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Politik

»Von einem Abfertigungsbetrieb sprechen«

Studierende befürchten weniger Qualität in der Lehrerausbildung

  »Von einem Abfertigungsbetrieb sprechen« | Studierende befürchten weniger Qualität in der Lehrerausbildung

Mitte Juni hat die Universität die Zahlen für die Verteilung der Stellen in der Lehrerbildung vorgestellt. Studierende sprechen von massiven Stellenkürzungen und rufen zum Protest auf. Der kreuzer sprach mit dem Referenten für Lehramt Felix Fink über Bildungspakete, Lehrdeputate und drohendes Chaos.

kreuzer: Anfang Juni haben die Regierenden von Bund und Ländern den »Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken« beschlossen. Worum geht es bei diesem Vertrag?FELIX FINK: Es geht in dem Vertrag um die Universitätsfinanzierung, auch um die Finanzierung der Lehrerbildung. Bis jetzt wurde die im Wesentlichen über das sogenannte »Bildungspaket« finanziert, das zum Ende dieses Jahres ausläuft. Grundständige Mittel gibt es fast nicht in der Lehrerbildung, das wird alles über Pakete finanziert. Mit dem »Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken« wurde ein Anschlusspaket geschaffen, das zwischen Bund und Ländern verhandelt wurde und ab Anfang nächsten Jahres in Kraft tritt. Aus dem bekommt die Universität Leipzig neue Mittel für die Lehrerbildung.

[caption id="attachment_97884" align="alignright" width="320"] Felix Fink, Foto: Adrian Hänsel[/caption]

kreuzer: Wie sollen die Mittel verwendet werden?FINK: In der Senatssitzung haben wir erfahren, dass das Rektorat in einem ersten Schritt allen lehrerbildenden Fakultäten eine bestimmte Anzahl an Stellen zugewiesen hat: Von insgesamt 166 Stellen sollen 94 durch Lehrkräfte mit besonderen Aufgaben (LfbA) und 20 mit Wissenschaftlichen Mitarbeitern (WiMi) besetzt werden. Im zweiten Schritt hat das Rektorat dann auch noch die Lehrdeputate, also die verpflichtende Anzahl der Unterrichtsstunden, erhöht. Das kann man bereits an den neuen Ausschreibungen auf der Website sehen, bei der für die LfbA statt den üblichen 16 nun 20 Stunden pro Woche im Semester gefordert sind.

kreuzer: Sie kritisieren insbesondere die Erhöhung der Stellen für Lehrkräfte für besondere Aufgaben. Warum?FINK: Von den Wissenschaftlichen Mitarbeitern wird es nicht mehr viele geben. Dabei sind das ja eigentlich die Stellen, die wissenschaftliche Lehre machen sollen. An diese Stelle treten jetzt die LfbA, die laut Gesetz »praktische Fähigkeiten und Kenntnisse« vermitteln sollen. Sie übernehmen Lehraufgaben sowie die Beratung und Betreuung von Studierenden. Indem man die vermehrt einsetzt, entkoppelt man zunehmend die Wissenschaft vom Lehramt. Ein tolles Beispiel sind Trainingskurse an der sportlichen Fakultät – das wäre etwas, was LfbA eigentlich machen. Das hat nichts mit Wissenschaft als solcher zu tun. Sie müssen sich nicht weiterbilden und keine Forschungsinhalte einbeziehen.

kreuzer: Und die sollen nun 20 Stunden in der Woche Lehre machen?FINK: Bei 20 Stunden Lehre in der Woche macht man 10 Seminare. Rechnet man mit 30 Studierenden pro Seminar sind das 300 Studis, die man betreut. Schreiben die alle eine Hausarbeit, dann betreut da jemand 300 Hausarbeiten und muss sie innerhalb von vier Wochen korrigieren. Bei so einer Situation leidet die Qualität enorm, da kann man schon von einem Abfertigungsbetrieb reden.

kreuzer: Der alte Vertrag des Bildungspaketes läuft Ende des Jahres aus, genauso wie die Verträge der damit finanzierten Mitarbeiter. Welche Konsequenzen hat das für das Lehramtsstudium?FINK: Eine Staatsexamensarbeit muss schon im September angemeldet werden. Die Dozierenden können so aber keine Zusagen machen. Wenn sie jetzt unterschreiben würden, dass sie die Studierenden betreuen, dann würden sie per Unterschrift zusichern, dass sie gegebenenfalls ohne fortlaufendes Gehalt eine Arbeit betreuen. Schließlich müssen sie die ja im April zum Abgabedatum korrigieren, dann wenn ihr Vertrag aber schon ausgelaufen ist.

kreuzer: Sie reden an mehreren Stellen von einem drohenden Chaossemester. Ist das ein realistisches Szenario?FINK: Durchaus. Ich weiß von einzelnen Fakultäten, die ihr Vorlesungsverzeichnis nur zur Hälfte geschrieben haben. Sie schreiben weder die Namen der Dozierenden hinein, noch die Zeiten. Das heißt, die Studis müssen sich dann unter Umständen irgendwo einschreiben, von dem sie gar nicht wissen, mit wem und wann das stattfindet. Fraglich ist auch wie viele Seminarleiterwechsel im Semester stattfinden werden.

kreuzer: Gibt es denn noch Möglichkeiten, das abzuwenden?FINK: Ja, wir wollen, dass es eine Verpflichtungserklärung gibt: Es soll keine Stellen mit 20 Wochenstunden im Semester geben wie in den derzeitigen Ausschreibungen ab nächstem Jahr. Aus unserer Sicht sind aber auch die derzeitigen 16 Wochenstunden noch viel zu viel. Die Uni hat hier durchaus die Möglichkeit, niedrigere Lehrdeputate anzusetzen.


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