Im Rahmen des Sonderbudgets der Stadt Leipzig für die Ukraine-Hilfe können auch zivilgesellschaftliche Initiativen Geld beantragen, um ihre Projekte zu finanzieren. Die Fördergelder sind allerdings vor allem an Projekte der Ersthilfe gerichtet, anstatt langfristig bestehende integrative Strukturen zu stärken.
Der Stadtrat hat am 15. März ein Ukraine-Sonderbudget in Höhe von neun Millionen Euro beschlossen. Hiervon sind 4,5 Millionen Euro für die Unterbringung und drei Millionen Euro für die Verteilung von Schutzausrüstung, Medikamenten und Hilfsgütern in der Ukraine eingeplant. Außerdem wurde eine Million Euro bereitgestellt, um zivilgesellschaftliche Initiativen in ihrem Engagement in der Ukraine-Hilfe zu unterstützen. So wolle die Stadt Leipzig die aktuellen Herausforderungen im »Schulterschluss aller gesellschaftlichen Akteure« angehen.
Seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine wurden in Leipzig neue Initiativen gegründet, aber auch bestehende Vereine kümmern sich um angekommene Geflüchtete und organisieren Hilfe vor Ort. Diese können nun beim Referat für Integration und Migration Förderanträge stellen. Aktuell gibt die Stadt Leipzig die ersten Bescheide raus. Ein Großteil der bis Ende März eingegangenen 24 Anträgen ist laut der Stadt förderfähig.
Der Förderantrag sei relativ frei und »vergleichsweise easy« formuliert, ihr Verein könne sich in den Punkten schnell wiederfinden, lobt eine Hauptamtliche einer Leipziger Initiative im Gespräch mit dem kreuzer. Sie möchte ihren Namen nicht veröffentlicht sehen, aus Angst, eine Bewilligung des Förderantrags könnte dadurch beeinflusst werden. Ihr Verein wolle mit der Antragstellung noch abwarten, um den finanziellen Bedarf genau einschätzen zu können. Denn um die Geflüchteten aus der Ukraine zu unterstützen, müsste keine neuen Angebote geschaffen, sondern bestehende erweitert werden. Außerdem sei das Geld eher gedacht für Projekte im Rahmen der Ersthilfe, ihr Verein sei im zweiten Schritt aktiv. So könne der Verein auf lange Sicht auch über die lokale Ebene hinaus andere Fördermittel beantragen.
Die Hauptamtliche ist zufrieden mit der Maßnahme der Stadt, hier »erst einmal Feuer zu löschen«. Das Geld solle an die Initiativen gehen, die es am dringendsten nötig haben, und durch die offene Formulierung der Anträge könne die Stadt so auch den allgemeinen finanziellen Bedarf ermitteln.
Mit der offenen Formulierung des Förderantrags tut sich Luise Schöpflin, die in einer anderen Leipziger Initiative, dem Verein Mühlstraße 14 arbeitet, allerdings schwer: Sie wisse gar nicht, was sie fördern lassen könne: »Kann ich jetzt ein 5.000 Euro Projekt schnüren oder handelt es sich dabei um 500 Euro Unterstützung?«, fragt sich die Projektleiterin der Ehrenamtskoordination. Aufgrund der Unklarheiten hat ihr Verein deshalb noch keine Förderung beantragt. Zudem müssen auch erst einmal die finanziellen Bedarfe in den Projekten geklärt werden. Denn sie wolle nicht vom »Schreibtisch aus Bedarfe konkretisieren«. Auf Nachfrage, was gefördert werden kann, nannte die Stadt Leipzig Honorare, Aufwandsentschädigungen für Ehrenamt, Anmietung von Räumlichkeiten und technischen Geräten, Hilfsgüter, Lagerkosten, Übersetzungs- und Sprachmittlungsleistungen. Für Personalkosten würden Begrenzungen der zulässigen Vergütung und der Zahl der Stellen je Projekt festgelegt.
In der Mühlstraße 14 hat der Verein bis jetzt einen solidarischen Raum eingerichtet: Jeden Donnerstag von 9:30 bis 12:30 Uhr gibt es hier die Möglichkeit, sich auszutauschen, zu vernetzen und gegenseitig zu unterstützen. Schöpflin schätzt das Engagement, was sich in der Leipziger Gesellschaft so schnell gezeigt hat, warnt aber vor einer Zweiklassenmigrationsgesellschaft: »Wir hätten uns gewünscht, dass eine solche schnelle und bedingungslose Förderung bereits 2015/2016 möglich gewesen wäre.« Deshalb betont sie auch, dass der bereitgestellte Raum in der Mühlstraße offen für alle sei, nicht nur für Geflüchtete im Kontext des Ukraine-Kriegs.
Die Ehrenamtlichen, die bisher da waren, würden kein Geld wollen. »Es wäre toll, Ehrenamtliche nicht nur kurzfristig zu haben und dann zu verlieren, weil sie ausgebrannt sind, sondern Ehrenamtspauschalen zu geben, damit sie mittel- und langfristig im integrativen Bereich bleiben.« Bestehende Strukturen zu fördern, sei wichtig. Dies merkt sie unter anderem im offenen Treff, da kämen oft Fragen auf, die die Ehrenamtlichen gar nicht beantworten könnten. Darum steht Schöpflin auch kritisch gegenüber den kurzfristigen Förderungen: »Das ist ein richtiger Schritt von der Kommune, aber wir brauchen eine langfristige Strukturförderung im integrativen Bereich«.
Dass in Sachsen in der integrativen Arbeit sehr viel auf Projektebene läuft – was Schöpflin als »Projektitis im sozialen und kulturellen Bereich« bezeichnet –, wird seit einigen Jahren von Initiativen kritisiert. Um einer langfristigen Strukturförderung im integrativen Bereich näherzukommen, haben sächsische Initiativen im vergangenen Jahr in einem offenen Brief Forderungen gestellt, um auf Landesebene Veränderungen zu erreichen: Die prekäre Situation von Trägern solle verbessert werden, denn viele Hauptamtliche seien Projektmitarbeitende und langfristiges Engagement und aufgebautes Vertrauen würde durch monetäre Einbußen aufs Spiel gesetzt werden. Um diese Arbeitsstrukturen zu verbessern hat die Stadt Leipzig allerdings nur begrenzte Möglichkeiten, da sich viel auf Landes- und Bundesebene abspielt. Das bedauert auch Luise Schöpflin. Trotzdem sei es möglich, insbesondere um einer Monopolisierung von Nichtregierungsorganisationen entgegenzuwirken, integrative Strukturen auf kommunaler Ebene zu stärken.
Die Arbeit solcher Initiativen wird als zweiter Schritt nach der Ersthilfe in der kommenden Zeit wichtig werden. Aktuell hat die Stadt Leipzig eher akute Maßnahmen im Fokus, und geht hierbei von einem vorübergehenden Bedarf aus. Bezüglich einer langfristigen Strukturförderung nennt sie die Hilfe und Wiederaufbau nach dem Ukraine-Krieg als große Aufgabe, an der sie sich insbesondere als Partnerstadt von Kiew beteiligen wolle. Inwieweit damit konkret die Leipziger Initiativen des integrativen Bereichs eingebunden werden soll, scheint somit zu diesem Zeitpunkt noch nicht relevant.
Foto: Tetiana Bielun