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Stadtleben

Mut statt Kartons

2035 soll der Wilhelm-Leuschner-Platz bebaut sein

  Mut statt Kartons | 2035 soll der Wilhelm-Leuschner-Platz bebaut sein  Foto: Martin Geisler

»Wir können in die Stadtmitte keine Kartons stellen«, erklärte Oberbürgermeister Burkhard Jung am Dienstagmittag zur Qualität der künftigen Bebauung des seit Jahrzehnten brachliegenden Wilhelm-Leuschner-Platzes beim Pressegespräch. Im Gegensatz zu den an allen Ecken im Stadtraum entstandenen und entstehenden charakterlosen Bodenfensterglasbalkonneubaukisten erhält das Herzstück in der Innenstadt eine neue Gestalt mit Gebäuden, die als »Eyecatcher« (Jung) wirken werden, mit mehr Bäumen und Sträuchern als bisher und zu allem Überfluss auch noch mit einem Freiheits- und Einheitsdenkmal.

 

Das Denkmal

Nach dem desaströsen ersten Wettbewerb um ein solches Denkmal, den die Stadt 2014 beendete, beschloss der Stadtrat drei Jahre später einen erneuten Versuch unter der Fittiche der Stiftung Friedliche Revolution. Die Pläne sahen eigentlich vor, dass zum 35. Jahrestag der 89er Demonstrationen der Bau am 9. Oktober 2024 startet. Im jetzt vorgestellten Bebauungsplan soll zu dem Zeitpunkt zumindest der Wettbewerb abgeschlossen sein. Für das Denkmal stehen 3.500 Quadratmeter auf dem ehemaligen Königsplatz zur Verfügung. Das ist der Bereich, der beim gerade vergangenen Stadtfest von den Fahrgeschäften in Beschlag genommen war. Dabei wäre es eigentlich auch reizvoll, solch eine Kirmeslandschaft mit Riesenrad, Autoscooter, Dreh- und Höhenkarussells samt Zuckerwattestand und Losbude eingedenk der Leuchten und Töne als Freiheitsdenkmal einzurichten. Kostenfrei für alle, wäre es nicht nur der richtige Ort, um über Träume und Wirklichkeiten an 365 Tagen im Jahr nachzudenken, sondern würde auch didaktische Peinlichkeiten wie die goldene Wippe, an der sich Berlin mit seinem Einheitsdenkmal schon seit Jahren verhebt, ausschließen. Leider darf bezweifelt werden, dass die sicherlich sehr bedeutungsschwangere Auswahljury und die Stadt so viel Humor aushalten.

 

Der Plan

Zuerst steht jetzt ein Freiflächenwettbewerb an. Im Vorfeld wurden über 5.000 Menschen befragt, wie sie sich den zukünftigen Platz vorstellen. Heraus kam ein »bepflanzter, blumiger, kleinteiliger Platz«. So pfiffig dies klingen mag, erklärte Burkhard Jung doch auch gleich, dass mit Geranien der Wettbewerb keineswegs zu gewinnen sei. Die Freifläche muss wie die hier entstehenden Gebäude hohe Nachhaltigkeit und Qualität aufweisen.

Bereits vorhanden ist der Bowlingtreff aus DDR-Zeiten, in den bis 2030 das Naturkundemuseum einzieht. Die anderen Gebäude entstehen gemäß dem 2017 beschlossenen Masterplan entlang der Grünewaldstraße. Das 2035 vollendete Forum Recht mit der Juristischen Fakultät, das Global Hub – ein interdisziplinäres Forschungsinstitut zur Globalisierung (Eröffnung 2026 nach dem Entwurf vom Leipziger Architekturbüro Schulz und Schulz), westlich davon befindet sich die Markthalle, die auch Räume für die Musik- und die Volkshochschule bereit halten soll. Dafür wie auch für die nach 2030 entstehenden Wohnungen entlang der Windmühlenstraße, stehen die Wettbewerbe noch aus. Aber zumindest die Markthalle soll ein »architektonischer Kracher und Juwel« (Jung) werden. Bereits in diesem Jahr startet an der Ecke Windmühlenstraße der Bau des Leibniz-Instituts für Länderkunde nach dem Entwurf der Gondwanaland-Erbauer Henchion + Reuter.

Das erklärte Ziel der Stadt ist es, hier »hochwertige, ästhetische Bauwerke« gemäß der klimatischen Erfordernisse entstehen zu lassen, wobei Baubürgermeister Thomas Dienberg den Architekturbüros für die ausstehenden Wettbewerbe mehr Mut zur Gestaltung anrät. So voller Zuversicht fiel am Ende der Presserunde gar der Begriff Bilbao-Effekt. Mit anderen Worten: Die heute noch zu erlebende Brache könnte in zehn bis zwölf Jahren ähnlich wie der 1997 in Bilbao von Frank O. Gehry geschaffene Neubau des Guggenheim-Museums auch wahre Wallfahrten nach Leipzig auslösen.


Foto: Wilhelm-Leuschner-Platz 2016. Martin Geisler.


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