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Politik

Gesetz vor Gemeinwohl

Keine städtischen Altkleidercontainer erlaubt

  Gesetz vor Gemeinwohl | Keine städtischen Altkleidercontainer erlaubt

Kleiderschrank aussortieren und ab damit in die Altkleidersammlung – eigentlich. Doch in diesem Jahr darf die Stadt Leipzig keine Container für Altkleider aufstellen. Der Grund: Ein Gerichtsurteil und ein verknotetes Gewirr bürokratischer Hürden.

»Absurd und praxisfern«: Mit diesen Worten beschreibt Michael Neuhaus (Die Linke) die Situation der Altkleidercontainer. Oder, genauer gesagt, der nicht vorhandenen Container: Seit diesem Jahr werden die Stellplätze derartiger Altkleidersammlungen verlost – und die Stadt Leipzig selbst ging dabei leer aus. Somit wird es 2022 keine städtischen Container in Leipzig geben, die einzigen kommunalen Altkleidersammlungen befinden sich auf dem Wertstoffhof. Wie kann das sein?

2015 verabschiedete die Stadt Leipzig ein Verfahren, wie sie Altkleider sammeln möchte: Nur noch städtische oder gemeinnützige Sammlungen, so lautete die damalige Devise. »Quasi keine gewerbliche Nutzung, wo der Mist nach Afrika geschickt wird«, erklärt Neuhaus. Was auf den ersten Blick dem kollektiv-moralischen Gerechtigkeitssinn entspricht, wurde jedoch einige Jahre später für rechtswidrig erklärt: Im Jahr 2018 kippte ein Urteil des Verwaltungsgerichts dieses Vorgehen. Die Begründung: Während gemeinnützige Vereine nach Herzenslust Container betreiben dürften, seien gewerbliche Sammelnde benachteiligt. Das widerspreche dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes. Stattdessen sollen Anzahl sowie Standorte der Container durch den Stadtrat verteilt werden. Die Stadt Leipzig hielt sich ans Urteil und so entstand die Idee, Containerstellplätze per Losverfahren zu verteilen – 400 Container, berechnet an der Leipziger Einwohnerzahl.

Schon allein das ist für Neuhaus »eine Art Skandal«: Dass die Stadt auf einer Stufe mit privaten Unternehmen steht und »darum konkurrieren muss, Container im eigenen Hoheitsgebiet aufzustellen«, empfindet der Linkspolitiker als dreist. Dass Leipzig selbst keinen einzigen Stellplatz ergattern konnte, treibt die Ungerechtigkeit für ihn auf die Spitze. Die zweite Folge des Gerichtsurteils: Standorte sowie Anzahl der Container müssen seitdem vom Stadtrat abgesegnet werden. Wenn an einer Stelle die Altkleidersammlung ständig überquillt, darf die Stadt also keinen zweiten Container daneben stellen, sondern muss dafür erst einen Antrag einreichen. Pro Stadtbezirk und Ortsteil gibt es eine festgelegte Anzahl an Containern, feinsäuberlich mit Straßennamen aufgelistet. Zusammenfassen lässt sich das Dilemma im altbewährten Stil deutscher Bürokratie: Hauptsache kompliziert.

Neuhaus macht das wütend: »Die Stadt geht leer aus, während private Unternehmen Altkleider sammeln werden, um sich eine goldene Nase zu verdienen«, beschwert sich der umweltpolitische Sprecher der Linksfraktion. Immerhin wollten viele Menschen mit ihrer Kleiderspende etwas Gutes bewirken, statt die Profite privater Unternehmen in die Höhe zu treiben. Während städtische Kleidersammlungen mit Sozialkaufhäusern kooperierten, sehe das bei Unternehmen anders aus: Neuhaus befürchtet, dass diese »Kleider in Schwellenländer verhökern, dort die Märkte kaputt machen oder Müllberge produzieren«. Wie das ausgeloste Verhältnis von privaten und gemeinnützigen Containern aussieht, weiß die Stadtreinigung bislang nicht, die Liste ist nicht einsehbar. Somit kann hier kein gewerblicher Aussteller zu Wort kommen. Auch das Urteil mit den damaligen Klägern ist vertraulich.

Dennoch will Neuhaus gegen das Urteil vorgehen: Er plant einen Antrag im Stadtrat. Darin will er fordern, dass die Stadt Leipzig wieder zum früheren System zurückkehrt, wo »Gemeinnutz über Willkür und Profit« stand. Doch bis ein rechtssicheres Verfahren steht, um profitorientierte Kleidersammlungen zu verbieten, kann es noch dauern: Stadtratssitzungen, Verwaltungsstandpunkte, juristische Abwägungen – über allen Prozessen schwebt die lähmende Hand der Bürokratie. »Die Mühlen mahlen eben langsam«, resümiert Neuhaus resigniert. Mit dem Grundgesetzparagrafen sei das Gerichtsurteil eine »fundamentale Latte«, schwer zu kippen. Er hofft, dass sich die Stadt Gedanken macht – »aber am Ende bin ich eben kein Jurist«. 

 

Titelfoto: Sophie Goldau


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