Die Sommer-Theaterturbine setzt auf Sex, Musik und viel Humor. Peinlichkeiten nicht ausgeschlossen.
Und dann kam der Regen. Der erste gefühlt seit Wochen, und die Premiere des Theaterturbine-Sommertheaters auf der Moritzbastei schien buchstäblich ins Wasser zu fallen. Denn coronabedingt gibt es in diesen Jahr keine Schlechtwettervariante. Mit halbstündiger Verspätung starteten die »Romantischen Viecher« schließlich doch in die schwüle Sommernacht.
Wie üblich hat die Turbine sich nicht auf einen fertigen Text verlassen, sondern das Stück in Improvisationsmanier selbst entwickelt (Regie: Ina Gerke und Aron Craemer). Die Kette, an der sich die szenischen Perlen aufreihen, heißt Beziehungen mit Sex. Da ist die langverheiratete Claudia (Anne Rab), die sich neben ihrem etwas phlegmatischen Jannik mit dem jüngeren Rick (Fabian Reichenbach) eine außereheliche Abwechslung sucht. Und Jannik vielleicht auch? Oder man begegnet dem nicht mehr ganz so aufstrebenden Influencer-Star Elise (Felicitas Erben), die mit dem Trödler Johannes (Armin Zarbock) eine Familie gründen will, was letzterer mit maximaler Indifferenz und Gehemmtheit erwidert. Generation beziehungsunfähig. Und schließlich sucht Antje (Friederike Nölting) mit ihrem Alex (wieder Zarbock) zwischen Shamanic Body Research mit Kakao und Fesselspielen ihre optimale Lusterfüllung.
Im Großen und Ganzen geht es dabei ums Kommunizieren, ums Aushandeln und natürlich ums fröhliche daran Scheitern. Dazu gibt es theoretische Einschübe zum Paarungsverhalten in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, was in der Frage ans Publikum gipfelt, wer sich denn gerne seine Lebenspartner von den Eltern aussuchen lasse würde. Keiner? Eben! Also bleibt doch nur der Mahlstrom der romantischen Liebe mit all seinen Irrungen und Wirrungen mit oder ohne Online-Dating.
Das alles kommt sommerlich leichtfüßig daher. Es wird gesungen und musiziert, es gibt kleine putzmuntere Choreografien und sechs höchst sehenswerte Spielerinnen und Spieler, die sich themengerecht immer mal wieder bis zur Unterwäsche ausziehen (Kostüme: Marlene Schroeder), um die zahlreichen Liebesspielchen – oder eben ihr Scheitern – schamlos zu bebildern. Doch im Zweifelsfall siegt der Humor über die Erotik, denn da die Peinlichkeit keine Grenzen kennt, gilt dasselbe auch für die Witzigkeit. Peinlich sind denn auch nur die Situationen nicht das Spiel.
Das Regieteam sorgt für ordentliche Tableauwirkungen, um schnell zwischen den Szenen wechseln zu können, so dass sich ein ordentliches Tempo einstellt und sich über den Abend in einen sehr schönen Rhythmus der verschiedenen Stilmittel Songs, Szenen, Vortrag oder Bildertheater zum runden Ding zusammenfügt. Weiße mobile Quader ermöglichen zudem schnelle Umbauten und auch die obere Plattform der Moritzbastei sorgt für szenische Abwechslung, auch wenn sie vor allem den singenden Nummern, dem Chor der geschundenen Seelen vorbehalten ist. Hier reicht das Repertoire von 20er Jahre-Anleihen bis zur Techno-Persiflage.
Mit Pause werden es schließlich über zwei Stunden Gefühltollhaus und Power-Theater der romantischen Viecher. Das produziert zwar keine allzu großen neue Erkenntnisse, aber auf jeden Fall einen schönen Abend. Außer es regnet, dann fällt es aus.