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Kultur

Peinliche Inszenierungen

Das Museum der bildenden Künste versucht sich in Genderfragen

  Peinliche Inszenierungen | Das Museum der bildenden Künste versucht sich in Genderfragen

Das Museum der bildenden Künste will aktuelle gesellschaftspolitische Themen aufgreifen. Die Ausstellung »Unterm Rock, Reflections on Gender Issues at MdbK« zeugt jedoch von einer Kombination aus fehlendem Wissen und aktionistischer Übergriffigkeit.

»Suchen, Finden, Anfangen« – so lautet das Motto eines Ausstellungsraumes in der zweiten Etage des Museums der bildenden Künste. Hier sollen innerhalb der Präsentationsfläche von Renaissance-Werken »aktuelle gesellschaftspolitische Themen« aufgegriffen werden. Die Arbeitsgruppe »Repräsentation von Frauen* und Geschlechtern in den Sammlungen und Ausstellungen des MdbK« zeigt zum Auftakt »Unterm Rock, Reflections on Gender Issues at MdbK«.

Im Raum selbst gibt es »aktivierende Wandtexte und ausgewählte Literatur«. Außerdem liegen braune Papierknäuel herum. Auf einem weißen Sockel steht ein mit diesen Knäueln befüllter Papierkorb. Der Text auf dem Sockel erklärt: »Wenn dich/Sie diese Verhältnisse wütend machen, kannst du hier den Wutkorb befüllen«. In einem Regal daneben werden »diese Verhältnisse« – etwa »100 % weiß gelesene Personen bisherige Leitung MdbK« – visualisiert, mit Gläsern, gefüllt mit Watte und Glaskugeln.

Im Jahre 2022 stellen sich einige Fragen bei so einer Rauminszenierung: Warum werden gesellschaftspolitische Themen nicht in den Sammlungspräsentationen selbst oder mit Ausstellungen verhandelt? Und warum wirken die Fragestellungen von »Unterm Rock« wie aus den 1980er Jahren gänzlich frei von Männlichkeitsforschung?

Über den Raum hinaus strahlt das Projekt in das Haus: So leuchtet ein pinkfarbener Dildo neben anderen Objekten des queeren Juicy-Shops mit Efeu umrankt auf dunkelrotem Samt in einer Vitrine vor»Quellnymphe am Brunnen« von Lucas Cranach dem Älteren aus dem Jahr 1518. Die Erklärung auf der Vitrine lautet: »Male-gaze & Objektifizierung durchbrechen mit der Ermöglichung eines unabhängigen Lustspiels.« Ganz sicher muss schon seit Jahrzehnten über Blick- und Machtverhältnisse in Museen und Sammlungen nachgedacht werden, aber hier wirkt die Vitrine eher wie eine Ladenreklame.

Mit unterschiedlichen Begriffen beklebte transparente Plastikstühle stehen in den anderen Sammlungsbereichen – so auch in der »Sammlungspräsentation: 20. und 21. Jahrhundert Kunst aus Leipzig«.

Links vom Gemälde »Gruppenporträt Leipziger Künstler« aus dem Jahr 1961 von Harry Blume steht ein Stuhl mit einer Jeans samt Schriftzügen wie »nackt« und »sprachlos«. Auf dem Fußboden sind Schuhe und Socken zu finden. Was will uns das Arrangement nahelegen? Auf dem Bild befindet sich an der linken Seite, von der Staffelei leicht verdeckt, ein nacktes weibliches Modell. Davor stehen bekleidet die Maler Bernhard Heisig, Werner Tübke, Hans Mayer-Foreyt, Heinrich Witz und Harry Blume. Die Inszenierung legt nahe, dass die männliche Blick-Macht auf den weiblichen Körper fixiert ist und diesen sprachlos macht. Das Verschwinden der Nacktheit durch das Anziehen der Kleidungsstücke würde diese Wirkkraft dann aber automatisch verhindern? Wirkt das nicht arg naiv im 21. Jahrhundert? Zudem stellt sich doch auch die Frage nach der Wirkung des männlichen Blicks auf männliche Körper, damit die männliche Hegemonie nicht erschüttert wird. Müsste nicht eine Frage lauten: Warum findet sich kein nackter männlicher Körper auf dem Bild? 

Joachim Uhlitzsch, von 1952 bis 1961 Dozent an der Hochschule für Grafik und Buchkunst, veröffentlichte 1966 »Bildende Kunst auf dem Bitterfelder Weg«. Er erklärte darin, dass der männliche Akt im sozialistischen Realismus keine Relevanz besitze. Seine Begründung lautete, dass er in den Jahren zuvor keinen Männerakt in Malereiausstellungen sah. Wenn Geschlecht als soziale Konstruktion im Museum thematisiert werden soll, dann müssen Ein- und Ausschlüsse umfassend analysiert werden. Es reicht nicht, Impulsen aus der Gegenwart zu folgen und historische Kontexte zu ignorieren. Ein Umstand, der der Museumsarbeit auf keinen Fall im Weg stehen sollte.

Als »liebevolle Annäherung« betitelt, finden sich um das Bild »Frieda G.« von Monika Geilsdorf aus dem Jahr 1977 einige Erklärungen und Bildbesetzungen, die das Original in der Wahrnehmung stark einschränken. Zu sehen ist eine mürrisch schauende Frau in Kittelschürze mit verschränkten Armen. Links von ihr steht eine Bodenreinigungsmaschine. Neben dem Bild ist nun ein Wandtext ohne Namen der Autorin zu lesen: »Ich lief durch das Museum und suchte Gemälde die Frauen malten. Es gibt nicht viele. Ich fand ein paar. Meine Augen tasten die Bilder ab.« (Originaltext) Sie verbindet das Bild mit dem 1985 erschienenen Cyborg-Manifest von Donna Haraway und mit »einer demokratischen, feministischen Technik, die der Liebe, der Selbstliebe, der Schönheit, der Freude, dem Spaß, der liebevollen Verbindung aller Menschen und allem Lebendigen dient«. Allein das scheint nicht zu reichen, um das Original nach den eigenen Vorstellungen zu formen. Eine Kopie des Bildes wurde mit dem Schriftzug »Self Love« versehen. Sicherlich ist es gut gemeint gewesen, aber das Werk an sich ist stark genug und muss nicht mit pubertär wirkenden Statements versehen werden. Und vor der Assoziation mit Haraway wäre ein Blick in Maxie Wanders »Guten Morgen, du Schöne. Protokolle nach Tonband« aus dem Jahr 1977 über das Alltagsleben von Frauen in der DDR sicherlich auch hilfreich gewesen, denn da ging es nicht um die wissenschaftlich-technische Revolution, sondern um die Anerkennung im Alltagsleben.

Es gibt noch andere Beispiele, die irritieren, weil ganz offensichtlich die Kombination aus fehlendem Wissen und aktionistischer Übergriffigkeit gegenüber den künstlerischen Arbeiten nun zu einer Ermächtigung führen soll. Für das 21. Jahrhundert eine beschämende Annäherung sowohl an die eigene Geschichte des Hauses als auch an die Kunstwerke.            

»Unterm Rock, Reflections on Gender Issues at MdbK«, bis 27.11., Gender Day. Wie kommen wir zusammen?, 12.11., 12–20 Uhr

Foto: Vitrine mit Sexspielzeug vor Cranachs »Quellennymphe am Brunnen«, von Britt Schlehahn


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