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Kultur

Erinnern gegen das Vergessen

Wie in der Stadt der Gedenktag am 27. Januar begangen wird

  Erinnern gegen das Vergessen | Wie in der Stadt der Gedenktag am 27. Januar begangen wird

Zum Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus finden jährlich viele verschiedene Aktionen statt. Dieses Jahr sind sie eingeschränkt, auch seitens der Stadt Leipzig. Dafür bietet die Gedenkstätte für Zwangsarbeit in Leipzig einige alternative Möglichkeiten.

Seit 1996 wird am 27. Januar der Opfer des Holocaust gedacht. An dem Tag befreite die Rote Armee das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Die Stadt Leipzig lädt an dem Tag zu einer Kranzniederlegung am Mahnmal in Abtnaundorf ein. Dort befindet sich seit 1958 ein Obelisk, der an das dortige Massaker erinnert. Am 18. April 1945 verbrannten hier, eingesperrt in Baracken, über 200 Häftlinge des Konzentrationslagers Thekla. Neben dem Obelisken erinnern zwei Infotafeln sowie 208 Stelen mit den Namen der Opfer an das Massaker. Nach der Niederlegung lud die Stadt in der Vergangenheit zu einer Veranstaltung und zu einer Ausstellung in die Untere Wandelhalle des Neuen Rathauses ein. In diesem Jahr findet sich auf der Website der Stadt vor dem Gedenktag kein Hinweis für individuelles Gedenken.

Auf Nachfrage des kreuzer antwortete die Stadt: »Das zentrale Gedenken, das traditionell zum 27. Januar an der Gedenkstätte in Abtnaundorf stattfindet, wird dieses Jahr nur im kleinen, nichtöffentlichen Kreis begangen.« Was ein Gedenken im virtuellen Raum angeht – sei es in Form einer Übersicht zu Projekten, die in der Stadt an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern – wurde darauf verwiesen, dass »das federführende Referat Protokoll derzeit stark dezimiert ist, weil Mitarbeiter*innen zum Gesundheitsamt abgeordnet sind.« Stattdessen lässt man den Gedenktag verstreichen, obwohl noch am 7. November 2020 Rechtsradikale und sogenannte Querdenker in Leipzig Seit an Seit durch die Innenstadt zogen.

Eine andere Strategie des Gedenkens wählte stattdessen die Gedenkstätte für Zwangsarbeit. Sie informiert in einer neuen Broschüre über das größte Frauenaußenlager des KZ Buchenwald der Hugo Schneider Aktiengesellschaft (HASAG) Leipzig. Auf der Website der Gedenkstätte für Zwangsarbeit können die bisher erlangten Erkenntnisse und die Geschichten von Überlebenden heruntergeladen werden. Zudem stellt die Gedenkstätte ein Audiofeature »Überleben und Widerstand« zur Verfügung. Es ist am 27. Januar von 19 bis 20 Uhr auf Radio Blau zu hören.

Dass aktive Erinnerungsarbeit nicht nur im virtuellen Raum stattfindet, sondern auch an realen Orten an dieses Kapitel in der Stadtgeschichte erinnert werden muss, hat auch der Stadtrat im vergangenen Jahr beschlossen. Eine Tafel soll zukünftig an der Kamenzer Straße 10-12, einem wichtigen Bestandteil des KZ-Außenlagers, die Geschichte nicht vergessen lassen. Hier, wo in der Vergangenheit Konzerte und körperliche Ertüchtigung von Rechtsradikalen stattfanden.

Dies ist umso wichtiger, da das Landesamt für Denkmalpflege Sachsen dem Gebäude keine Denkmalwürdigkeit bescheinigt. Fast schon weltfremd klingt die Begründung aus dem Jahr 2020: »Nach Kriegszerstörung und stufenweisem Teilwiederaufbau ist das Gebäude ein bauliches Zeugnis der 1950er Jahre. Die Nutzung des Gebäudes als Unterkunft von zur Zwangsarbeit rekrutierten weiblichen KZ-Häftlingen zwischen Juni 1944 und April 1945 ist in baulicher und architektonischer Hinsicht nicht mehr darstellbar – zu umfänglich sind die vorhandenen Veränderungen.« Allein dieses Urteil zeigt, dass das Kapitel Erinnerungskultur an die Opfer des Nationalsozialismus 76 Jahre später aktueller nicht sein kann.


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