Fast wie vor Corona sah es am Donnerstagabend vor den Toren des Akademiegebäudes der Hochschule für Grafik und Buchkunst kurz nach 19 Uhr aus. Viele rauchten noch schnell vor der Tür, andere strömten schon in die Hochschule. Hier sind bis Sonntag auf drei Etagen über 80 Stationen mit Kunst zu sehen. Neben einem umfangreichen Programm an Filmen stehen auch auch Performances und Lesungen auf dem Programm.
Traditionellerweise ist die 3. Etage der Malerei und den Erzeugnissen aus den druckgrafischen Werkstätten vorbehalten. Zu sehen sind Malwerke vom Grundstudium bis zum Diplom. Die inhaltliche und formale Spanne überrascht kaum. Auffällig ist nach wie vor die Mehrzahl an figurativen Arbeiten. Wirkliche Farb- und Formexperimente können kaum wahrgenommen werden.
Eine Etage drunter residiert die Fotografie und die Klasse von Heidi Specker zeigt als Kontrastprogramm zur trüben gesellschaftlichen Wirklichkeit die Rauminstallation mit dem Titel »What Would Love Do?«. Der Schriftzug hängt auf einer überdimensionalen Stoffbahn mitten im Raum während unter anderem Sinead O’Connor »Nothing compares 2 U« singt. Im Raum finden sich auch Bänke mit aufgeklebten Fotoarbeiten. Man wollte ein Pendant zur bitteren Realität schaffen, einen Ort, an dem sich alle wohl fühlen.
»Wie geht’s« lautet der Titel der Präsentation aus der Klasse für Fotografie und Bewegtbild von Tina Bara und Sandra Schubert. Darin wirft unter anderem Anna Perepechai die Frage nach Heimat auf und zeichnet die Entfernungslinie zwischen Leipzig und ihrer ukrainischen Heimat mit Bleistift an die Wand, neben der sie sich als Porträt in Kampfmontur zeigt. Der Krieg ist mental viel näher als manche wahr haben wollen.
Andere Bezüge zur aktuellen Weltsituation finden sich unter dem Titel »Vertigo Syndrome« in der Klasse Expanded Cinema von Clemens von Wedemeyer und Mareike Bernien. Mahshid Mahboubifar verwendet dabei in einem Loop Material vom Beginn der Unruhen im Iran im vergangenen September. Die Installation von Anna Sopova listet die als ausländische Agenten in Russland unter Verdacht stehenden Kunstschaffenden auf. Performances sind bis Sonntag sind in der Klasse für Performative Künste von Isabel Lewis und Lissy Wilsberg zu sehen.
Im Typografie-Klassenraum von Anja Kaiser und André Grau können einige Projekte aus dem Semester in Augenschein genommen werden. Vorgestellt wird auf Monitoren ein virtuelles Archiv zu Schriften, die von FLINTA*-Gestalter*innen stammen. Es soll die Aufmerksamkeit darauf lenken, wer welche Schriften zur Verfügung stellt. Dazu findet am Sonntag um 16 Uhr zusätzlich eine Präsentation statt.
»Klasse im Kollektiv« heißt das Projekt des 2. Studienjahrs Buchkunst/ Grafik-Design von Markus Dreßen. Dabei steht die Hochschule im Mittelpunkt: wie wird sie erlebt? Wie muss sie sich verändern, um nachhaltig zu werden? Gemeinsam im Kollektiv entstanden ein Text, ein Buch und eine Rauminstallation, die das durchaus sozial-fragile Konstrukt in dem repräsentativen 19. Jahrhundert-Bau in der Wächterstraße sehr schön übersetzt. Gleich nebenan sind Kurzfilme über das Verschwinden zu sehen. Produziert vom 1. Studienjahrs Buchkunst/ Grafik-Design unter der Leitung von Paule Hammer zu sehen.
Den Saal in der zweiten Etage, der die Jahre zuvor von der Malerei-Klasse Christoph Ruckhäberle mit Petersburger Hängung bespielt wurde, ist nach seinem Lehrende nun in den Besitz der Klasse für Installation und Raum von Joachim Blank und Anna Raczynska übergegangen. Unter dem Motto »Landing« zeigen sich hier recht unterschiedliche Installationen.
Im Festsaal finden am Samstag und Sonntag von 15 bzw. 14 bis 18 Uhr Veranstaltungen zum Thema »Hangout« statt, die das Equaliteam organisiert. Im Mittelpunkt stehen auch hier kollektives Lernen wie auch Machtstrukturen in der HGB. Außerdem können am Samstag von 13 bis 17 Uhr Dubletten aus der HGB-Bibliothek erstanden werden.
Und wer gern vergleichen möchte: Bis Sonntag sind auch die Diplome von der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle zu besichtigen.
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Titelfoto: Jana Slaby