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Offene Fragen

Ausstellung beleuchtet NS-»Euthanasie« in Altscherbitz

  Offene Fragen | Ausstellung beleuchtet NS-»Euthanasie« in Altscherbitz

Das Erich-Zeigner-Haus stellt noch bis Ende September zum Thema »Opfer, Täter*innen und offene Fragen. Grauzonen der Erinnerung an die NS-›Euthanasie‹ in Altscherbitz« aus.

Charlotte Maria Rohde, geboren 1894 in Leipzig-Gohlis, arbeitete in einem Büro bis zu ihrer Einweisung am 6. Januar 1928 in die Nervenklinik der Universität Leipzig. Die Diagnose lautete Schizophrenie und Suizidgedanken. Wenige Wochen später wurde sie in die Landesheil- und Pflegeanstalt Leipzig-Dösen überwiesen und ein Jahr später in die Landesheilanstalt Nietleben (Halle/Saale). Nach deren Räumung kam sie im Mai 1935 in die Landesheilanstalt Altscherbitz (Schkeuditz). Am 14. Oktober 1940 verstarb sie dort »infolge körperlicher Erschöpfung«. Ein Foto aus der Patientenakte zeigt eine junge Frau. Die aus der Akte rekonstruierte Anstaltsbiografie von Charlotte Rohde gehört zur Ausstellung »Opfer, Täter*innen und offene Fragen. Grauzonen der Erinnerung an die NS-›Euthanasie‹ in Altscherbitz«, die das Erich-Zeigner-Haus bis zum 30. September zeigt. Sie bildet einen Teil des Projektes mit der Oberschule und dem Gymnasium in Schkeuditz, um einen neuen Erinnerungsort auf dem alten Friedhof in Altscherbitz im nächsten Jahr entstehen zu lassen. Im Rahmen dessen sollen eine Stolperschwelle sowie eine Informationstafel zur Erinnerung an die Euthanasie-Opfer geschaffen werden.

1876 wurde die »Provinzial Irren Anstalt Rittergut Alt Scherbitz«, die spätere Landesheilanstalt Altscherbitz, gegründet. Sie galt unter dem von 1880 bis 1922 amtierenden Direktor Albrecht Paetz als innovativ, da weder Gitter noch geschlossene Türen existierten. Den Patientinnen und Patienten standen Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung wie Korbflechten oder die Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen.

Am 14. Juli 1933 verabschiedeten die Nationalsozialisten das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses und bereits bis Mitte Juli 1933 wurden sieben Frauen aus der Landesheilanstalt zur Zwangssterilisation in das Hallenser Diakonissenhaus eingeliefert. Mit Kriegsbeginn im September 1939 wurde die Verpflegung um zehn Prozent reduziert und später immer mehr eingestellt.

Bei der Aktion T4 – der systematischen Tötung von Menschen mit seelischen, körperlichen und geistigen Behinderungen – stellte Altscherbitz ab 1940 eine Zwischenanstalt dar, in der sich Patientinnen und Patienten aus Anstalten in Thüringen, der Provinz Sachsen und des Landes Anhalt über einen gewissen Zeitraum bis zum Transport in die Tötungsanstalt aufhielten. Diese Einrichtung stellte ein Mittel dar, um den Weg zu verschleiern und so auch die Familien im Ungewissen zu lassen. Am 1. Juni 1940 startete der erste Transport mit 70 Personen nach Brandenburg an der Havel. Dort, mitten in der Stadt, auf dem Gelände des ehemaligen Armen- und später Zuchthauses, nach 1933 KZ und bis 1939 Gefängnis, befand sich eine Tötungsanstalt, in der von Februar bis Oktober 1940 insgesamt 9.000 Menschen in Gaskammern ermordet wurden. Nach der Schließung in Brandenburg wurden fast 2.000 Patienten bis Sommer 1941 in der Gaskammer von Bernburg getötet. Andere Formen der sogenannten »stillen Euthanasie« stellten Hunger oder falsche beziehungsweise fehlende Medikamente dar.

Die Ausstellung zeigt nicht nur die Geschichte der Anstalt sowie die Ansätze, die hinter dem Vernichtungsprogramm standen, sondern ebenso Biografien von Täterinnen und Tätern. Die Biografien von Opfern verweisen auf die vielen noch offenen Fragen, zur Beurteilung von Sterbedaten sowie -orten und Falschdiagnosen, um die wahre Todesursache zu verschleiern.

 »Opfer, Täter*innen und offene Fragen. Grauzonen der Erinnerung an die NS-›Euthanasie‹ in Altscherbitz«, Erich-Zeigner-Haus, bis 30. September

Besucheranmeldung unter kontakt@erich-zeigner-haus-ev.de

Am 15. September findet im Schkeuditzer Kulturhaus Sonne eine Podiumsdiskussion zum zukünftigen Erinnerungsort statt.

Foto: Erich-Zeigner-Haus


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