Schwerter und Dolche sind eingraviert, Keulen, Saufedern (kurzer Spieß für die Jagd auf Wildschweine, Anm. d. Red.), Armbrüste und Pfeile, Pistolen, Morgensterne und Säbel. Die Motive auf den sogenannten Sühnekreuzen regen zu finsteren Spekulationen an. Zu Recht, denn diese alten Flurdenkmale sicherten das Seelenheil grausig zu Tode Gekommener. Und sind heute quasi True-Crime-Wanderziele.
Die Kreuze aus Stein – in Ostsachsen als »steinerne Martern« bekannt – sind besonders häufig im heutigen MDR-Sendegebiet anzutreffen. Exakte Zahlenangaben über ihr Vorkommen gibt es nicht, weil die meisten Publikationen über sie aus der Vorwendezeit stammen und in der Zwischenzeit einige umgesetzt, gestohlen oder zerstört wurden. Im damaligen Bezirk Erfurt gab es 182, in Dresden 263, in Halle 182 und in Leipzig 76 Exemplare – ein verwitterter Stein ziert bis heute den Eingang der Holzhausener Kirche.
Grob gehauen, treten die meist zwischen 80 und 120 Zentimeter hohen Steingebilde in verschiedenen Kreuzformen auf. Sie wurden errichtet, »damit des Entleibten und seiner Seele dabei möge gedacht werden«, wie es zu einem sächsischen Kreuz heißt. Sie markieren Orte grausiger Geschehen. Maßgeblich zwischen dem 13. Jahrhundert und der Reformationszeit wurden sie für Menschen aufgestellt, die plötzlich aus dem Leben schieden. Ohne letzte Ölung und Beichte rösteten sie der damaligen Vorstellung nach im Fegefeuer – das Steinkreuz sollte zu ihrem Seelenheil beitragen. Und war zugleich Sühnemal, weil es der Täter als Teil seiner Strafe finanzierte. Totschlag unterstand im Gegensatz zum Mord nicht der Blutgerichtsbarkeit, weshalb man das Strafmaß privat regelte. Neben monetärem Schadensersatz forderten die Angehörigen steinerne Zeugen.
Die eingeschlagenen Symbole bilden oft – wie eingangs benannt – das Totschlagsinstrument ab. Andere weisen den Beruf des Opfers oder das Tatmotiv aus. Semmel, Rad und Schere etwa stehen für Bäcker, Wagner und Schneider, die in Rudolstadt auf einer Kirmes erschlagen wurden. In Helmershausen/Rhönblick gibt ein stilisierter Spinnrocken eine verstorbene Spinnerin zu erkennen. Der verwitterte »Mordstein« in Löbitz (Burgenlandkreis) zeigte Äxte: Zwei Fleischergesellen sollen sich gegenseitig mit dem Beil den Schädel eingeschlagen haben. Streitigkeiten unter Männern sind häufig der Anlass eines Steinkreuzes. Auch Unfälle, etwa mit dem Wagen oder durch scheuende Pferde, sind dokumentiert. Im Mansfelder Pölsfeld fiel ein Bauer in seine eigene Sense, in Ballenstedt (Harz) wurde ein Mann von einem Bullen getötet. Der »Arme Heinrich« steht für den gleichnamigen Bettler, der hier erfror.
Mit der Reformation verliert sich der Glaube an die Wirkung fürs Seelenheil und das Steinkreuzsetzen verliert seine religiöse Grundlage. Zudem hält mit dem Reichsstrafgesetzbuch auch eine neue Straf- und Sühnepraxis Einzug. Steinkreuze wurden für die Nachgeborenen zu geheimnisumwitterten Orten, nährten Aberglauben. Bei einem Kreuz in Quedlinburg erscheinen der Legende nach ein Ritter ohne Kopf sowie eine weiße Jungfrau. Der Teufel höchstselbst zeigt sich in Ichstedt am Kyffhäuser. Vom Kreuz für den in Wasungen vom Blitz erschlagenen Fischer Hans Furkel erzählt man sich, es beuge dem Kropf vor. Heute erinnern Flurnamen wie »Am Kreuz«, »Kreuzhügel« oder »Kreuzchen« an die Zeugen der Vergangenheit. »Steinkreuz« heißt ein Gebiet südöstlich des Fuchsturmes in Jena. Hier steht ein altes meterhohes Exemplar. Auf ebenfalls traurige Art lebt das Kreuzaufstellen weiter – als Andenken an die Opfer von Verkehrsunfällen.
> Da man sie nur vereinzelt auffindet, verbindet man am besten andere Wanderziele mit dem Besuch der Kreuze. Eine Liste findet sich auf www.suehnekreuz.de. Drei Tipps seien hier gegeben:
- Die Wanderung durch den Erfurter Steigerwald führt zu einem der ältesten Kreuze. Ein zwei Meter hohes Tatzenkreuz erinnert an einen erschlagenen Mönch. Es steht in der Nähe des beliebten Ausfluglokals Schloss Hubertus.
- In Cunnersdorf bei Kamenz (siehe die gegenüberliegende Seite) zeigt ein Granitkreuz an der Straße nach Schönbach ein Weberschiffchen.
- Beim Spaziergang über die Hallenser Rabeninsel lohnt ein Abstecher zum Böllberger Weg: Drei Kreuze bezeugen den Tod eines Müllers.