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Stadtleben

Eskalation mit Ankündigung

Vermittlungsversuche nach Angriffen auf Moschee und Linxxnet

  Eskalation mit Ankündigung | Vermittlungsversuche nach Angriffen auf Moschee und Linxxnet

Durch die Angriffe auf die DITIB-Moschee und das Connewitzer Linxxnet werden Konflikte sichtbar, die schon länger schwelen. Beteiligte fordern mehr Sensibilisierung.

Nachdem mutmaßlich linke Demonstrierende am Montagabend Scheiben der Moschee auf der Herrmann-Liebmann-Straße einwarfen, attackierten Unbekannte am 16. Dezember das Conne Island und das Connewitzer Linxxnet, Büro der Landtagsabgeordneten Juliane Nagel (Die Linke). Die Vermutung liegt nahe, dass es sich um eine Vergeltungstat als Reaktion auf den Moschee-Angriff handelte. Doch die Eskalationsspirale lässt sich nicht auf die Vorfälle der vergangenen Woche reduzieren, schon länger schwelt zwischen der linken Leipziger Szene und migrantischen Communities ein Konflikt.

Als eine der prägenden Personen der Leipziger Linken stand Juliane Nagel auch in den letzten Tagen im Mittelpunkt. Nach der Gewalteskalation am Rand der Demonstration gegen Polizeigewalt am 13. Dezember ergriff sie die Initiative und verurteilte den Angriff auf die Moschee. Sie wies auch darauf hin, dass Kritik an der DITIB, die unter Kontrolle des türkischen Staates steht, weiter legitim sein muss. Diese Äußerung wurde von DITIB-Vertretenden als Relativierung der Tat verstanden. Am Telefon erklärt Nagel dem kreuzer, wie es dazu kommen konnte: »Ich habe klar die Position vertreten, dass der Angriff auf die Moschee zu verurteilen ist. Im Anschluss habe ich erklärt, warum sich Kritik an der DITIB entzündet. Dabei ist leider die Trennung zwischen der Meinungs- und der Analyseebene vermengt worden.«

DITIB kritisierte Nagel offen in einer Pressemeldung, Aussagen wie ihre würden zu Gewalteskalationen beitragen. Die Linke-Politikerin bestritt dies. Dennoch verfestigte sich der Eindruck, Nagel und die Angreifer im Leipziger Osten stünden in einem Zusammenhang. Laut Nagel haben dazu auch Berichterstattungsmechanismen beigetragen, die nach derartigen Vorfällen oft auf eine Distanzierung drängen würden. Im Laufe der Woche konfrontierten drei Männer Mitarbeiter des Linxxnet und forderten eine Distanzierung vom Angriff auf die Moschee, sonst drohten Konsequenzen. »Ich sehe mich in keiner Position der Verantwortlichkeit«, erklärt Nagel, »dennoch finde ich es wichtig, dass einem solchen Akt ein Meinungsbildungsprozess folgt und eine Debattenkultur entsteht. Diese ist sehr kontrovers, wie wir derzeit sehen.«

Am Donnerstagabend kam es dann zum Angriff auf das Linxxnet in Connewitz und das Conne Island. Ein Auto, das vor beiden Einrichtungen gesehen wurde, fuhr vor das Büro von Nagel. Dort zündeten Unbekannte Pyrotechnik und legten Schafsköpfe ab. Zudem wurde ein Zettel mit unleserlicher Schrift hinterlassen, auf dem das Wort Moschee zu erkennen war. Auch vor dem Conne Island sollen Böller gezündet worden sein. In beiden Fällen entstand allerdings kein Sachschaden, die Kriminalpolizei ermittelt. In einer Pressemitteilung verurteilte DITIB den Angriff auf Nagels Büro.

Erste Vermittlungsversuche folgten bereits am vergangenen Wochenende. Angestoßen durch den Dachverband sächsischer Migrantenorganisationen (DSM), kam es zu einem Treffen zwischen Nagel und dem Vorstand der Eyüp Sultan Moschee. »Bei dem Gespräch, an dem unter anderem der Imam der Gemeinde beteiligt war, haben wir uns gegenseitig versichert, dass wir die Angriffe verurteilen«, berichtet Nagel. »Gleichzeitig wurde mir auch gespiegelt, dass die Kritik an der DITIB nicht okay gewesen sei, dem habe ich widersprochen.« Dem Dissens an dieser Stelle stehe allerding eine Einigung gegenüber: Zukünftig will man laut Nagel Dialogformate anregen.

Dem schließt sich auch der DSM-Vorsitzende Kanwal Sethi in seiner Pressemeldung an: »Demokratie benötigt auf jeden Fall den kritischen Austausch, sie funktioniert aber nicht, wenn nicht die grundlegenden Regeln eingehalten werden. Gewalt jeglicher Art ist keine Form des Protestes, sondern einfach nur einfältig und dumm.« Beide Vorfälle seien inakzeptabel und kein Bestandteil des Umgangs miteinander in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Nagel berichtet von zunehmenden Spannungen zwischen Linken und migrantischen Communities : »Von verschiedenen Migrant:innen wurde leider zuletzt bemängelt, dass der Spalt zwischen den Szenen immer größer werde. Es ist fatal, wenn sich eine plurale Linke und Migrant:innen feindlich gegenüberstehen.« In der Vergangenheit haben laut Nagel verschiedene Vorfälle für Misstrauen gesorgt. Bereits vor vier Jahren, als Linke vor der Al-Rhaman Moschee – die laut Verfassungsschutz zum salafistischen Spektrum gehört – demonstrierten, sei ähnlich wie beim aktuellen Vorfall ebenfalls keine Differenzierung zwischen Moschee und Betenden erfolgt. Zudem habe die Auseinandersetzung mit Sexismus in migrantischen Communities ein Echo von Anschuldigungen erzeugt, in dem Linken Rassismus vorgeworfen wurde.

In einem offenen Brief, der auf Twitter veröffentlicht wurde, zeigten sich Vertreter der Linken im Leipziger Osten solidarisch mit Migranten im Viertel. Sie kritisieren die fehlende Sensibilisierung hinsichtlich antimuslimischen und antikurdischen Rassismus. Der Angriff auf die Moschee sende ein fatales Signal und schaffe Gräben zwischen beiden Seiten, so die Verfasser. Die Durchführung der linken Spontandemo am vergangenen Wochenende im stark migrantisch geprägten Leipziger Osten sorgte für Unverständnis. Dass die Versammlung noch dazu im Angriff auf die Moschee gipfelte, hinterließ Fassungslosigkeit. Kethi betont, es sei fatal, dass es bei einer Demonstration gegen Polizeigewalt - was durchaus ein relevantes Thema sei – selbst zu Gewalt komme. Es gebe »keine Motive und Beweggründe, mit denen man einen Angriff auf ein Gotteshaus, erläutern kann.« Berechtigte Kritik am Erdoğan-Regime sei laut Sethi leider aus dem Ruder gelaufen.

Es sei völlig naheliegend, dass Anwohner den Angriff als rassistische Gewalt gegen sich selbst werteten, heißt es im offenen Brief. Die zerbrochenen Scheiben stehen sinnbildlich für ein Missverständnis: Nicht alle der Gemeindemitglieder stehen ideologisch hinter der DITIB oder dem türkischen Staat. Vielen fehlt allein die Möglichkeit, andere Gebetshäuser für ihre Religionsausübung zu nutzen. Aufgrund fehlender Berührungspunkte wird die kritische Auseinandersetzung mit Islamismus oder türkischen Faschisten seitens Muslimen außerhalb migrantischer Kontexte zu oft übersehen. Die Ignoranz, die sich im Angriff widerspiegelt und es der DITIB ermöglicht, sich als Opfer politischer Hetze zu inszenieren, schadet den emanzipatorischen Bestrebungen von Muslimen zusätzlich.

»Gesprächsrunden sollen zukünftig auch keinen Promotionsveranstaltungen für DITIB oder ähnlichem gleichkommen, sondern Menschen füreinander sensibilisieren«, sagt Nagel. »Dafür muss aber zunächst von einer Ebene Abstand genommen werden, auf der Anschläge verübt werden.« Proteste vor Moscheen lehne Nagel zwar ab, dennoch böten auch Kundgebungen auf der Straße die Chance, differenziert Kritik zu äußern: »Man muss immer versuchen, mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen und die eigene Draufsicht durch eine Innenansicht zu bereichern.«

LEON HEYDE


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