Die sächsische Weinstraße ist auch ein Wanderweg. Allein der Abschnitt bei Radebeul ermöglicht verschiedene Touren durch die Weinberge. Unsere Autorin Franziska Reif hat sie sich angeschaut. Ein Text aus der kreuzer-Ausgabe 09/20.
Im Winter kann man von Radebeul aus angeblich sehen, ob es lohnt, die Skier rauszuholen und damit ins Elbsandsteingebirge zu fahren, oder ob dort doch kein Schnee liegt. Die Radebeuler Weinberge stehen im doppelten Sinne für gute Aussicht. Von unten sieht der Reisende die Hügel mit dem Rebstockraster und den wie dazwischengeworfenen Häusern. Von oben blickt er auf die Elbe, die Hochfläche links davon, auf besagtes Gebirge und, natürlich, über die Stadt Dresden. Für dieses Postkartenidyll sollte man nicht auf den Winter warten und das Auto unten parken. Überhaupt empfiehlt sich die Anreise mit dem Zug, denn unterwegs könnte sich die eine oder andere Weinprobe ergeben.
Am Bahnhof Radebeul-Ost weisen Schilder die Richtung zu den Weinbergen und den dortigen Wanderwegen. Zu sehen sind Weingüter und herrschaftliche Bauten, die Dresdner Bürger hier errichten ließen, zum Beispiel das Haus Albertsberg, das ein Dresdner Bürgermeister kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg auf seinen Weinberg setzte. Das Bilzsanatorium am Hang geht auf den Gesundheitsreformer Eduard Bilz zurück, der auf dem Weinberg seiner Quellen wegen das Heilhaus errichtete. Das Bennoschlösschen im Renaissancestil ist eigentlich kein Schlösschen, sondern ein Herrensitz für den kurfürstlichen Gutsverwalter. Die Winzerhäuser in der Weinbergstraße, romantisch mit alten Weinbergsmauern, entstanden teilweise schon im 17. Jahrhundert, als der Terrassenweinbau hierher importiert wurde. Es war weniger ihre Aufgabe, höfisch zu repräsentieren. Wichtiger war, dass ihre Keller den Wein kühl halten können.
Steilhänge, die nach Süden blicken, sind günstig für den Weinbau. Entsprechend standen Rebstöcke an der Elbe schon vor 850 Jahren. Diese Weinregion hat 500 Hektar und ist vergleichsweise klein – früher sollen es 6.000 Hektar gewesen sein. Dennoch gibt es hier 2.000 Winzer – der überwiegende Teil davon im Hobbybereich –, die immerhin 60 Rebsorten anbauen. Der Goldriesling ist eine Weißweinsorte, die, aus dem Elsass stammend, inzwischen fast ausschließlich im Freistaat kultiviert wird. Er treibt spät im Frühjahr, wird spät reif, dafür ist seine Ernte früh. Das und seine Frostfestigkeit machen ihn für das Wetter im Elbtal passend, wo der Herbst schon mal früh beginnt, die Winter lange dauern und auch im Frühjahr noch Spätfröste auftreten können. In Schloss Wackerbarth sind sie deshalb auf die Idee gekommen, die sächsischen Weine mit dem Etikett »Cool Climate Wine« zu versehen.
Das Staatsweingut fällt mit seiner barocken Anlage auf, was schon allein angesichts dessen bemerkenswert ist, dass an barocken Gebäuden und schlossähnlicher Herrlichkeit entlang der insgesamt 90 Kilometer Weinwanderweg in Sachsen wahrlich kein Mangel herrscht. Schloss und Garten krönt das Belvedere genannte Wahrzeichen am Hang, die wie mit Lineal und Zirkel angelegten Wege kontrastieren mit den krummen Pfaden durch die Weinberge. Seinen Namen erhielt das Ensemble von August Christoph Graf von Wackerbarth, ein enger Vertrauter von
August dem Starken.
Weit oben auf dem Lößnitzer Berg steht das Bergrestaurant Spitzhaus, ebenfalls von oben grüßt der auch hier unvermeidliche Bismarckturm, für dessen Bau sogar Karl May eine Spende lockergemacht haben soll. Der direkte, wenn auch schweißtreibende Weg nach oben führt über die Spitzhaustreppe, die Augusts Baumeister Pöppelmann mit entworfen hat: 365 Stufen waren geplant, die »Jahrestreppe« sollte vom einst königlichen Weingut Hoflößnitz zu einem Lustschloss führen. Statt des Schlosses gab es dann nur einen Pavillon. Dafür bekam die Treppe mehr Stufen.
Unterhalb liegen das Weingut Goldener Wagen und das Weinbaumuseum der Hoflößnitz inklusive Freigelände, oberhalb führt der Weinwanderweg über Radebeul hinweg zur Besenwirtschaft der Winzerei Paradiesberg und weiteren Weingütern. An noch mehr Winzereien und Straußwirtschaften sowie der Sternwarte vorbei geht es langsam bergab zu Wackerbarths, zum Lehrpfad zu sächsischen Rebsorten oder zur S-Bahn.