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Politik

Der Mythos vom Nichtwissen

Eindrücke von Veranstaltungen zum Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus

  Der Mythos vom Nichtwissen | Eindrücke von Veranstaltungen zum Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus

Zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust fanden in Leipzig zwei öffentliche Kundegebungen statt. Im Hauptbahnhof, am Denkmal der Deportierten und am Lindenauer Markt wurde den Millionen Ermordeten gedacht und an die Verantwortung der Stadt Leipzig erinnert.

Tausende Menschen deportierte die Deutsche Reichsbahn während des NS-Regimes von Leipzig in die Konzentrationslager Auschwitz, Theresienstadt, Riga und Belzyce. Zum Gedenken an die Opfer dieser Gräueltaten steht seit 2012 ein stilisierter Koffer am Gleis 24 des Hauptbahnhofs. Er symbolisiert die Millionen Einzelschicksale, die unter der Mitwisserschaft der damaligen Bevölkerung in den Tod fuhren. Noch am 14. Februar 1945, also wenige Wochen vor dem Ende des zweiten Weltkrieges, wurden von hier 169 Menschen in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert.

Am Mahnmal wurde zum 76. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz eine Gedenkveranstaltung abgehalten. Die Vereine Friedenszentrum Leipzig und Roter Stern Leipzig luden dazu ein. Rund 100 Menschen versammelten sich mit Abstand und Maske in der Vorhalle des Bahnhofs und gedachten der Opfer des Nationalsozialismus. Zwischen den Redebeiträgen wurden Blumen niedergelegt. Ein Pianist untermalte das Geschehen mit klassischer Musik. »Es ist ein Mythos, dass die Deutschen von den Deportationen damals nichts mitbekamen«, sagte Thorsten Schleip, Vorsitzender vom Friedenszentrum Leipzig, in seiner Rede. »Die Transporte fanden teilweise am helllichten Tag und auf benachbarten Gleisen des Personenverkehrs statt.« Oft wurden noch am Bahnsteig Postkarten mit Hilferufen oder Abschiedsbekundungen aus den Zügen geworfen.

[caption id="attachment_121660" align="alignright" width="320"] Das Mahnmal zur Erinnerung an die Deportationen am Gleis 24 am Hauptbahnhof, Foto: Till Wimmer[/caption]

Die Idee für eine Erinnerungsstätte im Bahnhof hatte Hans Wienhold vom Friedenszentrum Leipzig schon Mitte der Neunziger Jahre. Damals war noch eine Gedenktafel angedacht. Unterstützung für das Projekt erhielt der Verein von der christlich-jüdischen Arbeitsgemeinschaft, dem Bund der Antifaschistinnen Leipzig und vielen Politikerinnen.

Das Bahnhofsmanagement war anfangs dagegen. Doch nach langem Ringen stimmte auch dieses der Installation zu. »Es hat ein bisschen öffentlichen Druck gebraucht«, erinnerte sich Schleip. Nachdem innerhalb von wenigen Monaten 12.000 Euro Spenden gesammelt wurden, konnte es am 27.1.2012 eingeweiht werden.

Die Deutsche Bahn tue sich insgesamt schwer ihr Reichsbahn-Erbe anzuerkennen oder aufzuarbeiten, sagte Schleip. So konnte der »Zug der Erinnerungen«, eine rollende Ausstellung zum Gedenken an die Deportationen von Kindern und Jugendlichen während des NS-Regimes, »aus betriebstechnischen Gründen« nicht am Berliner Hauptbahnhof halten.

Dabei sei die Bildung das zentrale Mittel, um gegen Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz aufbegehren zu können, so Adam Brednarksy von der Linken, Stadtratsmitglied und Mitbegründer des Verein Roter Stern Leipzig. »Den Jungen Menschen muss gelehrt werden, dass sich ohne Respekt für die Würde des einzelnen Menschen keine Gesellschaft weiterentwickeln kann.« Der Rote Stern Leipzig ist Pate der Gedenkstätte und organisiert Ausflüge mit Jugendlichen zu diesem und anderen Mahnmälern zum Thema NS-Diktatur.

Auch am Lindenauer Markt wurde gestern den Opfern des Holocaust gedacht. 200 Menschen kamen zu der von Nationalismus ist keine Alternative: Sachsen und der Linksjugend Leipzig organisierten Kundgebung. »Aus dem Bewusstsein über die Verbrechen von damals müssen politische Forderungen in der Gegenwart folgen«, sagte eine Rednerin vom Aktionsbündnis gegen Neonazis Ladenschluss. »Auch die Zwangsarbeit in den Leipziger Verkehrsbetrieben und den Stadtwerken muss von der Stadt aufgearbeitet werden.«


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