Corona-Krise werben die Parteien für Zusammenhalt – auch in Leipzig. Selbst die AfD hat der Stadtverwaltung ihre »konstruktive Mitarbeit« angeboten. Dabei freute sie sich in der Stadtratssitzung vor der Oberbürgermeisterwahl noch hämisch über den vermeintlich »letzten Arbeitstag« des Verwaltungschefs Burkhard Jung. Doch auch wenn Corona vieles überlagert, sind die Themen aus dem Wahlkampf nach wie vor präsent.

Die CDU setzt wie gewohnt auf Ordnung und Sicherheit. Der Leipziger Landtagsabgeordnete Ronald Pohle forderte die Stadt Anfang April in einer Pressemitteilung auf, »ihren ordnungspolitischen Pflichten nachzukommen«. Denn beim Markt auf der Eisenbahnstraße könne von »Abstandsgeboten und Kontaktsperren keine Rede sein«. Immer wieder gebe es Gedränge, weil Menschen den Verkaufsständen auf den Gehwegen ausweichen müssten.

»In Zeiten von Covid-19 ist es geradezu ein Hohn«, fasste Pohle die Lage zusammen. Schließlich unternehme »das ganze Land die härtesten Anstrengungen«, um die Verbreitung des Virus zu verlangsamen. Nur die Eisenbahnstraße scheine da nicht mitzumachen. Dass der Markt stattfindet, begrüße er grundsätzlich, sagte Pohle dem kreuzer. Ihm gehe es »um die Einhaltung von Regeln, damit wir eben nicht gezwungen sind, die Wochenmärkte zu schließen«.

Das hatte die sächsische Landesregierung zuvor bereits getan und damit zahlreiche Beschwerden ausgelöst – auch von den Leipziger Grünen. Deren Landwirtschaftsminister Wolfram Günther setzte sich anschließend dafür ein, die Märkte wieder zu öffnen. Ein Anwohner der Eisenbahnstraße versteht die Aufregung um die Stände nicht. Die Gemüsehändler hätten zwar wie üblich verkauft, der Andrang sei aber deutlich geringer gewesen. Außerdem komme man sich im Supermarkt genauso nah.

»Zu dicht gedrängt waren die Menschen« auf dem Wochenmarkt in der Innenstadt, wie Oberbürgermeister Jung auf Facebook schrieb. Er kündigte an, den Zugang künftig wie in Supermärkten zu beschränken. Insgesamt würden Abstandsregel und Ausgangsbeschränkung jedoch eingehalten, berichtete Sachsens Innenminister Roland Wöller Ende März. Der CDU-Politiker sagte darüber hinaus, er sei »einigermaßen fassungslos«, dass die Krise für »Straftaten, teilweise bis an die Grenze zu terroristischen Straftaten« ausgenutzt werde.

Was er damit meinte, konnte zwar auch die Leipziger Volkszeitung nicht erklären, sie widmete der Aussage des Ministers trotzdem einen ganzen Artikel. »Angst vor mehr linksextremen Straftaten in der Corona-Krise?«, fragte sie in der Schlagzeile.
Die Bundesregierung warnte stattdessen, dass Rechtsextreme die aktuelle Situation für Anschläge nutzen könnten. Rechte Gruppen bereiten sich seit Jahren auf ihren »Tag X« vor. So wie das enttarnte »Hannibal«-
Netzwerk, das wesentlich von Polizisten und Soldaten getragen wurde.

Die Bundeswehr habe gezeigt, »dass in Krisenzeiten auf sie Verlass ist«, sagt Jens Lehmann. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Leipziger Stadtrat forderte, noch bevor es Ausgangsbeschränkungen gab, die Bundeswehr im »Kampf gegen Corona« einzusetzen. Eine »Unterstützung von Polizeikräften durch Feldjäger« sei beispielsweise denkbar. Ebenso forderte die Leipziger AfD, »dass Oberbürgermeister Jung sich nach der Ausrufung des Katastrophenfalls in Sachsen um die Hilfe der Bundeswehr bemüht«.

Bis es so weit ist, könnte Jung bei Bill Gates anrufen. Laut einem Video, das die AfD Landkreis Leipzig auf Facebook geteilt hat, ist es nämlich der Microsoft-Gründer, der »diese ganze Pandemie steuert und mit angeschoben hat«. Währenddessen blieb der Rat allerdings nicht still, sondern arbeitete »selbstverständlich« mit der Verwaltung weiter, wie der Leiter des Büros für Ratsangelegenheiten, Michael Leisner, dem kreuzer mitteilte. Mindestens einmal wöchentlich stimmen sich die Fraktionsvorsitzenden mit dem Oberbürgermeister im Ältestenrat ab. Dringend benötigte Entscheidungen während der Krise werden im Zweifel durch Eilentscheidungen und Umlaufbeschlüsse getroffen. In den Fachausschüssen sind nun auch Telefon- und Videokonferenzen gängige »Kanäle«.


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