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Politik

»Der Wandel muss aus den Regionen selbst kommen«

Kerstin Köditz schätzt die Ergebnisse der Landratswahlen ein

  »Der Wandel muss aus den Regionen selbst kommen« | Kerstin Köditz schätzt die Ergebnisse der Landratswahlen ein

In der kreuzer-Titelgeschichte im August schauten wir auf Menschen, die in Sachsen gegen Rechtsextremismus und für Demokratie kämpfen. An ihr kommt man dabei nicht vorbei: Kerstin Köditz ist Mitglied des sächsischen Landtags für Die Linke und Sprecherin ihrer Fraktion für antifaschistische Politik. In ihrem Gastbeitrag zieht sie ein Fazit zu den Landratswahlen.

Porträtfoto Kerstin Köditz
Kerstin Köditz (Foto: Die Linke Sachsen,
Thomas Kläber)

Mein Fazit zu den Landratswahlen ist tief gespalten. Auf der einen Seite sehe ich den Stillstand: Sachsen wird seit inzwischen mehr als drei Jahrzehnten durch die CDU regiert, und die Landratsämter sind genauso lange die Bastionen konservativer Männer. Ganz abgesehen davon, dass ich als linke Frau andere Positionen vertrete, tut das der Demokratie nicht gut, die auch vom Wandel lebt. Wie es darum steht, kann man an der niedrigen Wahlbeteiligung ablesen.

Auf der anderen Seite gibt es einige Gründe zur Zuversicht. Im Landkreis Bautzen holte der rot-rot-grüne Kandidat Alex Theile ein Viertel der Stimmen. In Zwickau ist eine Herausforderin der Freien Wähler, die kaum jemand auf dem Zettel hatte, bis auf neun Stimmen an den CDU-Mann rangekommen. Und in Mittelsachsen machte mit Dirk Neubauer ein Parteiloser mit progressiven Ansichten und großem Abstand das Rennen – für sächsische Verhältnisse eine echte Sensation. Gerade in Mittelsachsen war mir vorher richtig bange, es schien nämlich möglich, dass dort die AfD gewinnt. Es kam ganz anders, und das zeigt, dass der Rechtstrend nicht alternativlos ist.

Allerdings ändert das unterm Strich an der konservativen Vorherrschaft wenig, die einen ganzen Berg von Problemen aufgehäuft und nie abgetragen hat. Die Finanzierung der Kommunen ist überall auf Kante genäht, von gleichwertigen Lebensverhältnissen in Stadt und Land sind wir weit entfernt. Die soziale Infrastruktur ist abgebaut, vielerorts gibt es kaum Ärztinnen und Ärzte, weder Einkaufsmöglichkeiten noch öffentliche Treffpunkte. Oder nehmen wir den Verkehr: Mit dem 9-Euro-Ticket kommt man jenseits der Städte nicht weit, weil eh keine Bahn fährt. Wie will man mit diesen Voraussetzungen Arbeitsplätze schaffen, junge Menschen in der Region halten – geschweige denn den Strukturwandel bewältigen?

Selbstkritisch muss ich sagen: Auf diese vielen wunden Punkte ist man von linker Seite, wo Landluft oft verpönt ist, bisher viel zu wenig eingegangen. Daher kam zur Landratswahl der größte Wettbewerb für die CDU von rechts, von der AfD und auch den sogenannten Freien Sachsen. Die lösen natürlich kein einziges Problem, falls sie die überhaupt erkennen. Aber anders als in höheren Ebenen der Politik sind diese Kräfte auf regionaler und kommunaler Ebene keineswegs isoliert, sondern teils gut verankert. Man sieht das daran, dass in den vergangenen Jahren mehrere CDU-Landräte dämliche bis gefährliche Ansichten etwa über Migration, Windkraft und Corona rausgehauen und damit bereitwillig Stichworte aus dem Nationalisten-Sumpf aufgenommen haben.

Hier liegt auch eine Gefahr. Um wieder nach Mittelsachsen zu schauen: Dort konnte die AfD eine heftige Kampagne gegen den Döbelner Zivilgesellschafts-Verein »Treibhaus« fahren und hätte es damit beinahe geschafft, ihn finanziell auszutrocknen. Die AfD muss nicht mal selbst im Landratsamt sitzen, um Schlechtes zu bewirken. Wenn man dagegen etwas Gutes bewirken, eine andere Richtung einschlagen will, dann muss dieser Wandel aus den Regionen selbst kommen, von unten. Wir sind gut beraten, besonders aufmerksam hinzusehen und zu helfen, wo wir können.


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