Thomas Theodor Heine ist bekannt für seine Zeichnungen in der Satire-Zeitschrift Simplicissimus. Nie schreckte der gebürtige Leipziger davor zurück, Kritik an den herrschenden Verhältnissen zu üben. Doch seine Zeichnungen blieben nicht folgenlos. Heute erinnert eine Gedenktafel in der Gustav-Adolf-Straße an ihn. An dieser Stelle veröffentlichen wir die Geschichte aus dem Februar-Heft des kreuzer 2/21.
Leipzig, das sich gerne als Kunststadt aufspielt, das platten Mittelmäßigkeiten überschwängliche Ehrungen zukommen lässt und ihren fadenscheinigen Talenten ertragreicher Tummelplatz ist, denkt nicht daran, eine Persönlichkeit wie Th. Th. Heine, der zu den bedeutendsten deutschen Künstlern gehört, die europäische Bedeutung haben, entsprechend zu ehren.« Derart rigoros urteilt Max Schwimmer in der Leipziger Volkszeitung am 28. Februar 1927. An jenem Tag feiert Thomas Theodor Heine seinen 60. Geburtstag. Schwimmer kommt zu dem Schluss: »Th. Th. Heine wird von seiner Heimatstadt ignoriert.« Das ist umso ärgerlicher, als laut dem Autor, der zugleich Kunstkritiker und Künstler ist, Heines »Zeichenfeder so exakt wie das Seziermesser arbeitet«. Seziert werden unter anderem Kleinbürgertum, Militaristen, Faschisten und Polizisten. Ein Jahr später zeigt der Kunstverein in seinen Räumen im damaligen Museum der bildenden Künste am Augustusplatz in einer Ausstellung Gemälde, Zeichnungen und Aquarelle von Heine. Drei Zeichnungen kauft das Haus 1929 an. Bereits 1912 kam durch den Ankauf des Kunstvereins das Ölgemälde »Das Landhaus« in den Besitz des Hauses. Es wurde bei der Bombardierung des Museums am 4. Dezember 1943 vernichtet.
Am 28. Februar 1867 kommt Heine im Waldstraßenviertel, in der Gustav-Adolf-Straße zur Welt. Er wächst als Sohn des jüdischen Unternehmers Isaac Heine und seiner aus Manchester stammenden Mutter Esther auf. Der Vater ist Vorstandsmitglied der Leipziger Gummiwarenfabrik, die sich in der heutigen Käthe-Kollwitz-Straße befand. Kurz vor dem Abitur fliegt Heine 1884 von der Thomasschule, weil er Mitschüler für die Leipziger Pikanten Blätter zeichnet und das den recht prominenten Erziehungsberechtigten nicht gefällt. Er studiert an der Düsseldorfer Kunstakademie und zieht 1889 nach München. 1896 gründet Heine die Satire-Zeitschrift Simplicissimus mit. Für sie entwirft er das Markenzeichen – die rote Bulldogge. 2.500 Zeichnungen umfasst seine Mitarbeit für das Magazin bis zu seiner Entlassung im Frühjahr 1933. Kaiser Wilhelm II. erreicht 1898 eine Klage wegen Majestätsbeleidigung, die Heine in sechs Monaten auf der Festung Königstein absitzt.
Seinen Elan – Kritik an den herrschenden Verhältnissen zu üben – kann dies nicht trüben. Es entstehen weiterhin Serien – wie »Bilder aus dem Familienleben« (1898), die Spießigkeit und Militarismus in der bürgerlichen Oberschicht aufzeigen, oder ab 1923 »Wie sieht Hitler aus?«. Die Antwort gibt Heine selbst: »Die Fragen mussten unbeantwortet bleiben. Hitler ist überhaupt kein Individuum. Er ist ein Zustand.« Außerdem entwickelt er Logos für Sektkellereien und perfektioniert die damals noch junge Plakatkunst.
Seine spitzfindigen Zeichnungen bleiben nicht folgenlos. Nach seiner Entlassung beim Simplicissimus im Frühjahr 1933 flieht er nach Berlin, später in die Tschechoslowakei, danach nach Norwegen und Schweden. 1946 wurde fälschlicherweise in Deutschland sein Tod verkündet. Darauf antwortete er mit »Brief aus dem Jenseits«. Er bilanziert nach dem Naziterror: »Bin wunderbar durch alle Gefahren hindurchgekommen, indem ich sie nicht zur Kenntnis nahm.« Thomas Theodor Heine stirbt am 26. Januar 1948 in Stockholm.
1988 findet im Kroch-Hochhaus die erste umfangreiche Ausstellung zu »Juden in Leipzig« statt. Dabei ist Heine vertreten wie auch fünf Jahre später in der von der Ephraim Carlebach Stiftung organisierten Schau »Leipziger jüdische bildende Künstler«. Eine Einzelausstellung lässt nach wie vor auf sich warten.
Stattdessen wurde vor vier Jahren eine Gedenktafel an seinem Geburtshaus in der Gustav-Adolf-Straße 14 vom Kulturamt angebracht. Auf der kleinen Tafel sind 38 von Heine gestaltete Titelbilder für den Simplicissimus in Briefmarkengröße zu sehen.