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Neue Leipziger Schulen, alte Leipziger Schulen

Was Leipzig mit den Schulen in der Stadt vorhat und wie die Gebäude früher konzipiert wurden

  Neue Leipziger Schulen, alte Leipziger Schulen | Was Leipzig mit den Schulen in der Stadt vorhat und wie die Gebäude früher konzipiert wurden

Im September soll der Stadtrat über die Schul- und Kitastrategie 2036 entscheiden, die die Schulpflicht in Leipzig gewährleisten soll – Schulbauten sind aber mehr als nur Zweckgebäude.

»Nie wieder«, begann Oberbürgermeister Burkhard Jung mit optimistischer Miene und glücklicher Stimme die Pressekonferenz Mitte Juli zur Schul- und Kitabaustrategie, solle es vorkommen, dass »wir nicht wissen, wo wir ihr Kind unterbringen.« Die Strategie soll dazu führen, dass bis 2036 die Schulpflicht in Leipzig gewährt ist und jedes Kind einen Schulplatz erhält. Gleichzeitig sollen Neubau und Sanierung von Schulgebäuden der Stadtentwicklung und den neuen Stadtquartieren gut tun sowie die Chancengleichheit zwischen den Stadtbezirken stärken. Schulbauten sind also mehr als Gebäude mit Schulhof und Turnhalle in einer möglichst guten Gestalt und praktischen Form, sondern sie bilden einen entscheidenden Motor in der urbanen Entwicklung. Gute Bildung und Bildungsinfrastruktur stellen »Schlüsselfaktoren erfolgreicher Städte« dar, wie die Montag-Stiftung Jugend und Gesellschaft festhält. Sie berät beim Bau von leistungsfähigen Schulen, die wiederum »hochwertige und zeitgemäße Bildung unterstützen«. Die Stiftung gibt daher den Kommunen auf dem Weg: »Überall wird massiv in Schulbau investiert. Jetzt ist der Moment, um auch in der Breite echte Innovation in der Architektur von Schulen zu etablieren. Wer jetzt an einer bedarfsgerechten Planung und Entwicklung spart, verbrennt Investitionen in den Schulbau – und in die Zukunft der Bildung.«

Aktuell verschärfen der für Neu- und Erweiterungsbauten benötigte Bauplatz, aber auch die Trias aus Inflation, Pandemie und Krieg sowie der Fachkräftemangel die Unsicherheiten in der Planung. Aus diesem Grund konzipierte die Verwaltung den Strategieplan. Er soll »verlässliche Aussagen zur zeitlichen Einordnung von Bauprojekten« sowie »größte Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit und Politik zu Bauvorhaben und jeweiligen Auswirkungen« garantieren. Im September entscheidet der Stadtrat über Art und Umfang der Maßnahmen sowie die Anerkennung des Plans für die Haushalts- und Investplanung 2023/24 und folgende. Jung hofft, dass »wir alle überzeugen können«. Und nicht nur die Stadträte gilt es, mit ins Boot zu holen, auch auf Unterstützung des Landes hofft der OBM. Bisher existiert kein Sonderprogramm im Schul- und Kitabau für kreisfreie Städte.

Die Folgen der wachsenden Stadt

Lernten um 2010 in Zeiten der schrumpfenden Stadt 46.500 Schülerinnen und Schüler in Leipzig, so lautet eine Prognose des sächsischen Bildungsministeriums, dass es 2036 über 70.000 sein können (siehe Infokasten). Allein von 2017 bis 2021 wuchs die Zahl von Leipziger Schülerinnen und Schüler um 13 Prozent. In diesem Jahr kommen die aus der Ukraine geflohenen Kinder noch hinzu.

Im Juni 2018 erließ der Stadtrat ein Sofortschulen-Programm im Wert von 155 Millionen Euro. Es sah bis Ende 2021 den Bau von 19 Schulen sowie Sanierungen von Bestandsbauten und Erweiterungen vor. Schlussendlich wurden 15 Maßnahmen (Neubau, Sanierung, Erweiterung) durchgeführt wie das Amt für Schule dem kreuzer mitteilte. Davon sind fünf Schulen bereits im Betrieb. Im Hinblick auf die Kosten hält das Amt fest: »Die hierfür bereitgestellten 155 Millionen Euro waren nicht ausreichend. Nach heutigem Kenntnisstand und mit Blick auf die derzeitige Marktpreisentwicklung im Baugewerbe kann davon ausgegangen werden, dass ca. das Doppelte an finanziellen Mitteln aufgewendet werden muss«.

Schulbürgermeisterin Vicki Felthaus erklärte vor einigen Wochen: »Laut unserer städtischen Prognose wächst der Bedarf durch Zuzug und Einschulung um etwa 1.000 Schülerinnen und Schüler pro Jahr, das heißt, bis 2030 muss Leipzig 175 Grundschulklassen, 133 Klassen an Oberschulen und 287 Klassen an Gymnasien aufweisen.«

Felthaus rechnet dabei für einen Bau einer Grundschule mit 8.000 bis 12.000 Quadratmetern, für den einer weiterführenden Schule mit 15.000 bis 20.000 Quadratmetern. Grundschulen sollen sich gemäß dem Motto »Kurze Beine, kurze Wege« in Wohnortnähe befinden. Für weiterführende Schulen gilt eine gute Nahverkehrsanbindung als Maßgabe. Außerdem sollten alle Schulformen gleichmäßig über das Stadtgebiet verteilt sein.

Noch vor dem Strategiepapier stellten Felthaus und Baubürgermeister Thomas Dienberg das Projekt vor, dass Garagenhöfe auf städtischem Grund dem Schulbau weichen müssen. Davon sind aktuell von 226 Höfen mit 11.500 Garagenplätzen 18 Höfe mit 2.397 Garagen betroffen.

Eine ambitionierte Schul-und Kitabaustrategie

Das im Sommer vorgelegte Strategiepapier soll die »Planungsgrundlage für benötigte Organisationsstrukturen schaffen«. Die Aufgaben sind immens. »Die ambitionierte Schul- und Kitabaustrategie« (Jung) sieht bis 2030 neben 25 Schulneubauten ungefähr 10 Schulerweiterungsbauten, 25 Sporthallen-Neubauten und rund 10 Sanierungen vor. Das bedeutet jährliche Ausgaben von über 200 Millionen Euro.

Für das städtische Gebäudemanagement, das derzeit unter akutem Personalmangel leidet, bedeutet dies, dass 80 Prozent seiner Leistung an den Schul- und Kitabau neben Sportplätzen und Turnhallen sowie Einrichtungen für Hilfe zur Erziehung gebunden sind. Das bedeutet allerdings auch – so war bei der Pressekonferenz zu hören –, dass der Umbau des Bowlingcenters zum Naturkundemuseum, der keine Pflichtaufgabe darstellt, wohl verschoben werden muss. Unter dem Aspekt ist der Vorschlag des Sportmuseums, Räume in einem Schulneubau beziehen zu wollen, wahrscheinlich eine realistischere Option für dessen Wiedereröffnung.

Was verspricht sich die Stadt von der Strategie? Komplexe Sanierungsmaßnahmen, keine Dauerbaustellen mehr an Schulen und große Baumaßnahmen nur bei Auslagerung des Schulbetriebs in andere Gebäude – etwa in Modulschulen. Das bedeutet für Paunsdorf ganz konkret: 2024 entsteht ein Ausweichquartier in Modulbauweise. Dort findet von 2025 bis 2028 der Unterricht der Oberschule statt. Für den Fachunterricht nutzt die Schule die bis 2023/24 sanierte Oberschule in der Hainbuchenstraße. Von 2028 bis 2031 nutzt die Grundschule Gebrüder Grimm die Modulschule und von 2031 bis 2033 die Grundschule Theodor Körner. Danach entsteht auf dem Gelände eine Sporthalle.

Dazu kommt noch die energetische Modernisierung des Gebäudebestandes, der »im Wesentlichen« in zehn Jahren abgeschlossen sein soll und im Rahmen der kommunalen Energie- und Klimaschutzbemühungen stattfindet.

Der Anspruch des Oberbürgermeisters in die neuen Gebäude ist groß – sie sollen 150 Jahre genutzt werden können. Jung vergleicht die aktuelle Situation mit der Gründerzeit, also den Jahren von 1870 bist 1914, in denen auch in Leipzig riesige Kästen der Bezirksschulen entstanden.

Bildungskathedralen der Gründerzeit

Die Schulen der Gründerzeit stellen bis heute repräsentative Monumentalbauten dar: Sie verfügen über identische Grundrisse und sind sogenannte Flurschulen – vom Flur gehen die Klassenzimmer ab. Die sanitären Anlagen befanden sich ursprünglich auf dem Hof. Die Stadtbauräte zeichneten sich zu der Zeit für die Bauten zuständig. Otto Wilhelm Scharenberg, der diese Funktion von 1898 bis 1915 innehatte, entwarf unter anderem 1908 bis 1910 die II. Städtische Höhere Schule für Mädchen (seit 1927 Gaußigschule) in der Gohliser Lumumbastraße, die heute ein Wohnhaus ist, sowie die städtische Oberrealschule am Nordplatz. Türme bestimmen diese Bauten, die damit wie Bildungskathedralen wirken. Bei der V. Realschule (Humboldtschule) in der Reudnitzer Möbiusstraße fallen vor allem die großen Ziergiebel auf, die so kontrastreich zur modernen Wohnumgebung stehen. Sie sind den im 16. Jahrhundert errichteten Fleischbänken in der Innenstadt nicht nur nachgebildet, sondern fanden nach deren Abriss zugunsten des Neubaus vom Mustermessehaus Handelshof Eingang in den Schulneubau.

Schustertyp und Typ Leipzig

In den 1920er-Jahren rückten mit dem Neuen Bauen vier Maximen für den Schulbau in den Vordergrund: 1. Licht und Luft, 2. Hygiene, 3. Schaubarkeit für Schüler und Lehrer sowie 4. ansprechende Gestaltung. Der sogenannte Schustertyp – entwickelt vom österreichischen Architekten und Möbeldesigner Franz Schuster (1892-1972) – verzichtet dabei ganz auf Flure. Stattdessen gibt es über das Treppenhaus einen direkten Zugang zu den Klassenzimmern. Die wiederum sind so eingerichtet, dass eine zweiseitige Belüftung und Belichtung möglich ist. Das Neue Bauen führte auch in Leipzig zu fünf modernen Schulbauten des sogenannten Leipziger Schultyps. Im Gegensatz zu den Gründerzeitkästen gibt es in ihnen mehr Licht und Luft, Dachterrassen und große Sporthallen. Stadtbaurat Hubert Ritter entwarf 1928/29 das heutige Gymnasium am Palmengarten (damals die IV. Höhere Mädchenschule) ebenso wie die 31. Volksschule in der Crednerstraße (heute Berufliches Schulzentrum 1) und die 55. Volksschule in der Ratzelstraße (heute Oberschule).

Der Schustertyp kommt auch in der DDR zum Einsatz. So etwa in der 1969 eröffneten heutigen 120. Grundschule (damals Polytechnische Oberschule Kurt Kresse) in der Martin-Hermann-Straße 1 (Großzschocher). Hier findet sich noch der Originalzustand im Außenbereich ohne Wärmedämmplatten und neuer Farbigkeit. An der Straßenseite des Haupteingangs gestaltete Max Gerhard Uhlig ein Mosaik über die gesamte Höhe. Mit der Jahreszahl 1949 thematisieren die Figuren die DDR-Gründung. Auf der Fassade ist heute nur noch die Fehlstelle zu sehen. »Aufgrund der nicht mehr vorhandenen Tragfähigkeit der Mosaik-Steine, mussten diese aus Sicherheitsgründen entfernt werden. Denkmalschutz besteht nicht«, antwortet die Stadt auf die kreuzer-Anfrage. Eine Komplettsanierung der Schule ist vorgesehen – dann werde geprüft, ob die historische Wandgestaltung wieder übernommen wird. Dass die Schule in Großzschocher nicht unter Denkmalschutz steht, verwundert etwas, weil dieser Schulbautyp nicht nur für die DDR-Moderne steht, sondern durch die Anleihen auch fürs Neue Bauen der Vorkriegszeit, das auch in der BRD Schulbauten ihre Gestalt gab.

Im Jahr der Schuleröffnung in Großzschocher war auf der Bezirkskunstausstellung der Schultyp Leipzig vom Wohnungsbau- und Gesellschaftsbaukombinat unter der Leitung der Architekten Heinz Rauschenbach, Karl Souradny und Dieter Matthes ausgestellt. In allen Bezirken der DDR entwickelten die Baukombinate seit 1970 unterschiedliche Schultypen. Sie unterschieden sich in der Konstruktionsweise, Baugestalt und Grundrissorganisation der Plattenbauten. Bis 1990 entstehen so fast die Hälfte der Schulbauten in der DDR, in Leipzig über 60.

Der Schultyp wurde ursprünglich für ein- bis zweizügige Polytechnische Oberschulen von der 1. bis zur 10. Klasse entwickelt. 1972 kam zum Entwurf ein drittes Treppenhaus hinzu. Auffällig dabei sind die Unterschiede in der räumlichen Gestaltung von Unter- (Klasse 1 bis 4) und Oberstufe (5. bis 10. Klasse). Bereits der Eingang der Unterstufe lag an der entgegensetzten Front zum Haupteingang für die größeren Schülerinnen und Schüler. Zudem kam das Schusterprinzip bei den Jüngsten zum Einsatz: die Unterstufen-Klassenzimmer gingen direkt vom Treppenhaus ab, um eine einfache Orientierung zu garantieren. Die Räume besaßen zudem beidseitige Fensterfronten. Die Klassenzimmer der älteren Schüler waren im Mittelteil der Schule über einen Gang erreichbar. Dieser lag gen Norden ausgerichtet und war mit einem Fensterband versehen.

Bei den neu entstandenen Plattenbauten wurde der Bereich über den Haupteingängen von bildenden Künstlerinnen und Künstlern gestaltet – was nach den Sanierungen seit den 90er-Jahren kaum noch zu sehen ist: In der Mockauer Komarowstraße 2 grüßt an der 66. Grundschule ein in die Höhe strebender Kosmonaut von der Wand. Der Titel der Arbeit von Karl-Heinz Schmidt aus dem Jahr 1977 lautet »Entwicklung des Flugwesens«. Sie besteht aus Industrieemail auf Stahlblech und wurde bei der Komplettsanierung restauriert. Andere Varianten wie etwa die von den Leipziger Künstlern Arnd Schultheiß und Gerd Pötzschig entwickelte farbige Bekieselung in geometrischen Formen für die dekorative Gestaltung des Eingangsbereichs, die bereits bei der Fertigung im Plattenwerk ausgeführt wurde, ist noch vereinzelt an unsanierten Plattenbauschulen zu sehen.

Aber es kam nicht nur der Schultyp Leipzig in der Messestadt zum Einsatz: So war die Erweiterte Oberschule Karl Marx (nach 1990 Friedrich-List-Gymnasium, Abriss nach Leerstand 2011, heute Standort des Neubaus der Erich-Kästner-Grundschule) in der Erfurter Straße im Typ Erfurt errichtet, der wiederum durchgängig nach dem Schusterprinzip gebaut war und so auch der 120. Grundschule glich.

Schulverkauf und -neubau nach 1990

Mit dem Schuljahr 1992/93 wird auch in Leipzig das aus Westdeutschland stammende dreigliedrige Schulsystem eingeführt (siehe Infokasten). Die Stadt ist zu diesem Zeitpunkt als Träger für 172 Schulen zuständig. An den Schulgebäuden ändert sich nicht viel – aber die Schulnamen werden zum großen Teil abgelegt. Einige Schulgebäude werden verkauft und umgenutzt – etwa als Wohnraum. Auf die Frage, wie viele Schulgebäude die Stadt nach 1990 zu welchem Preis verkaufte, kann die Stadt keine Auskunft geben, da dies nicht gesondert vermerkt sei. Der erste Schulneubau ist das 1997 eröffnete dreizügige Gustav-Hertz-Gymnasium in Paunsdorf – Kosten: rund 28 Millionen DM.

Der Umgang mit den DDR-Plattenbauten gestaltet sich unterschiedlich: An der 1974 als Polytechnische Oberschule Richard Sorge eröffneten heutigen Astrid-Lindgren-Schule in der Volksgartenstraße gibt es wie an manch anderer Schule einen immensen Sanierungsstau.

Bisher wurde lediglich der Turnhallenboden repariert sowie 2018 eine Jungen-Toilettenanlage, ein Klassen- und der Speiseraum – ein Stadtratsbeschluss aus dem vergangenen November gibt grünes Licht für eine grundlegende Sanierung des Gebäudes.

Tim Koschinsky und Paale Siebert vom Stadt-Schülerrat (SSR) erklären gegenüber dem kreuzer: »Die derzeitige Ausstattungs- und Gebäudesituation ist an einigen Leipziger Schulen immer noch sehr ausbaufähig. Häufig zur Sprache kam die teils sehr schlechten Sanitäranlage. Diesbezüglich wurde uns auch berichtet, dass viele Schülerinnen und Schüler aufgrund Verschmutzung und teils fehlenden Wassers auf eine Benutzung dieser verzichten würden.«

Aber es sind nicht nur die Toiletten, die in der Kritik des SSR stehen – sondern auch fehlender Platz, »zu kleine Sporthallen, defekte Heizkörper und sonstige bauliche Mängel wie Löcher in den Wänden oder allgemein alte Schulgebäude«. Der Schülerrat kritisiert zudem undichte Dächer in den Schulgebäuden, die Schäden bei Lehrmitteln verursachen. Der Kreiselternrat mahnt ebenso dringende Sanierungen und nennt dabei die Schule Connewitz in der Zwenkauer Straße.

Das Hortgebäude der Wilhelm-Wander-Grundschule am Neustädter Markt wird derzeit von einem grünen Netz verkleidet (siehe Titelbild). Die Schule wurde 1878 als 18. Bezirksschule erbaut. Seit 1992 ist es eine Grundschule, die 1994 und von 2012 bis 2014 saniert wurde. Für den eingenetzten Hort soll es im nächsten Jahr eine Planung geben – die Fertigstellung des Gebäudes ist zum Schuljahr 2028/29 vorgesehen.

Neubauten der Stadt

Im Sommer wurde der Grundstein für den Campus Dösner Weg gelegt. Hierbei handelt es sich um ein Pilotprojekt in vielerlei Hinsicht – und das »Wunschprojekt« des OBM, wie Jung beim ersten Spatenstich erklärte. Erst der Volksentscheid und die Änderung des sächsischen Schulgesetzes 2020 ermöglichte diesen Gesamtschulbau. Er wird auch andere Besonderheiten aufweisen wie etwa bewegliche Raumcluster für Lernhäuser. Zuerst soll im Herbst 2024 der Sportkomplex in Passivhausweise fertig sein. Hier führt auch für die Nachbarschaft eine große Freitreppe zum Dach mit Bolzplatz, Basketballfeld, Calisthenics-Anlage und einer Laufbahn. Laut Plan eröffnet die Schule 2026. Diese Innovation in der Leipziger Schullandschaft hat auch ihren Preis: 84 Millionen Euro kostet die Schule, 24 Millionen die Sportanlage, die sich aber eben auch der Anwohnerschaft und Breitensport öffnet.

Schon etwas mehr Form nimmt die ehemalige Hermann-Liebmann-Schule – jetzt Quartiersschule – in der Ihmelsstraße/Ecke Wurzner Straße an, auch wenn sie aktuell noch eine große Baustelle ist. Das historische Schulgebäude glänzt in sandsteinfarbener Fassade. Vom Giebel grüßt in grüner Farbe und geschwungener Form das Entstehungsjahr 1907. Schlichte Kastenbauten sind um den Bestandsbau angeordnet. Die riesige Turnhalle (zwei gestapelte 3-Feld-Hallen) hält sich im Hintergrund zurück. Der Landschaftsbau wurde in Teilen schon abgeschlossen. Im August 2023 ist die Einweihung vorgesehen. Dann finden sich auf dem Gelände Oberschule und Gymnasium. Von den geplanten 79 Millionen Euro stiegen die Ausgaben bisher auf fast 89 Millionen Euro.

Ebenfalls sehr sportlich geht es an der Prager Spitze zu. Hier zwischen Prager Straße und Philipp-Rosenthal-Straße wurde Ende Mai der Grundstein im Rahmen des Sofort-Schulen-Programms gelegt. In zwanzig Monaten – zum Schuljahr 2023/24 – soll das Gymnasium für 1.400 Schülerinnen und Schüler nach den Plänen von Schulz und Schulz mit dem Lernbetrieb starten. Besonders an dem Bau ist die erste paraolympische Vereins- und Wettkampfstätte der Stadt und die Barrierefreiheit im gesamten Gebäude. Schulz und Schulz erhielten erst vor ein paar Monaten eine lobende Erwähnung beim Architekturpreis der Stadt Leipzig 2021 für die Grundschule am Addis-Abeba-Platz. In ihr befindet sich ein großes Atrium mit einer Theatertreppe für Aufführungen. Es ersetzt so die traditionelle Aula. Glastüren gewähren Einblicke in die Klassenräume. Zur Innenausstattung gehören WLAN und interaktive Tafeln. Die Gesamtkosten betrugen 22 Millionen Euro. Mit den Klinkern in der äußeren Gestalt erinnern das Gebäude an historische Vorbilder wie die ehemaligen Bezirksschulen. Doch im Gegensatz zur Gründerzeitarchitektur öffnet die breite Fensterfront die Schule mit bodentiefen Fenstern zur Straßenseite. Die Schule hebt Burkhard Jung als besonders gelungenen Bau ebenso wie das Gymnasium am Palmengarten hervor, das nach der Sanierung im Wert von über 30 Millionen allein durch seinen Standort im Grünen und am Wasser eine sehr privilegierte Stellung einnimmt. Interessant ist dort auch der Umgang mit der Geschichte: Nach 1945 war hier das Pädagogische Institut, später die Pädagogische Hochschule Clara Zetkin untergebracht. Zetkins-Büste befand sich bis zum Umbau im äußeren Eingangsbereich der Schule. Heute steht sie im eingezäunten, hinteren Hof. Weder ein Verweis auf die Geschichte des Hauses noch auf Zetkin befinden sich auf der Homepage der Schule.

Leipzig kauft ein schlüsselfertiges Gymnasium

Einen anderen Weg im Schulneubau geht die Stadt, indem sie den Bau in Auftrag gibt, weil die eigenen Ressourcen nicht ausreichen. Bei der Oberschule am Barnet-Licht-Platz übergab die Kommune die Aufgabe an ein Privatunternehmen, das die Pläne und Vorgaben sowohl zeitlich als auch finanziell einhielt.

Nach dem Investorenmodell folgt der Bau eines fünfzügigen Gymnasiums für mehr als 1.300 Schülerinnen und Schüler auf dem Gelände des Löwitz-Quartiers, westlich des Hauptbahnhofs. Der Grundstein wurde Ende April gelegt. Die Hamburger Otto Wulff GmbH zeichnet für die Schule sowie eine Dreifeld-Turnhalle und einen Sportplatz verantwortlich. Der Kaufvertrag zwischen Firma und Stadt verzeichnet 76 Millionen Euro. »Dafür bekommt die Stadt Leipzig von uns ein komplett schlüsselfertiges Gymnasium übergeben. Inklusive Schulhof, 3-Feld-Sporthalle und komplett ausgestatteter Fachräume. Sogar Tische und Stühle sind im Kaufpreis inbegriffen.«, erklärt Geschäftsführer Marc Hoischen. Für Finanzbürgermeister Torsten Bonew war es vor allem wichtig, dass die Stadt sowohl Eigentümer der Schule als auch des Grundstücks sein wird. Der Schulhof stellt gleichzeitig auch den Quartiers-Park dar. Zum Schuljahr 2024/25 soll das Gymnasium öffnen, das seinen Strom aus einer eigenen Photovoltaik-Anlage bezieht, die auf den begrünten Flachdächern entsteht.

Und um auf das Strategiepapier 2036 zurückzukommen: Sowohl der Stadt-Schüler- als auch der Kreiselternrat sehen darin ein gutes Zeichen. Nancy Hochstein, Vorsitzende des Kreiselternrates, erklärt gegenüber dem kreuzer: »Wir begrüßen die enormen Anstrengungen, die seitens der Stadt Leipzig unternommen werden, um den knappen Schulplätzen und teils maroden Schulgebäuden zu begegnen.« Beide betonen die Nachhaltigkeit beim Bau und die Zusammenarbeit mit der Stadt in den unterschiedlichen Gremien. So muss nun der Stadtrat entscheiden, inwieweit Leipzig mit innovativen Bauten die Orte der Schulpflicht und die Stadträume gestaltet. Kritik am Strategiepapier meldete bereits CDU-Politiker und Leiter des Fachausschusses für Jugend, Schule und Demokratie Karsten Albrecht an, dem Architekturwettbewerbe zu lange dauern.

BRITT SCHLEHAHN

FOTO: CHRISTIANE GUNDLACH


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