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Essen & Trinken

Wird Bier bald ein Luxusgut?

Die Bierproduktion wird teurer. Ein Rundgang durch Leipzigs Brauhandwerk.

  Wird Bier bald ein Luxusgut? | Die Bierproduktion wird teurer. Ein Rundgang durch Leipzigs Brauhandwerk.

»1.000 Kilogramm Natronlauge für die Flaschenreinigung kosteten letztes Jahr noch 400 Euro, mittlerweile 2.800 Euro«, schrieb Staffelbergbräu letzten November an seine Kundschaft. Staffelbergbräu kommt aus dem oberfränkischen Loffeld, und Biere von kleinen Brauereien aus Oberfranken verkauft David Amann im Bier’n’Roll in Plagwitz, auch er ist Kunde von Staffelbergbräu. Doch ihn betreffen nicht nur die Preissteigerungen bei den Brauereien: »Ich habe mehr Ausgaben, auch für Reparaturen und Wartung. Wenn die Brauerei den Kasten Bier achtzig Cent teurer verkauft, müsste ich eigentlich noch dreißig Prozent drauflegen. Um gut wirtschaften zu können, inklusive Investitionen und Rücklagen, müsste ich den Kasten Bier für 25 Euro verkaufen. Dann kommt aber kaum noch jemand zu mir.« Für Amann heißt das: kleinerer Gewinn und Vorsicht bei Investitionen.

Die Kosten rund um die Bierherstellung sind gestiegen, nicht nur bei Natronlauge. Mälzereien, Glasherstellung, Reinigung und der Brauprozess selbst brauchen Hitze und sind energieaufwendig. Ebenfalls teurer sind Kohlendioxid und Transport, Hopfen und Malz, Kisten und Kronkorken. Laut statistischem Bundesamt mussten für ein alkoholisches Getränk im Lokal im November 2022 – das sind die neuesten verfügbaren Daten – bundesweit im Durchschnitt gut 7 Prozent mehr auf die Theke gelegt werden als im November 2021 und 13 Prozent mehr als im Vorpandemie-November 2019. Die Getränkepreise im Einzelhandel lagen im November 2022 um 14 Prozent höher als im November 2021. Das umfasst freilich alle Marken, die von Kleinbetrieben ebenso wie die, die man aus der Fernsehwerbung kennt, und Eckkneipen genauso wie Restaurants.

So hoch wie in Oberfranken ist Leipzigs Brauereiendichte nicht. Ur-Krostitzer und Sternburg von der Radeberger-Gruppe hatten letzten Dezember bereits eine Preiserhöhung. Außerdem gibt es eine Handvoll kleinere Betriebe wie Syndebräu, Kasten, Cliffs Brauwerk oder die Plagwitzer Brauerei und drei Gasthausbrauereien. Eine davon gehört zum Gasthaus Napoleon in Probstheida. René Jäkel ist hier der Brauer, er produziert Helles und wechselnde Spezialbiere wie Dunklen Bock. »Die Lieferung Malz im Dezember war ein Drittel teurer als die im Sommer«, sagt Jäkel. »Weil der Hopfen, den ich eigentlich nutze, sich um zwanzig Prozent verteuert hat, habe ich das Rezept geändert und bin auf einen preiswerteren Hopfen umgestiegen.« Ansonsten lassen sich Ausgaben kaum einsparen, deshalb muss auch das Napoleon die Preise ein wenig erhöhen: »Wenn das Glas mehr kostet, könnten natürlich Gäste wegbleiben. Andererseits: Man muss ja auch mal unter Leute kommen.« Zur Lage der Brauereien insgesamt sagt Jäkel: »Die kleinen Betriebe sind vielleicht nicht unbedingt in Gefahr, sondern eher die mittelgroßen, die großen Preisdruck haben und möglicherweise ihr Bier zu günstig verkaufen müssen.«

Einer dieser kleinen Betriebe gehört Fabian Kasten. Im Hinterhof in der Connewitzer Wolfgang-Heinze-Straße startete seine Brauerei Anfang 2019. Er fasst zusammen: »Wir haben keine Wahl, so wie alle. Wenn die Kosten steigen, müssen wir unsere Produkte teurer machen. Daran verdienen wir aber nicht mehr.« Ursprünglich produzierte Kasten sein Gold, ein Lager nach Pilsner Brauart, und gelegentlich saisonale Biere nur in Fässern für die Gastronomie. Mit der Pandemie kamen Flaschenabfüllungen hinzu, die er hauptsächlich vor Ort verkauft. Das aktuelle Problem ist die Ungewissheit: »Man weiß nicht, wie sich alles entwickelt: ob die Kosten weiter steigen, ob die Kunden erhalten bleiben.« Kasten macht weniger Gewinn, weil er weniger verkauft: »Die Leute sitzen einfach weniger in der Kneipe. Aber eigentlich bin ich recht zuversichtlich, dass sich das normalisiert, denn Bier, Alkohol trinken die Leute immer.« Bleibt die Frage, »ob sie zu einem preiswerten Produkt greifen müssen oder ob kleinere, regionale Betriebe erhalten bleiben, bei denen die Qualität im Vordergrund steht.«

»Das billige Segment können wir nicht bedienen, weil hinter den Produkten zu viel Aufwand steckt«, sagt Jakob Treige von der Plagwitzer Brauerei. Er eröffnete Anfang 2020, zwei Monate vor dem ersten Corona-Lockdown. Seine Biere – ein Rotbier, ein Blondes und wechselnde saisonale Sorten – sind in einigen Leipziger Kneipen zu haben und er schenkt sie am Produktionsort in der Klingenstraße aus. Die Angst vor Konsumausgaben kann er auch beobachten: »Die emotionale Komponente, die Angst vor der Krise, die Angst vor hohen Rechnungen, kann härter durchschlagen als die Krise selber.« Treige erhöhte den Literpreis für das Plagwitzer Bier für Gastronomien von 2,20 auf 2,50 Euro. Er berichtet ebenfalls von schwieriger gewordenen Kalkulationen: »Die Bundesnetzagentur sagte letzten Sommer, dass sich die Gaspreise möglicherweise versiebenfachen. Die Entwicklung war viel weniger dramatisch, aber die Dynamik ist immer noch krass.« Dabei spielt der Gaspreis bei der Bierproduktion keineswegs die einzige Rolle. Und eine Brauerei arbeitet nicht nur zum Selbstzweck: »Ein kleiner Betrieb muss die Familie vom Brauer ernähren.«

Die Syndebräu-Biere sind im Einzelhandel zu finden und sie laufen auch im Dr. Hops in Connewitz vom Hahn. Die Bar von Franz Uhlig gibt es seit 2017, sie ist auf das Hopfengetränk spezialisiert, auf der Karte stehen neben den acht wechselnden Fassbieren über neunzig weitere Handwerksbiere von Ale bis Witbier. »Die Biere, die wir einkaufen, werden teurer«, sagt Uhlig. »Das ist eine komplexe Entwicklung. Die Craft-Beer-Brauereien mussten schon anziehen, weil sie wegen der Lockdowns weniger verkauft haben.« Was heißt das für das Dr. Hops? »Wir versuchen, die Preise stabil zu halten, trotz der Erhöhungen an allen Ecken und Enden. Ewig an der Preisschraube drehen funktioniert nicht.« Stattdessen fährt das Dr. Hops eine Mischkalkulation über das Sortiment, Tschechien und Polen sind nicht weit: »Da gibt es fantastische, im Einkauf erschwinglichere Handwerksbiere. Deshalb können wir uns erlauben, bei einem anderen Bier den Preis nicht zu erhöhen. Mir ist wichtig, dass wir wenigstens ein großes Bier für unter vier Euro am Hahn haben.« Offenbar funktioniert die Mischkalkulation im Dr. Hops: »Durch einige kluge Entscheidungen liegen wir, was die Zahlen angeht, nicht weit hinter 2019 zurück.«

So lässt sich die Stimmung vielleicht als verhalten optimistisch zusammenfassen. Verbunden mit Appellen an die Konsumentscheidungen: »Wenn nach und nach die Individualisten verschwinden, schwindet auch die Angebotsvielfalt«, sagt Einzelhändler David Amann. Franz Uhlig betont: »Immerhin verkaufen wir keine Industriebiere, sondern Handwerksbiere. Die kosten nun mal etwas mehr.« Und Brauer Fabian Kasten sagt hoffnungsvoll: »Die Entwicklung dahin, dass die Leute kleine Läden unterstützen, ist jedenfalls da.«


Titelfoto: Symbolbild. Alexa/Pixabay.


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