Die Ausstellung »Einige waren Nachbarn« des United States Holocaust Memorial Museums erinnert im Neuen Rathaus an die unterschiedlichen Akteure des Holocausts.
»Eine der schlimmsten Erfahrungen, die ich habe, ist, diese Fahrt anzutreten, und die Leute standen Schlange ... an der Tür ... und warteten darauf, zu plündern, was wir zurückgelassen hatten, verfluchten uns, schrien uns an, spuckten uns an, als wir gingen.« Mit diesen Worten schilderte Steven Fenves seine Erinnerungen an die Deportation seiner Familie 1944 aus Ungarn nach Auschwitz-Birkenau. Sie sind auf einer Tafel in der Ausstellung »Einige waren Nachbarn« des United States Holocaust Memorial Museums in der Unteren Wandelhalle des Neuen Rathauses nachzulesen. Ein anderes Foto zeigt eine Menschenmenge in Lörrach 1940. Vor ihnen befinden sich Alltagsgegenstände aus ehemaligen jüdischen Haushalten, die sie nun für sich erwerben wollen. Die Ausstellung blickt mit Berichten, Fotografien und Filmen auf die vielfältigen Alltags-Akteure des Holocausts in Deutschland und Europa.
Zeugnisse aus Leipzig gibt es hier nicht, obwohl sich die Kommunalverwaltung vor allem im Hinblick auf antijüdisches Verhalten früher und umfangreicher als andere Städte hervortat. Vor 15 Jahren zeigte das Stadtgeschichtliche Museum die Ausstellung »Der letzte Weg. Die Deportation der Juden aus Leipzig 1942-1945«. Im Rahmen dessen untersuchte Steffen Held unter anderem die Rolle der Leipziger Stadtverwaltung.
Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler beurlaubte im März 1933 den Generalmusikdirektor der Oper, Gustav Brecher, der aus einer jüdischen Familie stammte. Unmittelbar folgten Straßenumbenennungen, um jüdisches Leben aus der Öffentlichkeit zu drängen. Im Sommer 1935 verbot Leipzig als zweite Stadt in Deutschland der jüdischen Bevölkerung die Benutzung der städtischen Schwimm- und Hallenbäder. Ende 1938 wurden jüdischen Mieterinnen und Mietern der Vertrag in städtischen Wohnungen gekündigt. Das Betreten der Städtischen Bücherhallen wie auch der Museen stand unter Strafe und Leipzig war die erste Stadt, die im Herbst 1939 die Lebensmittelkarten mit einem »J« kennzeichnete. Im Herbst 1939 wurden in der Nordvorstadt und im Waldstraßenviertel 47 sogenannte Judenhäuser errichtet, um die anderen Stadtteile als »judenfrei« deklarieren zu können. Die Stadt führte zudem als eine der ersten den Arbeitszwangs der jüdischen Bevölkerung in Wäschereien, der Müllabfuhr oder in Rauchwarenzurichtereien ein, bereits im April 1940. Ab Mitte Oktober des Jahres begannen die Deportationen der noch in der Stadt verbliebenen Jüdinnen und Juden. Der zurückgelassene Besitz wurde entweder über Auktionshäuser – etwa das der Gebrüder Klemm – versteigert oder direkt aus den Wohnungen für Angestellte der Verwaltung »organisiert«. Die Nutznießerinnen und Nutznießer des Holocausts hatten viele Gesichter. Daran erinnert die Ausstellung ebenso wie sie auch Solidarität aufzeigt.
Anlässlich des Internationalen Gedenktages an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar organisiert die Stadt traditionell eine Gedenkveranstaltung an der Erinnerungsstätte des Massakers von Abtnaundorf. Die Veranstaltung beginnt um 11.30 Uhr. Die Busshuttle fahren um 11 Uhr vom Rathaus ab. Um 13 Uhr findet ein Rundgang durch die Ausstellung mit Oberbürgermeister Burkhard Jung, dem US-Generalkonsul in Leipzig, Ken Toko, sowie mit Petra Köpping, der sächsischen Staatsministerin für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, statt.
Bis zum Ende der Ausstellung können in Kooperation mit dem Erich-Zeigner-Haus über das Schulmuseum auch Führungen ab der 8. Klasse gebucht werden.