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Politik

Doxing als Drohung

Ein Kommentar über die Veröffentlichung persönlicher Daten

  Doxing als Drohung | Ein Kommentar über die Veröffentlichung persönlicher Daten

Die Besetzung des Hauses in der Ludwigstraße ist beendet. Der Eigentümer blieb zunächst anonym. Nun haben die Besetzer seine persönlichen Daten veröffentlicht. In ihrem Kommentar erzählt unsere Redakteurin Sibel Schick über die Erfahrung, dass ihre persönlichen Daten im Internet veröffentlicht wurden.

Insgesamt elf Tage war das Haus in der Ludwigstraße 71 besetzt, bis die Polizei heute das Haus räumte. Nachdem der Eigentümer Strafanzeige gegen die Besetzer stellte, wurde der richterliche Räumungsbeschluss des Amtsgerichts heute Morgen umgesetzt. Zunächst blieb der Eigentümer anonym, nun haben die Besetzer das geändert.

Als ich heute früh auf meiner Twitter-Timeline herumscrolle, taucht plötzlich ein Tweet vom Twitter-Account der Initiative Leipzig Besetzen auf meinem Bildschirm auf, in dem der Klarname und das Geschäft des Eigentümers des geräumten Hauses auftauchen. Und die Stadträtin für die Linke Juliane Nagel retweetet das. Es ist ein Fall von Doxing, denn genau so nennt man es, wenn personenbezogene Daten ohne Erlaubnis veröffentlicht und verbreitet werden. Auch mir ist das passiert.

Es war vor zwei Jahren, als einer meiner Tweets so durch die Decke ging (das meine ich nicht positiv), dass ich die Ehre hatte (auch das meine ich nicht positiv), in einem Text von Rainer Meyer, auch als Don Alphonso bekannt, zu landen. In einem Blogartikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung arbeitete sich der unter Rechtsextremen beliebte Autor an meiner Aussage ab, dass cis-Männer nicht noch mehr zustehe, als sie ohnehin haben. Er hingegen behauptete, dass es keine Privilegien aufgrund des Geschlechts geben könne.

Sein Text löste eine heftige Hasskampagne aus Beleidigungen, Gewaltdrohungen und -aufrufen gegen mich aus. In seinem Text schrieb er auch, bei welchem Verband ich damals arbeitete und welche Ministerien diesen förderten. Neben der Hasskampagne, die über die sozialen Netzwerke lief, riefen wütende Männer auch meine Arbeitsstelle an und sogar die Ministerien, die den Verband förderten, um sich über mich zu beschweren: »Diese Frau beleidigt mich als cis-Mann. Ich möchte nicht, dass sie von meinen Steuergeldern finanziert wird«, soll einer dieser wütenden Anrufer bei einem der Ministerien gesagt haben, erzählte mir meine damalige Chefin.

Nach dieser Hasskampagne dauerte es nicht lange, bis meine Wohnadresse und Telefonnummer ausfindig gemacht, ins Netz gestellt und verbreitet wurden. Es war der Startschuss eines Albtraums. Ich bekam seltsame Anrufe, nie getätigte Bestellungen und Broschüren von Unternehmen, von deren Existenz ich nichts wusste. Die Versandtaschen sammelten sich in meinem damaligen WG-Zimmer. Einige Zeit später lag auch ein Zettel von der Post im Briefkasten. Als ich das Paket abholen ging, wartete in der Filiale eine gesamte Kiste auf mich. Zum Glück verstand die Post-Mitarbeiterin, was los war, und sandte alles zurück. Ich hatte per Hand eingeworfene Drohschreiben im Briefkasten, Fotos meiner Haustür in den sozialen Netzwerken.

Auf einer US-amerikanischen Website tauchte ein Ordner nach dem anderen mit meinen Kontaktdaten auf. Jemand machte sich die Mühe, Facebook zu durchforsten, und listete einen Teil meiner Familienmitglieder auf. Dieses Jahr entdeckte eine solche Person die linke Plattform Indymedia für sich und veröffentlichte mehrere Texte über mich mit Diffamierungen und meiner Wohnadresse. Sie wurden zwar schnell entfernt, die Texte landeten dennoch auf anderen Plattformen.

Ein polemischer Tweet kann plötzlich zur Ursache einer lebensbedrohlichen Lage werden, wenn er von den Falschen entdeckt wird. In meinem Fall von dem rechten Autor Rainer Meyer, also Don Alphonso, der inzwischen von der Welt als Kolumnist beschäftigt wird. Das Doxing, personenbezogene Daten ohne Erlaubnis zu veröffentlichen und zu verbreiten, steht nicht im Monopol der Rechten.

Vielleicht reagiere ich empfindlich, weil ich selber von Doxing betroffen bin. Ich weiß allerdings auch, dass es nichts Schlimmeres auf der Welt gibt, als wenn jemand, der dir Gewalt androht, weiß, wo du nachts schläfst. Wenn du in deinen eigenen vier Wänden Angst haben musst und bei Freunden unterkommst. Wenn du dich ständig beobachtet fühlst. Vielleicht ist genau das alles Kalkül, und so muss das laufen.

Auch wenn ich die Besetzung des Hauses der Ludwigstraße 71 begrüße, bin ich gegen Doxing als politisches Mittel von linksgesinnten Menschen. Es ist Tatsache, dass viel mehr Frauen als Männer, vielmehr linke Personen und von Rassismus oder Antisemitismus Betroffene gedoxt werden. Denn diese Praxis richtet sich viel öfter gegen jene, die sich für eine gerechte Welt einsetzen, und jene, deren bloße Existenz politisch ist. Ich finde, man muss sich nicht zwingend daran festhalten.Ich hoffe sehr, dass die Besetzung des Hauses eine substanzielle Debatte auslöst. Gleichzeitig wünsche ich mir ein Ende des Doxing als Mittel zur politischen Zähmung.


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6 Kommentar(e)

Ich, Ich, Ich 02.09.2020 | um 17:24 Uhr

ich verstehe nicht. was hat das eine mit dem anderen zu tun? ist das ein plaidoyer für mehr anonymität auf dem immobilienmarkt? den namen (!) eines hausbesitzers zu einem jahre lang leerstehenden haus, den darf man nichtmal nennen wenn der anzeigen stellt sobald wer sein haus besetzt? der name wäre ja wohl in einem normalen artikel über den jahrelangen leerstand schon ohne besetzung nicht verkehrt gewesen, besonders wenn es sich um einen öffentlich auftretenden firmenchef eines mittelständischen unternehmens handelt. aber ich habe die leise ahnung, dass es eher darum geht irgendwie den bogen zum eigenen doxxing zu schlagen. ich ich ich

ybacu 03.09.2020 | um 15:31 Uhr

Ist auf jedem Fall dem eigentlichen Anliegen der Hausbesetzer und deren Unterstützer nicht dienlich. y

Dirk 21.09.2020 | um 17:36 Uhr

Warum schreibt man denn auch so uninteressante Kommentare zu cis Männern? Der Begriff ist schon dämlich. Ich glaube die Autorin sucht händeringend nach Aufmerksamkeit. Schenkt ihr doch mal ein Lächeln in der Redaktion und redet mehr mit ihr. Sie will doch nur gehört werden. Da das aber nicht so klappt und sie wahrscheinlich irgendwann nicht abgeholt wurde haut sie einen unrfelektierten und überspitzten Kommentar nach dem anderen los. Schlimm wenn Autoren eures geschätzten Magazins so nach Aufmerksamkeit heischen. Helft ihr doch bitte und nehmt sie mal in den Arm.

Doreen B. 02.09.2020 | um 17:34 Uhr

Zitat Eigentümer, in der Bild Zeitung mit der er sprach nachdem er sich entschieden hatte, nicht mit mit den Leuten im Haus zu reden: "Das Haus gehört mir. Es ist meine Freiheit zu entscheiden, was ich damit mache."

hmmm 03.09.2020 | um 17:10 Uhr

@Ich, Ich, Ich: Weil es darum geht, dass kein Mensch solcher Hetze ausgesetzt sein möchte? Seit wann ist sowas denn legitim, weil jemand sein Haus nicht besetzt sehen will? Ist Doxing denn grundsätzlich okay, solange es "die Richtigen" trifft? Die Frage stellt sich doch automatisch, welche Mittel und Wege denn okay sein sollen eine Hausbesetzung durchzusetzen. Wenn die Personalien des Eigentümers in diesem Rahmen öffentlich gemacht werden, gibt es doch einen Grund dafür? Was soll denn damit erreicht werden? Beschwerden und Spam per Telefon, Post, Mail oder Social Media? Mitarbeiter, Kollegen, Bekannte oder Verwandte, die dem Eigentümer ins Gewissen reden? Drohungen, Beleidigungen? Oder "Hausbesuche" wie sie früher bei, aber auch von Neonazis stattfanden (oder es immer noch tun)? Rufmord? Geschäftsschädigung? Aufs Maul hauen? Politischer Druck? Tell me, ich verstehe es nicht. Wenn Leute ein Haus besetzen, sind sie sich der Illegalität ihrer Handlung bewusst. Ich habe damit nicht mal unbedingt ein Problem. Man kann aber auch als guter Verlierer aus der Sache gehen, ohne anderen das Leben zur Hölle machen zu wollen. Und auch ohne - wie im Interview zum Black Triangle - rumzuheulen, dass man sich kriminalisiert oder in die Illegalität gedrängt fühlt. Generell behagt es mir gar nicht, wie linke Aktivisten Methoden der Rechten spiegeln und bei Kritik auf Whataboutism zurückgreifen, den sie wiederum allen anderen vorwerfen. Ich ich ich ist da durchaus ähnlich ausgeprägt. "Welcher Hausbesetzer will schon in Eisenhüttenstadt, Weißwasser oder Cottbus leben Wenn man in F-Hain unter sich sein kann" - Audio 88

Clown 03.09.2020 | um 19:52 Uhr

Leipzig Besetzen hat auch zu dieser Kritik ein paar Zeilen in ihrem ersten Resümee geschrieben: https://leipzigbesetzen.noblogs.org/post/2020/09/03/ein-erstes-resumee/