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Stadtleben

Die Zeit zurückdrehen

Die Berufung bringt für Angreifer auf Connewitz die Bewährung

  Die Zeit zurückdrehen | Die Berufung bringt für Angreifer auf Connewitz die Bewährung

Fast fünf Jahre ist der Angriff auf Connewitz nun her. Noch ist nicht mal die Hälfte der Täter verurteilt, der Ablauf ist aber inzwischen klar. Für ein Geständnis und Reue gibt es eine Bewährungsstrafe. So auch diesmal.

Nach nicht mal drei Stunden endet der Berufungsprozess gegen zwei Angreifer auf Connewitz. Die Angeklagten Steve G. und Benjamin S. waren als eine der ersten Angeklagten im Dezember 2018 verurteilt worden. G. zu einer Haftstrafe von einem Jahr und sieben Monaten und S. zu einer Haftstrafe von einem Jahr und vier Monaten. Das Besondere: Die Strafe war ohne Bewährung, die beiden hätten also für den Angriff auf Connewitz ins Gefängnis gemusst.

Hatten die beiden im Prozess noch geschwiegen, war bei Prozessen gegen Komplizen eine andere Strategie erfolgreicher. Die Angeklagten in diesen Prozessen merkten schnell, dass sie mit einem Geständnis und ein bisschen Reue viel weiter kamen. Und so urteilten die Richter meist ähnlich: Eine Gefängnisstrafe bis maximal ein Jahr und mehrere Monate, die aber auf Bewährung erlassen wird. Dazu überwiegend eine Geldstrafe von unter 1000 Euro. Für die meisten kommt so ein Urteil einem Freispruch gleich.

Zuletzt unterbot eine Richterin diese Praxis sogar noch und verurteilte Maximilian W. zu einer Geldstrafe von 900 Euro.

So war es nicht verwunderlich, dass die beiden Angeklagten im Berufungsprozess die Geständnis-Strategie der Kameraden kopieren wollten. Schon zu Beginn des Prozesses am 8. Dezember machte die vorsitzende Richterin klar, dass im Vorfeld Rechtsgespräche stattgefunden hätten. Trotzdem ließ sie es sich nicht nehmen, die Sachbeschädigungen, die die insgesamt 216 Angeklagten am 11. Januar 2016 begangen haben, nochmal vorzutragen. Mal waren es 1.300 Euro für ein Schaufenster, mal 130 Euro für den abgetretenen Seitenspiegel eines Autos. Insgesamt etwa 113.000 Euro standen am Ende auf der Rechnung. Die Körperverletzungen, von denen, wie der kreuzer nachwies, die Staatsanwaltschaft wusste, spielten aber auch diesmal keine Rolle.

Reue zeigen für die Bewährung

Nach einer kurzen Besprechungspause zwischen Richterin und Anwältinnen – dass die beiden Angeklagten vor zwei Schöffinnen, einer Richterin, einer Staatsanwältin und neben ihren beiden zwei Verteidigerinnen saßen, ist nur eine Randbeobachtung dieses Prozesstages – bekundeten Steve G. und Benjamin S. abermals ihre Reue.

Es täte ihnen leid, wenn sie sich in die Opfer ihrer Angriffe hineinversetzten, dass sie nicht wussten, worauf sie sich einließen, als sie sich mit über 200 Leuten nach Connewitz verabredeten, dass sie eine »Spontandemonstration« erwarteten. Richtig glaubwürdig schienen sie dem Zuschauer dabei nicht. Auch, weil es bekannte Aussagen aus vorherigen Prozessen sind, die da immerzu wiederholt wurden. Zu diesem Zeitpunkt war schon klar, dass das Urteil schnell fallen wird: Die Richterin hatte »in Erwartung einer schnellen Klärung« alle für den Vormittag bestellten Zeugen bereits ausgeladen.

Wie wahrheitsliebend G. und S. sind, wie einfach das Gericht es den beiden machte und wie absurd die Gerichtsprozesse um den Angriff auf Connewitz oft laufen, ließ sich vor allem an einem Beispiel sehen: Die Richterin ließ sich immer wieder erklären, was das denn sei, dieses »Hooligan«. Zu welchem Verein die beiden Angeklagten denn stehen würden. Bei beiden Angeklagten, die auch den »Rowdys Eastside« zugerechnet werden, lautete die Antwort »Lok«. Und wer denn da der Feind in Connewitz sei. Irgendwas mit Chemie vielleicht? Bei S., immerhin mal Herausgeber der ersten Ausgabe des Hefts »Fanszene Lok Leipzig«, klingelte da nichts. »Meinen Sie Chemnitz?«, fragte er nach. Und Lok habe eben viele Feinde.

Erwartbare Urteile

Dass S. auch zu einer Gruppe aus Hooligan-Randalierern am Männertag in einer Leipziger Straßenbahn gehörte, fiel erst bei der Auflistung der Vorstrafen. Der kommentierte die Tat so: »Da war garnix, da war Männertag.«

Trotzdem endete der Prozess nach nicht mal drei Stunden mit dem, nach den anderen Prozessen, erwartbaren Urteil.  Wegen der Geständnisse, der Reue, der »ewig langen« Zeit zwischen Tat und Urteil und der guten Sozialprognose wiederholte das Gericht den Deal der anderen Mittäter: Die Freiheitsstrafen werden zur Bewährung ausgesetzt, außerdem müssen beide Angeklagten je 500 Euro an den Verein Ökolöwen in Leipzig zahlen. Damit bleibt das Gericht sogar unter der Forderung der Staatsanwältin, die immerhin 900 Euro gefordert hatte.

Die weitaus größere Strafe ist für S. aber wohl der Verlust seines Arbeitsplatzes in einer Wertpapierdruckerei in Leipzig. Seine Festanstellung habe er dort nach der Tat verloren wegen eines anonymen Schreibens. Seitdem arbeitet er bei einer Zeitarbeitsfirma. Welche das ist, wollte er lieber nicht sagen.

Beide Angeklagte wünschten sich in ihren Einlassungen, sie könnten »die Zeit zurückdrehen«. Zumindest was ihre Gefängnisstrafe angeht, ist ihnen das gelungen.


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