Gute Nachrichten: 160 Beschäftigte behalten ihren Job, die Innenstadt von Leipzig ihr Kaufhaus. Grund zum Aufatmen ist das nicht. Die drohende Schließung verdeutlichte nur die bestehende Misere: Für die Leipziger Innenstadt fehlen die Ideen, Konsum allein wird sie nicht wiederbeleben.
Ursprünglich sollten 52 Kaufhof-Filialen in ganz Deutschland geschlossen werden, auch jene in Leipzig. Es folgten Unverständnis und Diskussionen darüber, warum der hiesige Standort vom Aus betroffen ist, wo er doch profitabel ist und schwarze Zahlen schreibt. Der Grund ist wohl einem Immobiliendeal geschuldet – also wie immer: It‘s the economy stupid! Andere zuckten mit Verweis auf eben diesen Satz mit den Schultern. Der Markt regelt halt, Amazon & Co. bieten viel mehr Waren an als so ein Kaufhaus. Also kann das weg. Das ist offensichtlich eine falsche Rechnung, die unter anderem unterschlägt, wie übervorteilt der Online-Handel behandelt wird, etwa durch die kostenlosen Retouren. Und das auf Kosten der Allgemeinheit: Steuereinbußen, durch Lieferverkehr verstopfte Straßen und zugestellte Fuß- und Radwege, Verlust lokaler Netzwerke, verödende Innenstädte. Außerdem hat nicht jeder Lust auf Online-Shoppen oder ist auf ein Angebot vor Ort angewiesen.
Daher ist es nicht nur für die Mitarbeitenden eine gute Nachricht, dass Kaufhof Leipzig nun gerettet ist. Das Rätsel, wie die Innenstadt zur Stadtmitte werden kann, ist aber noch nicht gelöst. Handel wird Handel nicht ersetzen. Seit vier Jahren steht das ehemalige Karstadt-Gebäude in der Petersstraße leer, 2023 sollen dort Büros und Läden eröffnen. Attraktiver und erst recht nicht ästhetisch ansprechender wird das die Innenstadt nicht machen. Leider gleicht sie in ihren gesichtslosen Hauptachsen vielen anderen Städten, gehen die Besonderheiten wie Passagen oder Jugendstilfassaden eher unter.
Es brauchen eine neu gestaltete Stadtmitte. Die reine Shopping-City ist so tot wie Leipzigs Innenstadt die letzten zig Jahre nach acht Uhr. Der Handel wird wohl weiterhin an Bedeutung für die City verlieren. Die Innenstadt kann zur öden Wüstung werden. Aufhalten könnte man das zum Beispiel, indem man den originellen und inhabergeführten Einzelhandel in die Innenstadt holt – damit sie sich von anderen Städten und den Shopping Malls abhebt. Dafür müsste man aber kommunal Mieten subventionieren. Und hätte das Problem, dass es weiterhin nur Handel ist, der den City-Charakter bestimmt.
Und es stimmt, hier war immer schon Handel angesiedelt, ist der Markt ihr Kern. Allerdings bedeuteten Markt und Messen nicht nur Verkauf, sondern vor allem auch Kommunikation. Man kam zusammen, um sich auszutauschen. Das fehlt der Leipziger Innenstadt, diesen Mangel können Museen und Veranstalter nicht abfangen. Es bräuchte offene Kommunikationsräume, wie die Stadtbibliothek einer ist. Die Menschen brauchen mehr Gründe als Konsum, um die Innenstadt anzusteuern und sich dort aufhalten zu wollen.
(Soziales) Wohnen, Bildung, Kultur: Vieles ist möglich. Daher müssen Verwaltung, Immobilienbesitzer und andere Akteure gemeinsam ausloten, welche anderen Funktionen und Nutzungen man hier einrichten könnte, um die Stadt wieder lebendig zu machen. Ohne Ausblick auf immense Mieteinnahmen müssen auch die Stakeholder umdenken. Dann könnte der Stadtkern zum Zentrum auch jenseits des Konsums gedeihen.
Diese Diskussion wird auch für manche Stadtteilzentren zu führen sein. Kunst und Kultur sowie die so genannte Zivilgesellschaft sollten sich beteiligen, es geht schließlich alle an. Die Idee von Stadt ist das Zusammenkommen, das Aufeinandertreffen verschiedenster Menschen und Interessen, kurz: das soziale Miteinander. Möge das endlich zur Grundlage der Stadtentwicklung werden.