Das ukrainisch-deutsche Kunstkollektiv Óstov Collective hat eine Ausstellung in der ODP Galerie organisiert. Noch bis zum 17. August werden zwölf künstlerische Positionen gezeigt, die sich mit der Wahrnehmung von Orten und Orten der Wahrnehmung beschäftigen.
Eine Eisentür liegt auf dem Boden. Sie stammt aus einem Bunker mit aufgedruckten Richtungspfeilen für Auf und Zu. Die Arbeit stammt von Daria Maiier, 1998 in Luhansk geboren. Die Zeit nach dem Überfall auf die Ukraine verbrachte sie in Kiew in einem Bunker aus Zeiten des Kalten Kriegs. Seit April lebt sie in Hamburg und fand dort eine Bunkertür aus dem Zweiten Weltkrieg vor. Welche Erinnerungen reisen mit uns auf der Flucht?
Die Arbeit ist eine von zwölf künstlerischen Positionen, die bis zum 17. August in der Ausstellung »Sensing Places. Placing Senses« in der ODP Galerie zu sehen. Das ukrainisch-deutsche Kunstkollektiv Óstov Collective organisierte sie. Das Kollektiv besteht aus Elza Gubanova, Anna Perepechai, Alina Radomska und Leon Seidel, die sich nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 zusammentaten. Obwohl sie alle an der Hochschule für Grafik und Buchkunst studieren, kannten sie sich vorher noch nicht. Der Krieg bildete eine Zäsur und rückte die eigene künstlerische Produktion zugunsten eines gemeinsamen Handelns in den Hintergrund. Dem eigenen Gefühl der Hilflosigkeit galt es, etwas entgegenzusetzen. Im April zeigten sie im Kunstraum Plast eine Soundinstallation mit dem Titel »Злам« (bedeutet aus dem Ukrainischen übersetzt »scharfer Bruch«). Hierbei waren 100 Audioaufnahmen von Ukrainerinnen und Ukrainern aus einem Open Call als eine mentale Zustandsbeschreibung zu hören. Im Mai startete das Kollektiv einen erneuten Open Call für die nun in der ODP Galerie zu sehende Ausstellung.
Die Arbeiten beschäftigen sich mit der Wahrnehmung von Orten einerseits und Orten der Wahrnehmung andererseits. 325 Einreichungen erhielt das Kollektiv und wählte daraus 12 Positionen aus, die von jungen Kunstschaffenden bis zu bereits Etablierten stammen, von ganz aktuellen Arbeiten bis zu Serien, die das Thema Tradition und Erbe schon seit einigen Jahren fokussieren. Wichtig für die Auswahl war dem Óstov Collective, dass hier keine direkten Zerstörungen zu sehen sind. Es geht um die innere Kriegnahme, den Widerstand und wie Heimatlosigkeit eine Sprache entwickeln kann – sei es in Formen oder Material – und der Frage, was vermisst wird.
Im Mittelpunkt steht nicht nur die Ausstellung, sondern auch ein Programm, in dem über die aktuelle Situation und die Rolle der Kunst gesprochen wird, Fragen gestellt werden können, die man sich vielleicht sonst nicht zu fragen traut, weil der seit fast einem halben Jahr anhaltende Vernichtungskrieg immer noch so weit weg ist. Am Freitag, den 12. August um 16 Uhr findet die Audiovisuelle Performance von be_ca_di und Vitalii Shupliak statt. Ein Interview mit dem ukrainischen Künstler Nikita Kadan gibt es am Samstag um 17 Uhr.
Und das Óstov Collective plant schon weiter. Im Herbst soll in einem PopUp-Shop in der Ukraine produziertes Design zu sehen und zu kaufen sein. Mit dem Erlös unterstützen sie Initiativen und Kunstschaffende in der Ukraine.
»Sensing Places. Placing Senses«, bis 17. August in der ODP Galerie, Rolf-Axen-Straße 35, 04229 Leipzig; Di-Sa 15-18 Uhr
Foto: Óstov Collective