anzeige
anzeige
Stadtleben

Geheimniskrämerei in der Mondlandschaft

Kanal zwischen Markkleeberger und Störmthaler See nach wie vor gesperrt – und wird es noch eine Weile sein

  Geheimniskrämerei in der Mondlandschaft | Kanal zwischen Markkleeberger und Störmthaler See nach wie vor gesperrt – und wird es noch eine Weile sein

Ein Leser meldete sich bei der kreuzer-Redaktion mit einer Nachfrage zum Störmthaler Kanal. Der wurde 2013 mit der »Hochzeit« von Markkleeberger und Störmthaler See eröffnet. Für Karsten Schütze, Oberbürgermeister von Markkleeberg, ist der Kanal mit der Schleuse »ein Vorzeigeprojekt des Gewässerverbundes im Neuseenland. Jahrelang war er hier eine Attraktion.« Seit März 2021 ist er wegen Schäden im Böschungsbereich gesperrt und zusätzlich gesichert (kreuzer berichtete). Immerhin mussten die beiden Seen nur kurzzeitig gesperrt werden. Andreas Berkner, der sich seit vierzig Jahren wissenschaftlich mit Bergbauentwicklung befasst und die Regionale Planungsstelle Westsachsen leitet, spricht von der »Ernüchterung, als geotechnische Befunde die Sperrung notwendig machten. Der Kanal funktionierte über die Jahre beanstandungsfrei, die Kanalpassage mit Fahrgastschiffen war ein touristischer Höhepunkt.«

Berkner erklärt, dass »Kippenverhältnisse zwischen Tagebauseen mit spezifischen, komplizierten Baugrundverhältnissen einhergehen«. Diese können Probleme verursachen, die man im natürlich gewachsenen Gelände nicht vorfindet, konkret betrifft es hier »Feinkornverfrachtungen«: »Wir stellten Veränderungen in den Böschungsbereichen fest und unerwartete Grundwasserstände im Umfeld von Kanal und Schleuse. Das ist ein Anhaltspunkt dafür, dass im Untergrund etwas passiert und man die Situation genau anschauen sollte.«

Von außen mag der Eindruck entstehen, als passiere seit über einem Jahr nichts. Entsprechendes vermutet der Leser, der sich an die kreuzer-Redaktion wandte. Außerdem sorgt ihn die Gefahrenlage. Der Störmthaler See liegt vier Meter höher als der Markkleeberger und hat ein viel größeres Volumen. Damit Wasser nicht unkontrolliert in den kleineren See strömen kann, wurden nach Feststellung der Bodenveränderungen Sicherungsmaßnahmen ergriffen, nämlich der »Einbau des oberen und unteren Querbauwerkes und der Heberleitung«, wie Uwe Steinhuber von der Bergbausaniererin Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV) sagt. Zudem reduziert eine neu eingebaute Wassertreppe das Gefälle an der Schleuse. Die LMBV führt »ein detailliertes Monitoringprogramm durch, das die aktuelle Situation – Grundwasser, Bewegung im Boden und am Bauwerk – überwacht und bei Auffälligkeiten warnt«. Gefahren schließt auch Bernhard Cramer, Oberberghauptmann vom zuständigen Oberbergamt Freiberg, aus: »Zur Gefahrenabwehr wurden fünf Spundwände mit Verbau und Überleitung errichtet. Damit ist ein unkontrolliertes Durchbrechen des Störmthaler Sees nicht möglich.«

Wann der Kanal wieder nutzbar ist, lässt sich aber erst abschätzen, wenn ein Gutachten zu Schadensursache und möglicher Sanierung vorliegt. Diese muss geplant, genehmigt und umgesetzt werden. »Die Arbeit der Gutachter wird ab August beginnen«, sagt Steinhuber von der LMBV. »Bis Ende 2022 sollen erste Zwischenergebnisse vorliegen, die Ursachenermittlung wird voraussichtlich 2023 abgeschlossen werden.« Wahrscheinlich wird die sich anschließende Sanierung einige Jahre dauern. Gabriela Lantzsch, Bürgermeisterin von Großpösna, befürchtet »böse Einschnitte in der Wirtschaftlichkeit der Schifffahrt und eine Einbuße der Attraktivität des Seenverbundes insgesamt«. Henry Graichen, Landrat im Landkreis Leipzig, sieht »im Verfahren deutlich Luft nach oben«: »Auch wenn die sofortige Sicherung schnell erfolgte, ist mir bis heute nicht bekannt, wie die weitere Untersuchung und Schadensbewertung erfolgt.« Eine längere Schließung des Kanals nennt er »bedauerlich und eine spürbare Einschränkung im Gewässertourismus«. Andererseits müsse die Sanierung sicher durchgeführt werden. »Lieber jetzt richtig begutachtet und saniert als ein Wiederholungsfall in der Zukunft. Und die Sicherheit der Menschen, die den See nutzen, hat selbstverständlich immer Priorität.«

Der Markkleeberger OBM Karsten Schütze wundert sich, dass allein die Planung der Ursachenerforschung fast ein Jahr in Anspruch nahm. »Als Eigentümerin des Schleusenbauwerkes wurden wir nicht einbezogen. Für mich war das eine große Geheimniskrämerei.« Auch er hat »das zarte Pflänzlein Tourismuswirtschaft« im Blick, das mit der »Rekultivierung der Mondlandschaften« wachsen konnte: »Rund um den Kanal haben sich Gewerbetreibende angesiedelt, für deren wirtschaftliche Existenz er wichtig ist.« Der gesperrte Kanal sei ein Armutszeugnis und stehe »nicht gerade für Vertrauen in die erfolgreiche Rekultivierung einer Bergbaufolgelandschaft.«

Titelbild: LMBV / Falk Bräuer


Kommentieren


0 Kommentar(e)