anzeige
anzeige
Kultur

Ein Fest des Protests

In Leipzigs Innenstadt soll zur Diskussion angeregt werden

  Ein Fest des Protests | In Leipzigs Innenstadt soll zur Diskussion angeregt werden

Im Gedenken an den 9. Oktober bereitet das Utopische Tafel Kollektiv ein Lichtfest der anderen Art vor: Das Statt-Lichtfest der Protestkultur und ihrer Erscheinungsformen. Am 4. und 18. September gastiert es außerdem im Westen und Norden der Stadt.

Am 9. Oktober wird es wieder ein Lichtfest in der Stadt geben. Der Tag ist seit 2009 ein städtischer Erinnerungstag. Das Fest soll »an die Geschehnisse in Leipzig im Herbst 1989 erinnern, welche die Wiedervereinigung Deutschlands einleiteten«, heißt es vom Organisator, der Leipzig Tourismus und Marketing GmbH (LTM). Vor der Pandemie galten die Feierlichkeiten als eines der wichtigsten Ereignisse im Tourismuskonzept: Im vergangenen Jahr wurde extra der Nikolaikirchhof abgesperrt, um im kontrollierten Kreis Teelichter niederzubrennen – zur Erinnerung an die Demonstrationen um den Ring. Zu den Plänen für das Lichtfest 2021 geben sich die Stadt und LTM noch sehr bedeckt. Die kreuzer-Anfrage vor einigen Wochen wurde mit dem Verweis auf das Pressegespräch am 20. September beantwortet. Im Leipzig-Kalender steht für den 9. Oktober das Lichtfest von 19 bis 23 Uhr auf dem Plan »an mehreren Orten des Rings«.

Wesentlich transparenter agiert das Orga-Team des Statt-Lichtfestes, das am 9. Oktober als »ein Fest der Protestkultur und ihrer vielen Erscheinungsformen« gefeiert wird. Organisiert vom Kollektiv der Utopischen Tafel gehe es dabei um »laufende Diskussionen über soziale, kulturelle, politische und globale Themen an vielen Orten außerhalb des Leipziger Stadtzentrums.« Das Team beschreibt sich selbst als »ein organisiertes Kollektiv von Künstler:innen, Schriftsteller:innen, Aktivist:innen, Journalist:innen, Musiker:innen und Kreativen mit internationalem Hintergrund.« Es möchte ein »kollektives Interesse an Protestkultur und Strategien zur Schaffung gesamtstädtischer, regionaler und internationaler Allianzen im Bezug auf zeitgenössische Erinnerungskulturen« initiieren. Gefördert im städtischen Themenjahr »Leipzig – Stadt der sozialen Bewegungen 2021« fand die Utopische Tafel bereits vor zwei Jahren im Rahmen vom Kulturfestival »Ostlichter« statt. Es stellt eine Reaktion auf die sächsischen Wahlergebnisse und die erstarkten rechten Stimmen dar. Wichtig dabei ist, wie Mitinitiatorin Ariane Jedlitschka betont: »Jeder soll sich daran beteiligen können!« Es geht nicht darum ein touristisches Highlight zu schaffen, sondern »Mehr Partizipation erleben!«

Die Vorbereitung auf das Statt-Lichtfest begannen im Leipziger Osten. Anfang Juli wurde auf dem Volkmarsdorfer Markt zu Veranstaltungen geladen, die an den »Statt-Kirchentag« 1989 erinnerten. Zeitzeugen wurden eingeladen, ihre Erzählungen für die Living Library – eine lebendige Bibliothek im öffentlichen Raum – aufzuzeichnen. Die hier befindliche Kirche St. Lukas bildete in der 1980er-Jahren einen wichtigen Treffpunkt der Oppositionsbewegung. Aber wer erinnert sich wie an diese Zeit? Der Utopischen Tafel geht es nicht um ein »leeres Erinnern«, ritualisiert ohne Wissen um den Grund und den Erzählungen dahinter. Vielmehr zeigt vor allem der Leipziger Osten mit seinem relativ hohen Anteil an nicht in Leipzig geborenen Menschen, dass es eine Vielzahl an Perspektiven gibt und vor allem auch der Blick auf die gegenwärtigen Situationen in der Welt nicht vergessen werden darf. Ende Juli folgte eine zweite Station im Süden, die in in Zusammenarbeit mit der Frauenkultur Leipzig entstand.

Am kommenden Samstag, den 4. September, lädt die Utopische Tafel von 13 bis 18 Uhr in den Leipziger Westen in der Dreilindenstraße 18. Hier eröffnete am 23. Oktober 1989 das Neue Forum sein erstes Büro. Ein weiterer Termin zur Vorbereitung auf das Statt-Lichtfest findet am 18. September in Gohlis statt. Unabhängig davon können sich alle am 9. Oktober beteiligen. Dafür können Bilder im Archiv Objects of Resistance hochgeladen, Geschichten in der Living Library festgehalten oder ganz einfach eine eigene Veranstaltung zum städtischen Erinnerungstag organisiert werden gemäß dem Motto »Geschichte erleben/ Das Vergangene erinnern«.


Kommentieren


0 Kommentar(e)