Mit dem Beschluss des Energie- und Klimaschutzprogramms (EKSP) hat der Stadtrat eine Weichenstellung für ein klimaneutrales Leipzig unternommen. Im nächsten Doppelhaushalt stehen dadurch die ersten Maßnahmen ins Haus. Ein Blick in das EKSP 2030 und das konkrete Umsetzungsprogramm für 2023/24.
In der Ratsversammlung am 13. Oktober wurde das Energie- und Klimaschutzprogramm (EKSP) mit seinen Änderungsanträgen mehrheitlich angenommen. Ziel des Programms ist ein klimaneutrales Leipzig bis zum Jahr 2030. Anstoßpunkt war der wegweisende Beschluss zum Klimanotstand von 2019: Der Stadtrat hatte sich zum nachhaltigen Klimaschutz verpflichtet. Neben Sofortmaßnahmen bekannte man sich zum Fahrplan für ein klimaneutrales Leipzig bis 2030. Das ausgearbeitete Programm wurde den Fraktionen im August vorgelegt, über die Sommerpause konnten die Parteien Änderungsvorschläge formulieren. In der Sitzung vom 13. Oktober ging es dann um die Abstimmung über 13 verschiedene Änderungsanträge, die zum Teil schon im Verwaltungsstandpunkt aufgenommen worden waren. In der mitunter illustren Debatte, über die der kreuzer (11/2022) berichtete, wurden die verbliebenen (finanzierbaren) Anträge angenommen und das EKSP beschlossen.
Dabei wurde schon in der Präambel des Umweltbürgermeisters Heiko Rosenthal (Die Linke) klar, dass ein Programm nicht zwangsläufig klare Zielsetzungen für die Problemstellungen des Klimawandels liefert. Zunächst das klassische Dilemma: Die Finanzierbarkeit hängt wie ein Damoklesschwert über sämtlichen klimapolitischen Maßnahmen. Einen Teil der Änderungsanträge hatte das Umweltdezernat wegen nicht umzusetzender Finanzierbarkeit gestrichen. Dazu kommen die konkreten Zielvorgaben, auf die es beim menschengemachten Klimawandel ankommt. Wichtig ist vor allem der Zeitpunkt, an dem Klimaneutralität erreicht werden soll, sowie das 1,5 Grad-Ziel. Rosenthal etwa gab das Jahr 2040 als realistisches Ziel für die Klimaneutralität an, als Zwischenschritt sollte bis 2030 die Pro-Kopf-Emission an Treibhausgasen auf 1,9 Tonnen gesenkt werden (der Durchschnitt lag 2019 bei 5,3 Tonnen). Die Debatte über solche Fragen in der Ratssitzung wurde dann auch lebhaft, als Jürgen Kasek von den Grünen auf Einwände der Union und AfD einging. Er merkte zynisch an, wenn man das Klimaziel von 1,5 auf 1,75 Grad anhebe, »könne man es auch gleich lassen«. Dass die Anträge von der Linken, SPD und Grünen (und damit mehrheitlich) angenommen wurden, zeigt zumindest, dass die Bereitschaft bei einigen Fraktionen vorhanden ist, aktiv zu handeln.
Das zentrale Programm bündelt die langfristige Strategie der Stadt Leipzig in Bezug auf die Klimaneutralität. Es sieht fast 60 ambitionierte Maßnahmen in sieben Handlungsfeldern bis 2030 vor, das sind Nachhaltige Stadtentwicklung, Kommunale Gebäude und Anlagen, Ver- und Entsorgung, Mobilität, Interne Organisation, Kommunikation und Kooperation sowie Ernährung und Landwirtschaft.
Im ebenfalls vorliegenden Umsetzungsprogramm 2023/24 stehen konkrete Maßnahmen, die im »Rahmen des Doppelhaushaltes 2023/2024 finanziell hinterlegt und zur Umsetzung vorgesehen sind«. Es versteht sich als erste Kostprobe, wie ernst es der Stadt mit dem Thema Klima wirklich ist. Laut Rosenthal sind die Budgets jedenfalls »fest gebucht«.
Die Struktur des Maßnahmenkatalogs des Umsetzungsprogramms ähnelt dem des EKSP. Die zentralen Themen sind Wärme, Energie und Mobilität. Besonderes Augenmerk liegt im Umsetzungsprogramm 2023/24 auf dem polarisierenden Thema Verkehr. Angestrebt wird die Verkehrswende. Baubürgermeister Thomas Dienberg (Grüne) wird dazu auf der Website der Stadt zitiert: »Unsere bundesweite Initiative zu Tempo 30 auf Leipzigs Straßen, wie auch der Ausbau des ÖPNV und des Fahrradnetzes sind dabei wichtige Maßnahmen, die wir in den kommenden zwei Jahren intensiv angehen werden. Es geht darum, eine Flächengerechtigkeit im Verkehr herzustellen und eine nachhaltige Mobilität allen Leipzigerinnen und Leipzigern zu ermöglichen.«
Im Fokus stehen hierbei drei Aspekte: Fußgehende, Radfahrende sowie der öffentliche Nahverkehr. Die Benutzung des Autos soll durch ein verbessertes Angebot an Alternativen reduziert werden. Die Lage der Verkehrsteilnehmenden, die nicht im PKW unterwegs sind, soll sicherer und angenehmer gestaltet werden. Dazu gehören bessere Gehsteige, mehr Fußgängerüberwege, verbesserte Radwege und generell mehr städtische Aufenthaltsorte ohne motorisierten Verkehr. All das mit dem übergeordneten Ziel, die Lebensqualität in den Quartieren zu erhöhen und mehr Teilhabe zu ermöglichen, etwa durch barrierefreie Gehwege.
Radfahrende sollen mehr Berücksichtigung erfahren: vier Radschnellverbindungen sollen geplant, mehr Radabstellmöglichkeiten im öffentlichen Raum geschaffen werden. Im ÖPNV ist der Ausbau des Streckennetzes vorgesehen. Konkret sind drei Planungen und Umsetzungen vorgesehen: Südsehne, S-Bahnhof Wahren, Thekla-Süd. Zudem soll neues Material angeschafft werden und Fahrplan-Takte verdichtet werden. Konkrete Schritte zu mehr sozialer Teilhabe am ÖPNV, etwa durch mehr Zuschüsse für Tickets finden sich nicht. Öffentlicher Nahverkehr muss auch finanziell attraktiver werden. Wie Michael Neuhaus von der Linken am 13. Oktober im Stadtrat festhielt, ist Klimaschutz auch eng mit der sozialen Gerechtigkeit verzahnt.
Die Stadt hat sich im Umsetzungsprogramm 2023/24 einiges vorgenommen. Im Bereich Verkehr zeigt man sich ambitioniert, dessen Umsetzungen jedoch (verglichen mit anderen Aspekten des EKSP) noch relativ kostengünstig sind. Die Implementierung wird spannend. Denn die chronisch finanziell eng geschnürte Stadt wird sich an Umsetzungen aus dem Programm 2023/24 messen lassen müssen. Wie ernst ist es den Verantwortlichen wirklich mit dem EKSP, das Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek als »Zukunftssicherungsprogramm« bezeichnete? Der Weg zur Rettung des Klimas ist weit, teuer und zäh. Aber er lohnt sich.