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Stadtleben

Eine Formalie in Leipzig

Das Erich-Zeigner-Haus verklagt die Sächsische Aufbaubank

  Eine Formalie in Leipzig | Das Erich-Zeigner-Haus verklagt die Sächsische Aufbaubank

Weil ein Anhang im Antrag fehlte, entzog die Sächsische Aufbaubank dem Erich-Zeigner-Haus die finanzielle Förderung. Der Verein geht nun juristisch gegen dagegen vor.

»Von jeder Seite wurde uns eine tolle Arbeit attestiert«, sagt Henry Lewkowitz, Geschäftsführer und zweiter Vorsitzender des Vereins Erich-Zeigner-Haus in Leipzig. Und doch kam in diesem Jahr die böse Überraschung: Dem Verein, der sich seit Jahren gegen Rechtsextremismus engagiert, wird finanziell »der Stecker gezogen«, er ist bei der Förderung aus dem Landesprogramm Weltoffenes Sachsen abgelehnt worden (siehe kreuzer 08/22). Der Grund: Beim Antrag des Vereins habe ein Anhang gefehlt. Lewkowitz und Raimund Grafe, Vorstandsvorsitzender und Mitbegründer des Erich-Zeigner-Hauses, sind entsetzt – nicht so sehr darüber, dass dieser »Bürofehler« passiert ist, sondern darüber, wie die Sächsische Aufbaubank (SAB), die für die Förderungsbewilligung zuständig ist, mit Vereinen wie ihrem umgeht. Nun wagen Lewkowitz und Grafe einen mutigen Schritt: Sie verklagen die SAB wegen fehlerhaften Verwaltungshandelns.

Seit 16 Jahren wird sich im ehemaligen Haus und Arbeitsort des Namensgebers Erich Zeigner für Demokratie und Zivilcourage engagiert. Dank der Fördermittel konnte der Verein wichtige Strukturen im Kampf gegen rechts aufbauen, vor allem in ländlichen Regionen: »Um den Leuten ihre Arbeit zu ermöglichen, gibt es dieses Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit. Damit Demokratiearbeit in der Fläche stattfinden kann – und das muss man ein bisschen finanzieren«, sagt Grafe. Der Verein ist in acht sächsischen Städten aktiv und kümmert sich um die Betreuung von etwa 120 Schülerinnen und Schülern, für politische Bildung und über das ganze Kalenderjahr hinweg. »Wir sind hier im Ehrenamt«, sagt Grafe. »Die Bank tut so, als ob wir eine Verwaltungsabteilung hätten. Fehler kommen vor, und es ist unserer Meinung nach umso mehr Aufgabe einer staatlichen Institution, insbesondere einer Bank, uns unter die Arme zu greifen.«

Das Programm Weltoffenes Sachsen gibt es seit 2005. Verantwortlich ist das Sächsische Sozialministerium, doch die SAB übernimmt die Bewilligung und Ablehnung der eingehenden Projektbewerbungen. Im letzten Jahr wurden 103 Anträge mit einem Gesamtvolumen von 9,5 Millionen Euro bei der SAB eingereicht, 39 davon Folgeanträge für bereits laufende Projekte. Insgesamt wurden 77 Projekte für die Förderung ausgewählt – das Zeigner-Haus war nicht dabei. »Leider ist es so, dass die für das Förderprogramm Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz (WOS) zur Verfügung stehenden Fördermittel regelmäßig nicht ausreichen, um alle eingegangenen Anträge zu bewilligen«, teilte die SAB auf kreuzer-Anfrage mit. Deswegen finde ein Auswahlverfahren statt. Aus welchen Gründen der aktuelle Fördermittelantrag des Vereins Erich-Zeigner-Haus abgelehnt wurde und ob inhaltliche Kriterien dabei eine Rolle spielten, will die SAB nicht beantworten.

Warum die Bank überhaupt als Bewilligungsstelle für das Förderprogramm dient, können Lewkowitz und Grafe nicht verstehen. Sie sagen: »Die inhaltliche Kompetenz ist selten in einer Bank anzutreffen, sondern eher im Ministerium.« Bei der Fördersäule des Programms Weltoffenes Sachsen, die die Arbeit ihres Vereins betrifft, habe das Ministerium gar kein Mitspracherecht. »Wir haben das grundsätzliche Problem, dass hier Bänker über Inhalte der Demokratieförderung entscheiden«, so Lewkowitz. Für ihn und Grafe kam der Ablehnungsbescheid überraschend: Sachsen hat im November 2021 ein Gesamtkonzept gegen Rechtsextremismus verabschiedet. Im Erich-Zeigner-Haus fragt man sich, ob die politische Leitlinie durch das Verwaltungshandeln der Bank überhaupt antizipiert worden ist.

Wie kommentiert das Sozialministerium die Entscheidung der SAB, das Zeigner-Haus abzulehnen? Gar nicht, heißt es auf Anfrage. »Es ist aber zu bemerken, dass kein Anrecht auf Förderung besteht«, teilte eine Sprecherin mit. Auch zur Klage gegen die SAB will man sich nicht äußern. Man sei bemüht, die Antragsverfahren so einfach und unbürokratisch wie möglich zu gestalten, gerade durch die Richtlinie Weltoffenes Sachsen seien mehrjährige Projektzeiträume und Pauschalisierungen ermöglicht worden.

Im Erich-Zeigner-Haus hat die fehlende Förderung währenddessen bereits spürbare Effekte: Alle Projekte im Landkreis mussten ausfallen, zwei Mitarbeitende mussten entlassen werden. »Strukturen brechen weg, anstatt dass sie sich verstetigen. Das ist doch absolut widersinnig«, sagt Grafe. »Und wir sind nicht die Einzigen, die das so erleben.« Mit anderen Vereinen, denen die Förderung nach vielen Jahren nicht mehr zugesprochen wurde, sei ein offener Brief an die politischen Verantwortlichen im Gespräch. Das Erich-Zeigner-Haus bewirbt sich derzeit auf allen Ebenen von Stadt bis Bund um alternative Geldquellen. Aufgeben ist nicht angesagt, stattdessen habe man das Konzept noch erweitert: In noch mehr Städten, in noch mehr Landkreisen und mit einem breiteren inhaltlichen Portfolio soll es weitergehen. Und die Klage gegen die SAB läuft.

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