Von arbeitenden Frauen bei Monica Ross bis Erde aus dem Karl-Heine-Kanal: Die Spinnerei präsentiert einige neue Ausstellungen.
Arbeit
Eine Frau mit Kittelschürze und Kopftuch hantiert mit Baumwolle in einer alten Fabrikhalle. Die Umgebung sieht genauso aus wie in der Halle 14, in der jetzt ein übergroßes Foto von dieser Frau hängt. Bei der Frau handelt es sich um die englische Künstlerin Monica Ross (1950-2013). Der Titel der Ausstellung »Ghost in the Spinning Mill« stammt von der gleichnamigen Performance, die sie 1985 in Rochdale gemeinsam mit den Künstlerinnen Shirley Cameron und Evelyn Silver aufführte. Mit ihnen organisierte sie auch die Performance »Monument to Working Women«, in der sie auf die zahlreichen Schattenseiten von Denkmälern verwiesen, wie auch darauf, welche Rolle weibliche Erwerbsarbeit in der Phase der Industrialisierung einnahm. Damals bedeutet der Einsatz von Frauen in Fabriken die direkte Konkurrenz zum besser bezahlten Arbeiter.
Die Halle 14 zeigt erstmals in Deutschland einen Überblick über die Arbeiten von Monica Ross und berührt dabei zugleich einige heute oft diskutierte Themen im Kunstfeld. Dazu gehört etwa auch die Frage: Wie lassen sich Performances archivieren, ausstellen und vermitteln? Für Kurator Michael Arzt stellt das eine »besondere Herausforderung« dar, denn die politischen Themen wie Emanzipation, Klima und atomare Aufrüstung, die Ross behandelte, stehen unserer Zeit immer noch sehr nah. So beschreibt beispielsweise ihr Textbeitrag »Geschichte oder nicht« zu einer Gruppenausstellung von 2000 das Verhältnis von Frauen, Kunst und Gesellschaft, ohne etwas an Aktualität verloren zu haben. Denn wer heute wieder einmal Versuche unternimmt, Denkmäler zu stürmen oder gleichberechtigte Geschichtenschreibung zu deklinieren, sollte einen Blick auf bereits existierende, historische Arbeiten nicht vergessen. Ein Umstand, der nach dem Besuch der Ausstellung sicherlich noch viel mehr auffallen wird.
Bis zum 18. Dezember, www.halle14.org
Träume
Traumbilder exakt in gleichgroße viereckige Flächen auf einer großen Leinwand aufgeteilt zeigen Arbeiten von Paule Hammer bei Thaler Originalgrafik. Die großen Tafeln der Ausstellung »Souvenirs from Brainville« beinhalten Traumaufzeichnungen über jeweils einige Monate.
So wie Hammer seit Jahren an seinen Enzyklopädien arbeitet, die dann in überdimensionalen Wandbildern zu enträtseln sind, gibt es bei Thaler ein Beziehungsbild zu sehen. Darauf erstellte Hammer seinen Beziehungskosmos auf unterschiedlichen Ebenen in den Jahren 2020-22. Ausgehend vom Mittelpunkt Paule führen zahlreiche unterschiedliche farbige Linie entlang der Leinwand. Sie führen und verbinden Vornamen, die auf weißen oder dunklen Kreisen stehen.
Mitten im Galerieraum hängen unterschiedlich große amorphe Formen an Schnüren aus Plastikstreifen von der Decke oder liegen auf dem Boden. Die Berliner Künstlerin Jenny Michel, von der auch Zeichnungen in der Ausstellung zu sehen sind, benennt die Rauminstallation »Leaves of Eden vs. Fleurs du Mal«. Beim zweiten Blick fallen die Drucke auf den aus Japanpapier verkleideten Formen auf. Zu erspähen sind unter anderem Zellstrukturen. So ergibt sich ein komplexes Raum- und Zeichengebilde, dessen Wirkung zwischen Lebendigkeit und Totenstarre liegt.
Bis zum 15. Oktober, https://www.thaler-originalgrafik.de/
Firmament
Zum fünften Mal stellen Absolventinnen und Absolventen der Kunsthochschule Moritzburg Halle ihre Arbeiten im Untergeschoss der Halle 14 aus. Dafür werden die Arbeiten aus einer Jury von Burg-Professorinnen und -Professoren ausgewählt. In diesem Jahr zeigt sich dabei wieder der feine Unterschied zu Leipzig, der sich vor allem im Umgang mit Textilien zeigt. Ebenso zu entdecken gibt es Malerei, Grafik, Fotografie, Skulptur, Installation und Film.
Bis zum 2. Oktober.
Garten
Das Archiv Massiv zeigt in der 44. Ausgabe von der Reihe Bildarchive »Im Halböffentlichen – In the Semipublic« von Knack (Lukas Pfalter und Susanne Hopmann). Der Name der Gruppe Knack bezeichnet das Bodenmaterial, das bei der Ausbaggerung des heutigen Karl-Heine-Kanals geborgen wurde. Es handelt sich um Grauwacke, die dann wiederum zur Austrocknung der Gebiete im Leipziger Westen Verwendung fand, um nach der Idee von Karl Heine einen möglichst hohen Grad an Besiedlung von Industrie und Menschen auf dem ehemaligen Sumpfgebiet zu befördern. Diese Aushubmasse findet sich unter anderem auf dem Gelände der Kleingärten gegenüber der Spinnerei. Hier rekonstruieren Lukas Pfalter und Susanne Hopmann eine historische Laube in den Werksgärten, die zwischen 1907 und 1909 entstanden. Der so entstehende Ort soll auch als Denk- und Arbeitsraum dienen. Die bisherigen Recherchen zu Ort und Geschichten finden sich im Archiv Massiv.
Bis zum 31. November, https://knack-landschaft.de/
Menschen
Neue Bilder von Christoph Ruckhaeberle zeigt die Galerie Kleindienst in der Ausstellung »Das Gläserne Eck«. Auf den Leinwänden erscheinen nackte Männer, zornige Frauen und das alles ganz reizend ohne diese gern der Leipziger Malerei zugeschriebenen steifen Pathos-Geste. Vielmehr reichen die Motive von aus der Fuge geratender Welt bis zu einer bleiernen Zeit – genau das richtige für jetzt.
Bis zum 29. Oktober, https://www.galeriekleindienst.de/
Heim
Tino Geiss zeigt bei The Grass is Greener menschenleere Innenräume aus unterschiedlichen Zeitepochen. Zudem sind Arbeiten aus der Serie »Bouquet« zu sehen. Sie setzt sich aus farbbunten Motiven zusammen, collagiert aus Papierklebeband, die aus dem Arbeitsprozess von anderen Leinwandarbeiten stammen.
Bis zum 29. Oktober, https://www.thegrassisgreener.de
Ausblick
Am Freitag startet das Kunstraumfestival Lindenow im Leipziger Westen. Bis Sonntagabend können an fast 50 Kunstorten von Lindenau, Kleinzschocher über Plagwitz bis nach Leutzsch zeitgenössische Kunstwerke angesehen werden.
Das aktuelle Programm findet sich unter: http://www.lindenow.org/
BRITT SCHLEHAHN