Die Leipziger Immobilienfirma United Capital kam vergangenes Jahr in die Schlagzeilen, weil sie eine ehrenamtliche Hochschulzeitung verklagen wollte. Schon vorher wurden Beschwerden gegen die Praktiken der Firma laut. kreuzer hat mit Mieterinnen über ihre Erfahrungen gesprochen.
Bereits im Dezember berichtete der kreuzer über das fragwürdige Geschäftsgebaren der Immobilienfirma United Capital. Auch im neuen Jahr kommt die Firma nicht aus den Schlagzeilen. Damals berichtete der kreuzer online von einer Mieterinnengemeinschaft in der Harnackstraße, die sich zusammengeschlossen hatte, um sich gegen den Wohnungskauf durch United Capital und ihre »Entmietung« zu wehren. In diesem Streit ging es unter anderem um den Rausschmiss langjähriger Mieterinnen, vorgetäuschten Eigenbedarf und die Umbauten von Wohnungen in teure Wohngemeinschaften. Die Mieterinnen aus der Harnackstraße sind aber bei Weitem nicht die Einzigen, die von den Praktiken der Firma oder ihrer Geschäftsführer betroffen sind.
Nachdem die Hochschulzeitung Luhze über ebendiese Praktiken berichtet hatte, reichte die Immobilienfirma eine Unterlassungsklage gegen das ehrenamtlich geführte Medium ein. Diese Klage wurde kurz vorm geplanten Prozess zurückgezogen – auch weil sie als Angriff auf kritische Berichterstattung über die Stadtgrenzen hinaus Aufsehen erregte.
Anfang Februar veröffentlichte das Politikmagazin »MDR Exakt« einen TV-Beitrag über die Geschäftspraktiken der Firma sowie ihres Geschäftsführers Sven Schwar-zat. Der soll eine Wohnung gekauft und bei der langjährigen Mieterin »Eigenbedarf vorgetäuscht« haben, um sie aus der Wohnung schmeißen zu können. Die Kündigungsklage vorm Amtsgericht wurde Berichten zufolge ebenfalls kurzfristig zurückgezogen.
Das Firmengeflecht
In den Erfahrungsberichten werden immer wieder zwei Firmen genannt: Die United Capital RE GmbH und die Immo Hub GmbH. Sven Schwarzat und Kevin Rader sind sowohl die Geschäftsführer von United Capital als auch zu jeweils 25 Prozent Anteilseigner bei Immo Hub. Und zwar in Form ihrer Beteiligungsfirmen: Ein Viertel von Immo Hub gehört der Schwarzat Capital (Geschäftsführer Sven Schwarzat), ein anderes Viertel der KR Beteiligungs GmbH Weinheim (Geschäftsführer Kevin Rader). Die restlichen 50 Prozent fallen auf Geschäftsführer Robin Tobermann. Dies geht aus Gesellschafterlisten beim Amtsgericht hervor. Die Immo Hub GmbH organisiert laut einigen der befragten Mieterinnen die Besichtigungen der Zimmer für Studierende in den neu gestalteten Wohnungen. Der kreuzer selbst findet während
seiner Recherchen keine Studierenden, die das bestätigen können. Allerdings sagen die Mieterinnen, dass sie mehrfach Autos der Immo Hub vor ihren Häusern gesehen haben. Ein Linkedin-Beitrag von United-Capital-Geschäftsführer Kevin Rader lässt ein besonderes Verhältnis zu Immo-Hub-Geschäftsführer Robin Tobermann erahnen: »Robin Tobermann #Bravo Mit Ihrem außergewöhnlichen Einsatz reißen Sie uns immer wieder mit. #AußergewöhnlicherEinsatz«.
Auf kreuzer-Anfrage heißt es von Immo Hub zu den Firmenverbindungen: »Wir haben unsere Büros im selben Bürogebäude. Beide Firmen agieren als eigenständige Unternehmen mit unterschiedlicher Unternehmensführung und unterschiedlichem Geschäftszweck.« Außerdem seien beide Firmen klar zu trennen, Sven Schwarzat und Kevin Rader seien »auch nicht in der ›Immo Hub GmbH‹ angestellt«. United Capital verweist auf Betriebsinterna und möchte sich nicht zu der Thematik äußern.
Das Geschäftsmodell
Bereits ein flüchtiger Blick auf die Instagram-Seite von United Capital gibt einen Eindruck des Geschäftsmodells. Einem Beitrag zufolge kaufe man »gern auch ›Problemobjekte‹ mit schwierigen Mietern, Renovierungsbedarf oder ähnlichem«. Den Mieterinnen zufolge arbeitet die Firma oder deren Geschäftsführer nach einem bestimmten Muster: Man kaufe Wohnungen und baue diese zum Beispiel von Drei- in Vier-Zimmer-Wohnungen um und saniere sie. Nach kreuzer-Informationen, die sich mit Recherchen anderer Medien decken, werden diese Wohnungen teuer an Studierende vermietet – für knapp 18 Euro pro Quadratmeter. Das bestätigt auch Noah*, der in eine der neu umgebauten Wohnungen eingezogen ist. Für seine 18 Quadratmeter und Anteile des gemeinschaftlich genutzten Wohnraums zahlt er 410 Euro Warmmiete. »Bei der Wohnung gegenüber waren die Küche und das Bad noch nicht drin, die mussten in der ersten Zeit bei uns auf Klo gehen«, ergänzt er. Das WG-Zimmer hat er auf der Plattform WG-Gesucht gefunden, sein neuer Vermieter ist Sven Schwarzat. Der werde laut Mietvertrag »vertreten durch United Capital«.
Die Umbauten und die teuren Mieten lösen bei den Mieterinnen in erster Linie Frust aus. Auf dem Markt sei nichts mehr zu holen, »und dann kommen diese ******* und verknappen künstlich und treiben die Miete hoch, indem sie Preise festlegen, die nichts mit der Realität zu tun haben!«, äußert Wolfgang* seine Wut. Teil der Methoden sei es neben den Umbauten außerdem, die langjährigen Mieterinnen aus den neu gekauften Wohnungen zu vertreiben – zum Beispiel mithilfe von vorgetäuschtem Eigenbedarf und »Schikane«, wie im Falle der Mieterin aus dem »MDR Exakt«-Beitrag. United Capital sagt dazu nur: »Die Vorwürfe treffen nicht zu.« Der kreuzer hat mit vier weiteren Mieterinnen über ihre Erfahrungen gesprochen. Sie alle möchten aus Selbstschutz nicht mit ihren richtigen Namen im Bericht auftauchen.
Eine Mischung aus Angst und Wut
Einige Erlebnisse tauchen in mehreren Berichten auf: Beispielsweise erhielten zwei Mieterinnen mindestens einmal wöchentlich WhatsApp-Nachrichten oder Anrufe von der Person, die ihre Wohnung gekauft hatte. Konkret waren das Anrufe oder Nachrichten von Kevin Schwarzat oder Robin Tobermann, dem Geschäftsführer der Immo Hub GmbH. Darin wurde gefragt, wann sie endlich ausziehen würden, oder ihnen wurde Geld fürs Ausziehen geboten. »Die Typen haben wöchentlich angerufen und Nachrichten geschrieben. Die gehen den Leuten so hart auf den Keks, dass die irgendwann sagen: ›Gut, dann zieh ich aus.‹ Das ist nicht verboten, aber tritt moralische Vorstellungen mit Füßen«, sagt Wolfgang. Auf Nachfrage heißt es in der schriftlichen Antwort von United Capital: »Die Vorwürfe treffen nicht zu.«
Pia*, eine weitere Betroffene, erzählt, dass Schwarzat ihre Wohnung gekauft hat. »Schwarzat stand aber dann mit Kevin Rader, dem zweiten Geschäftsführer von United Capital, zusammen vor der Tür und meinte, er habe einen Freund mitgebracht, mit dem er zusammen die Wohnung gekauft hat.« Eine Woche später habe er ihr dann mitgeteilt, selbst in die Wohnung ziehen zu wollen. Dann fingen die wöchentlichen Anrufe an, sagt sie, immer mit der Frage, wie ihre Wohnungssuche laufe. Mittlerweile hat er die Wohnung wieder verkauft, weil sich Pia gegen einen Auszug entschieden hat. Ein »vergleichsweise mildes Beispiel«, sagt sie. Auch auf diese Vorwürfe antwortet United Capital, sie »treffen nicht zu«.
Mit der Einschätzung als vergleichsweise mild nimmt Pia Bezug auf Fälle wie den der Mieterin im »MDR Exakt«-Beitrag. Deren Wohnung wurde von Schwarzat gekauft, der ihr kurz darauf wegen Eigenbedarf kündigte. Sie berichtet von wöchentlichen Nachrichten und Anrufen, außerdem wurden ihr Wohnungsschloss und Briefkasten verklebt. Ihr Nachbar ergänzt, ein ausgedrucktes Foto von ihr im gemeinsamen Briefkasten entdeckt zu haben. Einen Nachweis, dass das ihr neuer Vermieter war, gibt es nicht. Sie vermute es aber, heißt es in dem Beitrag. Von ausgedruckten Bildern im Briefkasten erzählt auch Wolfgang. Dem kreuzer berichtete er, dass er und mehrere seiner Bekannten Bilder von sich in ihren Briefkästen gefunden haben. Auch sie vermuten ihre neuen Vermieter dahinter: Die Geschäftsführer von United Capital. Die hingegen sagen dazu: »Die Vorwürfe treffen nicht zu.«
Alicia*, die ebenfalls mit dem kreuzer gesprochen hat, schildert einen ähnlichen Fall einer Mieterin aus ihrem Haus. Ihre Wohnung wurde von Robin Tobermann, dem Immo-Hub-Geschäftsführer, gekauft. Dieser habe bei der Besichtigung gesagt, dass er gerne einziehen möchte. Dann habe sie ständig WhatsApp-Nachrichten von ihm erhalten und er habe ihr Geldangebote gemacht. »Dieses Verdrängen von Leuten, die sich die Miete durch ältere Verträge noch leisten können, das ist schlimm. Das muss man versuchen zu unterbinden«, findet Alicia. Seit zwanzig Jahren wohne die Mieterin schon in der Wohnung, »und jetzt soll sie ausziehen?«
Auf kreuzer-Anfrage sagt Tobermann, die Vorwürfe, er würde Eigenbedarf vortäuschen, seien »nicht korrekt und zweifelsfrei erfunden«. Außerdem distanziere er sich von »solchen Geschäftspraktiken«, also dem Vorwurf der Schikane, zum Beispiel durch permanente Nachrichten.
Die Beschreibungen der Befragten lassen eine Mischung aus Angst und Wut erkennen. Pia findet das nicht in Ordnung: »Es ist beängstigend, dass man vor nichts zurückschreckt. Hat man überhaupt keinen Anstand mehr? Das macht einen schon auch wütend.« Wolfgang befürchtet ebenfalls Repressionen: »Bei der Summe der Vorfälle und denen die wir aus anderen Häusern kennen, wird man panisch, da kriegt man wirklich Angst.«
Mittlerweile gibt es offizielle Beschwerden beim Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung. Nach Stadtratsanfrage von Jule Nagel (Die Linke) zum »mieter*innenfeindlichen Geschäftsgebaren« gab das Bauamt bekannt, über vierzig Verstöße gegen »erhaltungs- und baurechtliche Vorschriften« zu vermuten. Demnach wird geprüft, ob die Umbauten, die entweder United Capital oder die Geschäftsführer der Firma in Stadtteilen wie Reudnitz-Thonberg eingeleitet haben, überhaupt rechtmäßig waren. Denn in den sozialen Erhaltungsgebieten dürfe nicht ohne explizite Erlaubnis umgebaut werden.
Anfang dieses Jahres werde von der Stadt deshalb »die Kontaktierung des Unternehmens bzw. der Privatpersonen und ggf. auch der Hausverwaltungen der bisher benannten Objekte vorbereitet«. Auf kreuzer-Anfrage schreibt die Stadt, ein »Vor-Ort-Termin und nachfolgend Gespräche mit den Eigentümern« hätten bereits stattgefunden. Außerdem laufe die baurechtliche Prüfung, weitere Details könne man uns nicht geben.
TIM PAWLETTA
Titelbild: Marco Bras Dos Santos