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Kultur

Blick zurück nach vorn

HGB-Rektor verabschiedet sich mit Ausstellung

  Blick zurück nach vorn | HGB-Rektor verabschiedet sich mit Ausstellung

Der Rektor der Hochschule für Grafik und Buchkunst Thomas Locher organisierte zum Abschluss seiner Amtszeit eine Ausstellung über Handlungen, Muster und Systeme im Kunstfeld.

Eine Frau mit strenger Frisur im grauem Rockanzug führt durch die Räume des Philadelphia Museums of Modern Art. Dabei erklärt sie den Museumsshop und allerlei Orte wie etwa Garderoben und Toiletten, die jenseits offizieller, repräsentativer Führungen liegen. Die Stimme der US-amerikanischen Künstlerin Andrea Fraser im fast halbstündigen Video »Highlights: A Gallery Talk« aus dem Jahr 1989 schallt durch den Ausstellungsraum der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB). Fraser und Noch-Rektor Thomas Locher stellten wie viele der anderen künstlerischen Positionen in der Schau »Flashback: Forward« bereits vor fast 30 Jahren gemeinsam aus. Nun luden Locher und die HGB-Galeristin Ilse Lafer sie zur Abschlussausstellung von Lochers Amtszeit (siehe kreuzer 6/2022) ein.

Die Ausstellung von damals hieß »Kontext Kunst«. 1993 kuratierte sie Peter Weibel beim Steirischen Herbst in Graz. Mit ihr wollte er die neuen Kunstformen der frühen 1990er Jahre miteinander verknüpfen. Es ging damals darum, die Konzeptkunst der 1960er und 1970er Jahre neu zu befragen, das Kunstfeld als soziales Konstrukt zu begreifen, Institutionen und deren Repräsentation kritisch zu beleuchten. Es ist die Kunst, die im Westen nach den wilden, großen Malereileinwänden der 1980er Jahre entstand. Sie versucht Kontexte freizulegen – daher auch der Begriff »Kontext Kunst« oder mit Weibels Worten: »Kontext-Kunst thematisiert die formalen, sozialen und ideologischen Rahmenbedingungen der Kunstproduktion. Die Kunst wird dadurch als ideologisch konstruiertes Produkt transparent. Die institutionelle Kritik dehnt sich vom System Kunst auf die Gesellschaft aus.«

Was haben die frühen 1990er heute in der HGB zu suchen? Sie bilden nicht nur den Beginn von Lochers künstlerischem Werdegang, sondern stellen Fragen nach Macht, Raum und Kunst, Fragen, die in einer Ausbildungsstätte immer im Fokus stehen sollten.

Locher selbst ist mit einigen Arbeiten aus den Jahren 2001 bis 2016 vertreten – ein untrügliches Zeichen, dass der Rektoren-Posten wohl eher weniger Zeit für das eigene Schaffen im Atelier zuließ. Von 2001/02 stammen große Aluminiumtafeln mit Siebdruck und führen zur Geschichte der alten BRD. Sie beschäftigen sich mit dem »Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 1968/ Stand 2001 Fragmente der Notstandsgesetzgebung« in Absätzen des Artikels 115 zum Verteidigungsfall oder zum Verhältnis Bund und Länder.

1968 entstand die Arbeit »Titled [Art as Idea (as Idea)]' [Meaning]« von Joseph Kosuth, der  enzyklopädische Einträge zur Kunst auswählt. Dabei spielt er mit den Vorstellungen und Abstraktionen von Formen. Viel Spiel in der Anordnung zeigt auch Dorit Margreiter. Die österreichische Künstlerin setzte sich als Blinky-Palermo-Stipendiatin an der Galerie für Zeitgenössische Kunst 2004 mit der Schrift des Brühlzentrums an der Reichsstraße auseinander, das zu DDR-Zeiten als Messehaus für die Präsentation der Erzeugnisse des VEB Brühlpelz diente. Der Schriftzug befindet sich auf dem 1966/67 entstandenen Flachdach. Der gelbe Schriftzug ist längst ramponiert und wurde damals von Margreiter für einen 16mm-Film wieder hergestellt. Die Buchstaben verkünden einen modernen Zeitgeist, der heute noch eine Wirkung erzielt. Das Video zeigt die Buchstabenformen, die nun losgelöst von der DDR-Moderne auf einem schwarzen Grund zu sehen sind. Wirken hierbei ideologische Faktoren

Ebenfalls eine Art von Spiel zeichnet das Video »The Glory of the Garden« aus dem Jahr 2009 der Künstlerin Marion von Osten aus. Sechs Männer- und zwei Frauenhände ordnen Fröbelbausteine an, um verschiedene Anordnungen für eine Kunstinstitution und damit verbundene Imaginationen zum Verhältnis Raum und Bildung zu verhandeln.

Die Ausstellung bietet einen Blick zurück auf die neunziger Jahre und auf deren immer noch aktuelle Fragestellungen nach Ein- und Ausschlüssen und zeigt Kunstwerke, die in westdeutschen Museen längst zum Standard gehören, in Leipziger Häusern sonst eher nicht zu sehen und zu hören sind.

»Flasback: Forward«, HGB-Galerie, bis 25. Juni

Titelbild von Anna Sophie Knobloch


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