Ein Handwerker aus Nordsachsen hat drei Politikerinnen per E-Mail geschrieben, dass sie keine Handwerksleistungen mehr in Anspruch nehmen könnten. Der Grund: Sie hatten gefordert, Sahra Wagenknecht aus der Bundestagsfraktion ihrer Partei auszuschließen. Laut eigenen Aussagen spricht der Mann nicht nur für sich, sondern für viele andere Kollegen.
»… möchte ich Ihnen mitteilen, dass wir – alle Handwerker deutschlandweit, Sie auf dem Schirm haben. Sie werden von uns sanktioniert, keine Arbeiten und Dienstleistungen für Sie und Ihrem Umfeld zu Ihrer Person, auszuführen.«
Was sich skurril anhört, ist kein schlechter Scherz. Ein Handwerker aus Nordsachsen hat E-Mails an Politikerinnen verschickt und sie darüber informiert, dass sie auf einer Sanktionsliste stünden. Sie könnten nun keine Handwerksleistungen mehr in Anspruch nehmen. In einer E-Mail, die dem kreuzer vorliegt, heißt es: »Sie und Ihr Umfeld werden in der Dienstleistungserbringung vom Fachhandwerk schlichtweg ausgeschlossen. Dies betrifft alle Handwerkerschaften.«
Im dem kreuzer bekannten Fall ist der Anlass die Forderung, Sahra Wagenknecht aus der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke auszuschließen. Das hatten drei Politikerinnen aus der Linke gefordert – allen drei schickte der Handwerker entsprechende Schreiben zu. Begründet wird das wie folgt: »Wer versucht, politische Meinungen zu unterdrücken und darauf hinarbeitet, das Land, das wir Handwerker aufgebaut haben, in den Ruin zu stürzen, den erwartet von unseren Innungsverbänden und Handwerksbetrieben harte Sanktionen zu der derzeitigen ideologisch geführten Regierungspolitik.« Dass die drei Politikerinnen einer Oppositionspartei angehören, findet keine Beachtung, und dass die angebliche Sanktionsliste selbst ein Versuch ist, politische Meinungen zu unterdrücken, auch nicht.
Besagter Handwerker – er unterzeichnet mit Klarnamen – meint das ernst, wie er dem kreuzer auf Nachfrage mitteilt. R., wie er hier genannt werden soll, schreibt in einer langen Mail, nur der Überbringer einer kollektiven Entscheidung zu sein. Dahinter stünden viele Handwerker. Man wolle keine Kriege führen oder sich irgendwo einmischen, heißt es. Er schreibt, dass die kriegsbedingte Energie- und Wirtschaftskrise dem Handwerk schade. Darum müsse dieses reagieren.
Auch die Leipziger Linken-Politikerin Juliane Nagel erhielt das Schreiben – sie ist eine der drei Politikerinnen, die Wagenknechts Ausschluss gefordert haben. »Es ist schwierig, die E-Mail einzuschätzen«, sagt das Mitglied des Sächsischen Landtags. »Natürlich beinhaltet sie eine Drohung, klingt aber auch nach Paralleluniversum«, findet sie Sie versteht die Sorgen, sagt die Politikerin, und diese seien sehr berechtigt. Wie auch der Protest gegen die Energiepolitik. »Aber dieser muss sich abgrenzen zu radikal rechten Manifestationen«, sagt Nagel. »Mich würde das ängstigen, wenn das die Grundstimmung im Handwerk ist, mit solchen Einschüchterungen vorzugehen«, sagt sie. »Daraus sprechen ja Allmachtsfantasien.«
Dieser Selbstermächtigung zum Ahnden scheint sich Handwerker R. bewusst zu sein, der die Schreiben unter anderem mit »Die Wirtschaftsmacht von nebenan« zeichnet. Ein Einzelfall? Bei der zuständigen Handwerkskammer war trotz mehrerer Kontaktversuche niemand erreichbar. Beim Zentralverband des Deutschen Handwerks weiß man nichts von einem Zusammenschluss von Handwerkern, die eine Sanktionsliste erstellt hätten. Und lehnt ein solches Vorgehen selbstverständlich ab – zitiert werden will die Pressestelle allerdings nicht. »Wirtschaftsmacht von nebenan« lautet die Markenbotschaft, des Zentralverbands. Dieser hatte zuletzt selbst mit einer Kampagne heftige Kritik ausgelöst, weil diese als polarisierend und empfunden wurde. Die Kampagne enthielt den Slogan »Unsere Kinder lernen, mit dem Kopf zu arbeiten. Mit den Händen arbeiten sollen dann andere« und: »Was spricht gegen Handwerk? Meine Akademikereltern.«