Kurzfristig verfügbares Personal stellt allerorts eine wichtige Grundlage, um auf die Unerwartbarkeiten in Hotels, Restaurants und Caterings zu reagieren. Möglich ist das durch Zeitarbeitskräfte. Ganz so vogelfrei wie man glaubt, sind sie nicht. Ein Text aus der kreuzer-Ausgabe 8/20.
Ob in der Küche, im Service oder bei Caterings – die Leipziger Gastronomie (und nicht nur diese) würde zusammenbrechen, wäre da nicht kurzfristig verfügbares Personal, das die fest angestellten Mitarbeiter unterstützt. Im Klartext bedeutet das ein Maximum an Flexibilität für die Helfer auf Zeit, wenn sie gebucht werden, um abends bei schönem Wetter in einem Biergarten zu jobben, obwohl es tagsüber geregnet hat. Dagegen spüren Zeitarbeiter Flauten zuerst. Besonders krass: Mit dem Lockdown Ende März fiel für manche von ihnen eine wichtige, oft einzige Einkommensquelle weg. Ulrike Brenner, seit 1995 als Personaldienstleisterin mit dem Team Brenner (TB) am Start, kennt das Geschäft: »Vor Corona konnten wir kaum alle Anfragen bedienen, dann brach auf einmal alles weg.« Allein 30 Köche und aktuell 80 Servicekräfte sind bei TB in der Vermittlung, manche in Teilzeit. Dazu kommen je nach Saison und Anlass 350 bis 400 Aushilfen, die bei Klein- oder Großveranstaltungen vom Bundesligaspiel bis zum Rammstein-Konzert pauschal im Einsatz sind, »ein Pool zuverlässiger Leute«, betont Brenner.
Ganz so vogelfrei, wie manche meinen, sind Zeitarbeitskräfte nicht. »Wir arbeiten im Segment der Arbeitnehmerüberlassung, nicht über Werksverträge«, betont Brenner. Diese stehen nicht zuletzt aufgrund der gruseligen Vorkommnisse in Schlachtbetrieben und in der Landwirtschaft stark in der Kritik. Im Gegensatz dazu bezahlen seriöse Personaldienstleister ihre sozialversicherungspflichtig Angestellten je nach Zahl der geleisteten Stunden, Qualifikation und Beschäftigungsdauer gemäß IGZ-Tarif des Interessenverbandes deutscher Zeitarbeitsunternehmen. In der gültigen »Entgelttabelle Ost« staffelt dieser Tarif zwischen 9,88 und 20,79 Euro (ohne Zuschläge). Ab 1. Oktober 2020 sind Erhöhungen geplant – im Cent-Bereich machen sie das Kraut sicher nicht fett, doch weder Brenner noch Anett Mockri-Grentzius, Chefin der 2012 gegründeten Firma Löwen Personalservice, trauen sich, »auch nur 1 Cent darunterzugehen«.
Was Zeitarbeitsfirmen nicht haben, ist Einfluss auf die Bezahlung der Mitarbeiter von Gastronomen und Veranstaltern. Das kann der eine oder die andere durchaus als ungerecht empfinden. Die Soziologie-Studentin Nicole Stryapien führt ins Feld, dass die Zeitarbeitsfirma als ihr Arbeitgeber »eine wesentlich höhere Vermittlungsgebühr« kassiert – von der allerdings Verwaltung, Büromiete und -technik, anfallende Reisekosten, Arbeitskleidung oder Schulungen bezahlt werden müssen. »Wir tragen als Aushilfen ja auch weniger Verantwortung«, hält Swetlana Sirina dagegen, die ihr Studium ebenfalls durch Einsätze in Hotels, Restaurants und Caterings finanziert. »Na klar, es könnte immer mehr sein«, sagt Anett Triepel, aber insgesamt »finde ich es dankbarer, als in einem einzigen Betrieb arbeiten zu müssen«. Der Köchin mit Vollvertrag bei TB gefällt die Abwechslung, von Buffet bis zu À-la-carte-Geschäft oder Patisserie alles zu machen: »Wir werden gebucht, wenn wir gebraucht werden, und meist von der Stammbelegschaft als Unterstützung empfunden.« Das bestätigt Restaurantfachfrau Andrea Weigert: »Ich hatte vor gut zehn Jahren einen Job für einige Monate zur Überbrückung gesucht, konnte mich zur Teamleiterin entwickeln und schule die Neuen, zum Beispiel in Servicegrundlagen oder Tellertragetechniken.« Als »Arbeitskraft zweiter Klasse« fühlt sich keine von ihnen. Nicole Stryapien ist als Hostess in einem Gourmet-Restaurant jedenfalls gut ins Team integriert. »Manche Festangestellten sehen uns anfangs vielleicht zwiegespalten, aber wir nehmen niemandem etwas weg, kennen viele Kollegen schon länger«, ergänzt Andrea Weigert. Die Bezahlung findet sie sogar fair. »Je länger man dabei ist und Einsatzbereitschaft zeigt, desto mehr lässt sich verdienen.« Heikel ist das Thema Trinkgeld: Nur wenige Betriebe geben Zeitarbeitern davon ab, die in der Regel keine eigene Kasse führen.
Wie überbrücken sie nun die durch Corona erzwungene Saure-Gurken-Zeit? Pauschalkräften fallen die Aufträge weg. Ulrike Brenner: »Wir haben für die Festangestellten Kurzarbeit beantragt und alternative Einsatzgebiete im Büro oder bei der Datenerfassung geschaffen, auch neue Kunden im Einzelhandel oder der Logistik gesucht, um den Ausfall zu kompensieren.« Wie es jetzt weitergeht? »Demnächst fährt die Event- und Messebranche hoch – wir stehen Gewehr bei Fuß«, versichert Mockri-Grentzius.