Die Leipziger Immobilienfirma United Capital kam vergangenes Jahr in die Schlagzeilen, weil sie eine ehrenamtliche Hochschulzeitung verklagen wollte. Schon vorher wurden Beschwerden gegen die Praktiken der Firma laut. kreuzer hat mit Mieterinnen über ihre Erfahrungen gesprochen.
Bereits im Dezember berichtete der kreuzer über das fragwürdige Geschäftsgebaren der Immobilienfirma United Capital. Auch im neuen Jahr kommt die Firma nicht aus den Schlagzeilen. Damals berichtete der kreuzer online von einer Mieterinnengemeinschaft in der Harnackstraße, die sich zusammengeschlossen hatte, um sich gegen den Wohnungskauf durch United Capital und ihre »Entmietung« zu wehren. In diesem Streit ging es unter anderem um den Rausschmiss langjähriger Mieterinnen, vorgetäuschten Eigenbedarf und die Umbauten von Wohnungen in teure Wohngemeinschaften. Die Mieterinnen aus der Harnackstraße sind aber bei Weitem nicht die Einzigen, die von den Praktiken der Firma oder ihrer Geschäftsführer betroffen sind.
Eine Mischung aus Angst und Wut
Einige Erlebnisse tauchen in mehreren Berichten auf: Beispielsweise erhielten zwei Mieterinnen mindestens einmal wöchentlich WhatsApp-Nachrichten oder Anrufe von der Person, die ihre Wohnung gekauft hatte. Konkret waren das Anrufe oder Nachrichten von Kevin Schwarzat oder Robin Tobermann, dem Geschäftsführer der Immo Hub GmbH. Darin wurde gefragt, wann sie endlich ausziehen würden, oder ihnen wurde Geld fürs Ausziehen geboten. »Die Typen haben wöchentlich angerufen und Nachrichten geschrieben. Die gehen den Leuten so hart auf den Keks, dass die irgendwann sagen: ›Gut, dann zieh ich aus.‹ Das ist nicht verboten, aber tritt moralische Vorstellungen mit Füßen«, sagt Wolfgang. Auf Nachfrage heißt es in der schriftlichen Antwort von United Capital: »Die Vorwürfe treffen nicht zu.«
Pia*, eine weitere Betroffene, erzählt, dass Schwarzat ihre Wohnung gekauft hat. »Schwarzat stand aber dann mit Kevin Rader, dem zweiten Geschäftsführer von United Capital, zusammen vor der Tür und meinte, er habe einen Freund mitgebracht, mit dem er zusammen die Wohnung gekauft hat.« Eine Woche später habe er ihr dann mitgeteilt, selbst in die Wohnung ziehen zu wollen. Dann fingen die wöchentlichen Anrufe an, sagt sie, immer mit der Frage, wie ihre Wohnungssuche laufe. Mittlerweile hat er die Wohnung wieder verkauft, weil sich Pia gegen einen Auszug entschieden hat. Ein »vergleichsweise mildes Beispiel«, sagt sie. Auch auf diese Vorwürfe antwortet United Capital, sie »treffen nicht zu«.
Mit der Einschätzung als vergleichsweise mild nimmt Pia Bezug auf Fälle wie den der Mieterin im »MDR Exakt«-Beitrag. Deren Wohnung wurde von Schwarzat gekauft, der ihr kurz darauf wegen Eigenbedarf kündigte. Sie berichtet von wöchentlichen Nachrichten und Anrufen, außerdem wurden ihr Wohnungsschloss und Briefkasten verklebt. Ihr Nachbar ergänzt, ein ausgedrucktes Foto von ihr im gemeinsamen Briefkasten entdeckt zu haben. Einen Nachweis, dass das ihr neuer Vermieter war, gibt es nicht. Sie vermute es aber, heißt es in dem Beitrag. Von ausgedruckten Bildern im Briefkasten erzählt auch Wolfgang. Dem kreuzer berichtete er, dass er und mehrere seiner Bekannten Bilder von sich in ihren Briefkästen gefunden haben. Auch sie vermuten ihre neuen Vermieter dahinter: Die Geschäftsführer von United Capital. Die hingegen sagen dazu: »Die Vorwürfe treffen nicht zu.«
Alicia*, die ebenfalls mit dem kreuzer gesprochen hat, schildert einen ähnlichen Fall einer Mieterin aus ihrem Haus. Ihre Wohnung wurde von Robin Tobermann, dem Immo-Hub-Geschäftsführer, gekauft. Dieser habe bei der Besichtigung gesagt, dass er gerne einziehen möchte. Dann habe sie ständig WhatsApp-Nachrichten von ihm erhalten und er habe ihr Geldangebote gemacht. »Dieses Verdrängen von Leuten, die sich die Miete durch ältere Verträge noch leisten können, das ist schlimm. Das muss man versuchen zu unterbinden«, findet Alicia. Seit zwanzig Jahren wohne die Mieterin schon in der Wohnung, »und jetzt soll sie ausziehen?«
Auf kreuzer-Anfrage sagt Tobermann, die Vorwürfe, er würde Eigenbedarf vortäuschen, seien »nicht korrekt und zweifelsfrei erfunden«. Außerdem distanziere er sich von »solchen Geschäftspraktiken«, also dem Vorwurf der Schikane, zum Beispiel durch permanente Nachrichten.
Die Beschreibungen der Befragten lassen eine Mischung aus Angst und Wut erkennen. Pia findet das nicht in Ordnung: »Es ist beängstigend, dass man vor nichts zurückschreckt. Hat man überhaupt keinen Anstand mehr? Das macht einen schon auch wütend.« Wolfgang befürchtet ebenfalls Repressionen: »Bei der Summe der Vorfälle und denen die wir aus anderen Häusern kennen, wird man panisch, da kriegt man wirklich Angst.«
Mittlerweile gibt es offizielle Beschwerden beim Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung. Nach Stadtratsanfrage von Jule Nagel (Die Linke) zum »mieter*innenfeindlichen Geschäftsgebaren« gab das Bauamt bekannt, über vierzig Verstöße gegen »erhaltungs- und baurechtliche Vorschriften« zu vermuten. Demnach wird geprüft, ob die Umbauten, die entweder United Capital oder die Geschäftsführer der Firma in Stadtteilen wie Reudnitz-Thonberg eingeleitet haben, überhaupt rechtmäßig waren. Denn in den sozialen Erhaltungsgebieten dürfe nicht ohne explizite Erlaubnis umgebaut werden.
Anfang dieses Jahres werde von der Stadt deshalb »die Kontaktierung des Unternehmens bzw. der Privatpersonen und ggf. auch der Hausverwaltungen der bisher benannten Objekte vorbereitet«. Auf kreuzer-Anfrage schreibt die Stadt, ein »Vor-Ort-Termin und nachfolgend Gespräche mit den Eigentümern« hätten bereits stattgefunden. Außerdem laufe die baurechtliche Prüfung, weitere Details könne man uns nicht geben.
TIM PAWLETTA
Titelbild: Marco Bras Dos Santos
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