Die Scheiben einer Ditib-Moschee einzuschlagen, beruhigt vielleicht das linke Gewissen, verschlimmert aber das Problem anstatt zu einer wirklichen Lösung beizutragen, findet kreuzer-Redakteurin Sibel Schick.
Eine Ditib-Moschee im Leipziger Osten wurde tätlich angegriffen. Ditib steht für »Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion« und ist der türkischen Religionsbehörde Diyanet unterstellt. Bei Diyanet handelt es sich um eine korrupte, homo- und transfeindliche und misogyne Behörde, die marginalisierte Gruppen ständig zur Zielscheibe macht, bei dem heftigen Rechtsruck in der türkischen Gesellschaft eine wichtige Rolle spielt und eng mit der AKP-Regierung zusammenarbeitet. In vergangenen Jahren wurde mehrfach medial und politisch problematisiert, dass die von Diyanet ausgebildeten und nach Deutschland gesendeten Imame hier Kinder und Jugendliche unterrichteten und dies eine Radikalisierung junger Köpfe und eine weitere Spaltung der Gesellschaft bedeute. Bisher bestehen keine politischen Bestrebungen, diesen Missstand zu korrigieren. CDU und SPD tragen politische Verantwortung dafür, dass sich über die vergangenen Jahrzehnte rechte, undemokratische migrantische Strukturen etablieren konnten.
Nun, die Frustration über Ditib sowie über die milde Türkei-Politik der Bundesrepublik ist verständlich und legitim. Man kann da natürlich eine Moschee angreifen. »Können«, also bloß die Fähigkeit dazu zu haben, bedeutet nicht, dass man es auch sollte, oder ein solcher Angriff irgendwelche produktive Folgen haben könnte. Ganz unabhängig davon, dass selbstverständlich nicht alle, die diese Moschee besuchen, türkische Faschist*innen sein können, haben tätliche Angriffe auf Minderheitenreligionen, die ja bekannterweise auch marginalisiert werden, auch eine symbolische Kraft, weil diese ein Tritt nach unten darstellen. Tatsächlich nutzte Ditib diese Gelegenheit, um sich als Opfer zu stilisieren, und sich davon eine Legitimation zu verschaffen. Hat sich also am Ende doch schon gelohnt, würde ich sagen, zwar nicht für jene, die die Moschee angriffen, auch nicht für jene, die von dem türkischen Faschismus auch in Deutschland betroffen sind, sondern für Ditib.
In der Türkei verhungern die Menschen, sie finden keinen Ausweg aus der Armut, Suizidfälle unter Arbeiter*innen steigt kontinuierlich. Alle, die es noch können, verlassen das Land, führen im Ausland im Exil ein von Heimweh und Diskriminierung gekennzeichnetes Leben. Dass immer mehr Menschen die Türkei verlassen führt gleichzeitig auch dazu, dass das Land verdorrt. Die parlamentarische Opposition ist beinahe vollständig zerstört und schafft es nicht, sich zu erholen. Alles, was als Kritik gilt, wird bestraft, Menschen werden sogar für Retweets verhaftet. Politische Gefangene in Gefängnissen werden unsagbaren Misshandlungen wie Folter und sexualisierter Gewalt ausgesetzt, ihnen wird die medizinische Versorgung verwehrt, und sie schaffen es nicht, durch Proteste wie Hungerstreiks ihrer Stimme Gehör auf der internationalen Bühne zu verschaffen.
Und in Deutschland werden die Scheiben einer Moschee eingeschlagen. Faschismus besiegt? Natürlich nicht. Impulsive, undurchdachte Machtdemonstrationen tragen nicht zu einer Lösung bei, ganz im Gegenteil haben sie das Potential das Problem zu vergrößern, weil sie Täter zu Opfern machen können.
Aber was kann man machen? Wie kann man jene Menschen, die von den Bedingungen in der Türkei betroffen sind, unterstützen? Dafür muss man sich ansehen, weswegen so etwas wie Ditib in Deutschland überhaupt existieren kann.
Ditib füllt hierzulande bestimmte politische Lücken. Sie bieten Räume für muslimische Kinder, Jugendliche und Frauen an, in denen sie Zeit verbringen können, ohne von anderen Anwesenden wie Außerirdische behandelt zu werden. Sie bieten Kurse und Veranstaltungen an, die es in der Form sonst nicht gibt. Ditib kann das alles, weil sie strukturell gefördert werden, und zwar von dem türkischen Staat. Diesen Luxus der Strukturförderung haben in Deutschland nicht einmal die Demokratisierungsprojekte. Ditib hat also kaum Konkurrenz, weil die Bundesregierung die Mittel für Demokratisierungsprojekte und anderweitige Minderheitenprojekte kürzt oder ganz absagt. Und die, die bestehen, arbeiten prekär und müssen ständig ums Überleben kämpfen.
Warum also nicht den Kern des Problems und die wahren Verantwortlichen adressieren und Lösungsansätze liefern? Etwa weil es viel leichter ist, die Scheiben einer Moschee einzuschlagen? Werden wir wohl nie wissen. Aber Hauptsache unser linkes Gewissen ist rein, auch wenn wir nicht zu einer Lösung beitragen.