Soloselbstständige leiden nicht erst seit der Pandemie unter Überarbeitung und Prekarisierung. Die unsichere Situation der letzten Jahre hat die Sollbruchstellen einer wachsenden Branche in Leipzig aufgezeigt. Martin Dulig (SPD) hat sich auf einem Diskussionsforum im Ostpassage-Theater die Erfahrungen und Vorschläge von (Solo-)Selbstständigen angehört.
Die Organisation »Kreatives Sachsen« lud zum Diskussionsforum »Soloselbstständigkeit in Kultur- und Kreativwirtschaft – prekäre Not oder große Freiheit« ins Ostpassage-Theater ein. Es war bereits die dritte Veranstaltung der fünfteiligen Reihe. Arbeits- und Wirtschaftsminister des Landes Sachsen, Martin Dulig (SPD), war, wie bei den anderen Veranstaltungen, als vornehmlich stiller Zuhörer dabei. Die von der Theaterpädagogin und Moderatorin des Nachmittags, Caroline Gerlach, liebevoll „Dulig-Foren“ genannten Diskussionsrunden sollen Vertreterinnen und Vertreter der Kultur- und Kreativwirtschaft zu Wort kommen lassen. Es ist für sie eine Möglichkeit, ihre Sorgen, Nöte und vor allem, Verbesserungsvorschläge für die gegenwärtige Situation zu äußern. Zugegen waren Illustratorinnen, ein bildender Künstler, eine Web-Designerin, eine Filmproduzentin und der Geschäftsführer eines aufstrebenden Marketing-Unternehmens. Wissenschaftlich gerahmt wurde die Runde von Gerlinde Vogl, Arbeitssoziologin am Haus der Selbstständigen. Die Zeichnerin Johanna Benz untermalte das Geschehen buchstäblich mit einer Art Simultanillustration. Publikum war dagegen kaum anwesend, wodurch auch der Stuhl für offene Fragen leer blieb.
Dabei ist der Status von (Solo-)Selbstständigkeit eine wachsende gesellschaftliche Realität, die immer mehr Menschen betrifft und damit mehr Fragen aufwirft. Selbstständigkeit wird nicht erst seit der Pandemie mit Prekarität und Überarbeitung gleichgesetzt. Durch den Wandel unserer Wirtschaft weg von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft wächst der Bereich Selbstständiger stetig an. Der Abbau des Sozialstaats bringt zudem weitere Unsicherheiten für Selbstständige, die nicht von Rentenvorsorge und Krankenversicherungen profitieren. Dieser Umstand wird häufig von Unternehmen genutzt, um arbeitsrechtliche Errungenschaften zu umgehen, indem sie Angestellte als Scheinselbstständige anstellen.
Die Pandemie ist hierbei nur ein Beschleuniger, der sich in zwei Richtungen bewegt. Einerseits treibt sie die Prekarisierung von Selbstständigen innerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft an, da die Kulturszene durch Ausfälle wirtschaftlich leidet. Andererseits profitierten Selbstständige von staatlichen Leistungen, wie den Corona-Hilfen. Womit die Arbeit von Selbstständigen in der Kultur- und Kreativwirtschaft für einen Zeitraum in Teilen abgesichert war. Diese Situation war, ist und bleibt aber fragil. Erst nach einigen Brandbriefen aus der Kulturszene an die Kulturstaatsministerin Monika Grütters im letzten Jahr wurde die Möglichkeit der staatlichen Hilfen für Soloselbstständige beispielsweise in den darstellenden Künsten eröffnet. Hinzu kommt, dass Selbstständige ihre Corona-Hilfen nun teilweise wieder zurückzahlen müssen, da sie bestimmten Förderkriterien nicht entsprechen. In der Summe könnte hier aber ein Türspalt geöffnet worden sein, um bessere Verhältnisse zu erstreiten.
Denn: Warum sichert der Wohlfahrtsstaat seine Künstlerinnen nicht einfach wie in der Pandemie ab? Bei all der berechtigten Kritik an Kriterien der Film- und Wirtschaftsförderung oder der undurchsichtigen Spekulation von Kunstobjekten und Wohnraum, blieb die Frage in der Runde, was das Land Sachsen, hier in der Person Martin Duligs vertreten, konkret tun sollte. Gerlinde Vogl brachte die breit gestreuten Anliegen und Erfahrungsberichte der Branchenvertreterinnen auf den Punkt: Sicherheit durch allgemeine Versicherungen und transparente branchenspezifische Mindesthonorare. Aber reicht das schon? Die Bildende Kunst bleibt von Mindesttarifen weitgehend unberührt, Versicherungen bedeuten noch keine Rentenvorsorge. Da das Wachstum der Kultur- und Kreativwirtschaft in engem Verhältnis zum Wachstum und Imagewandel der Stadt Leipzig und des Landes Sachsen steht, steht die Politik in der Verantwortung, kreative Antworten auf die brennenden Fragen des Arbeitsmarktwandels zu finden.
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