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Stadtleben

Schönes sehen

Das Leipziger Lichtfest 2022

  Schönes sehen | Das Leipziger Lichtfest 2022

Wie jedes Jahr am 9. Oktober findet heute das Lichtfest statt. Die Veranstaltung soll an die Demonstration vom 9. Oktober 1989 erinnern, tut das aber auch in diesem Jahr gewohnt einseitig.

Können wir uns ein Lichtfest leisten?« – Die Frage stellte Burkhard Jung gleich zu Beginn des Pressegesprächs Mitte September zum diesjährigen Lichtfest. Er beantwortete sie selbst: »Gerade jetzt!« Denn Licht stehe ja bekanntermaßen für Hoffnung und Aufklärung. In Leipzig gilt das Teelicht am städtischen Erinnerungstag an die Demonstration vom 9. Oktober 1989 als Symbol der Demokratie, wenn es wieder einmal zur überdimensionalen Kerzen-89 auf dem Nikolaikirchhof aufgestellt wird.

Was die bloßen Kosten jenseits von Wachs betrifft: Von 250.000 Euro Gesamtbudget für das Lichtfest geht ein Prozent für die Stromrechnung drauf. Außerdem habe die Nachhaltigkeit immer schon eine Rolle gespielt – zeitgenössische Beamer beanspruchten nicht mehr viel Energie, so die Aussagen der Veranstalter aus der Leipziger Tourismus und Marketing GmbH.

Wie bereits seit 2020 finden an einigen ausgewählten Orten in der Innenstadt Kunstaktionen am 9. Oktober von 19 bis 23 Uhr statt. Leider werden die über die Jahre hinweg nicht innovativer, das sei schon vorab notiert.

Wenn auf dem Augustusplatz Augenpaare projiziert werden, dreht es sich nicht um Iris-Erkennung als biometrische Erkennungsmethode in der digitalen Kontrollgesellschaft. Die Projektion »Wir sehen uns frei« von Werca Morawiec und Robert Sochacki will vor allem durch die Augenpaare von Leipzigerinnen und Leipzigern auf zweierlei verweisen: »aufmerksam hinzuschauen, Missstände zu erkennen und öffentlich zu machen« sowie die ihrer Meinung nach neue Bedeutung der Familie über Aufnahmen aus Familienalben zu dokumentieren. Soundduschen, die unter anderem von Marek Brandt bestückt werden, sollen »Erinnerungen und Alltagsgeschichten aus der Zeit um 1989« zum Klingen bringen.

Die aus Bayern stammende Künstlerin Betty Mü wird auf dem Burgplatz ein überdimensionales Kaleidoskop – sie nennt es einen »gesellschaftlichen Geburtstunnel« – errichten lassen, um »Das Ich und das Wir« zu bebildern. Ihr geht es »um das Zweifeln des Individuums und die Kraft der Menge«. Der Begriff Kaleidoskop stammt aus dem Griechischen und bedeutet »schöne Formen sehen«. So passt es irgendwie, wenn die Installation auch an die Parole »Wir sind das Volk« erinnern soll und die Künstlerin auf kreuzer-Nachfrage keine tagesaktuellen Bezüge des Slogans in den unterschiedlichen politischen Lagern erkennt.

Bunt wird es auch auf dem Richard-Wagner-Platz, wenn die aus Leipzigs Partnerstadt Lyon stammenden Cart’1 und Matthieu Tercieux digitale Graffiti nach dem Motto »Demokratie braucht Farbe – sprüh mit« auf die Fassaden zaubern. Das nennt sich dann Light-Spray und wurde vorab mit dem Heizhaus produziert. Die Aufforderung »Sprüh mit« sollte nicht so ernst genommen werden. Die digitalen Mittel dafür stehen jeweils nur einer Person zur Verfügung.

■ Lichtfest: 9.10., 19–23 Uhr, Innenstadt


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