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Politik

Rechts-Streit

Weil ein Paper ihn als rechts einordnet, verklagt ein Bauunternehmer aus Bautzen die Uni Leipzig

  Rechts-Streit | Weil ein Paper ihn als rechts einordnet, verklagt ein Bauunternehmer aus Bautzen die Uni Leipzig  Foto: Catatine, CC0, via Wikimedia Commons

Knapp zwei Seiten lang ist der Abschnitt über Bauunternehmer Jörg Drews im Policy-Paper »Vernetzt und etabliert: Unternehmerisches Engagement für die extreme Rechte in Ostsachsen«. Darin will der Unternehmer »zahlreiche unwahre Tatsachenbehauptungen und rechtswidrige Äußerungen« gefunden haben. Deswegen gehen er und seine Bautzner Firma Hentschke Bau juristische Schritte – gegen die Universität Leipzig als Herausgeber. Eine juristische Auseinandersetzung droht auch dem Trägerverein eines ehrenamtliches Recherchekollektiv aus Görlitz, das für das Paper Daten, Interviews, Foto- und Videomaterial zur Verfügung gestellt und es ebenfalls auf seiner Website veröffentlicht hat.

Mitte März gab das an der Uni Leipzig ansässige Else-Frenkel-Brunswik-Institut (EFBI) die Publikation heraus. Es geht um den Einfluss von Unternehmen auf rechte Strukturen in Ostsachsen. Sie kommt zu dem Schluss, dass Unternehmer, die der rechten Szene nahestehen und sich politisch wie sozial engagieren, diese in vielerlei Hinsicht stärken. Sie spenden Geld und stellen materielle Ressourcen bereit, lassen die Szene von ihren Kontakten im Mittelstand profitieren und normalisieren durch ihr Handeln antidemokratische Positionen innerhalb der Betriebe. Als Beispiel kommt unter anderen der Bauunternehmer Jörg Drews vor.

Sowohl die Uni Leipzig als auch das Kollektiv 15 Grad Research erhalten Ende April eine Unterlassungsaufforderung. »Wir hätten sagen können: Ok, wir streichen alles. Das wollten wir aber nicht«, sagt Thomas Schmidt, ein Mitarbeiter des Kollektivs, der eigentlich anders heißt, seinen echten Namen aus Sicherheitsgründen aber nicht öffentlich preisgeben will. Weil 15 Grad Research die Unterlassungsaufforderung ignoriert, reicht Drews am Landgericht Dresden Klage ein, die das Kollektiv erwidert. Jetzt wird das Gericht entscheiden, ob es zum Verfahren kommt. Auch die Universität gibt nicht klein bei. »Das EFBI steht nach wie vor zu den Inhalten des Policy Papers«, sagt Pressesprecher Carsten Heckmann.

Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von 15 Grad Research haben es sich zur Aufgabe gemacht, Vorfälle des Rechtsextremismus systematisch zu sammeln. Die Chronik, die auf der Website einzusehen ist, enthält über 800 Einträge von 1990 bis heute. Schmidt erzählt, dass das Kollektiv in der Zusammenarbeit mit dem EFBI eine Chance sah, möglichen Gründen hinter diesen Vorfällen nachzugehen. »Rechtes, verschwörungstheoretisches Gedankengut hat sich festgesetzt in der Region. Das ist nicht einfach kurz gekommen und dann wieder gegangen«, resümiert er. »Die Länder- und Kommunalpolitik ist auf dem rechten Auge blind gewesen. Das wurde immer verharmlost. Man hat sich damit nicht auseinandergesetzt und keine klaren moralischen Grenzen gezogen.«

Jörg Drews ist nur eins der aufgeführten Beispiele. Schmidt sagt, das Paper greife nur einen kleinen Teil auf: «Wir haben eine Liste, da stehen etwa 50 bis 60 Unternehmer*innen aus dem Landkreis drauf, die uns während Demonstrationen oder anderen Veranstaltungen aufgefallen sind. Wir würden nicht alle davon als rechtsextrem bezeichnen, aber sie tendieren auf jeden Fall dahin.« Drews ist aber nicht irgendein Unternehmer, sondern einer, dessen Firma prestigeträchtige Aufträge in ganz Deutschland bekommt – 2019 machte die Firma satte 180 Millionen Euro Umsatz. In Dresden sanierte sie in den vergangenen Jahren die Augustusbrücke. In der Region unterstützt er viele Projekte, ist etwa Haupt- und Trikotsponsor von Fußballverein Budissa Bautzen.

Neu ist die Kritik an ihm nicht: Was im Policy-Paper steht, war auch schon anderswo zu lesen (zum Beispiel bei Deutschlandfunk und Jungle World). Erwähnt wird zum Beispiel die Parteispende von Hentschke Bau an die AfD im Bundestagswahlkampf 2017 in Höhe von 19.500 Euro. Auch ist bekannt, dass er Ostsachsen-TV teilfinanziert, wo schon bekannte Rechtsextreme wie Reichsbürger Peter Fitzek und Compact-Chef Jürgen Elsässer zu Wort kamen. Dem Unternehmer wird zudem eine Nähe zu Reichsbürgern nachgesagt, unter anderem, weil er die Kampagne »Wir sind Deutschland« und deren Website finanziell unterstützte. Auf der Internetplattform werden Verschwörungserzählungen verbreitet.

Unternehmenssprecher Falk Al-Omary schreibt auf kreuzer-Anfrage: Die Studie des EFBI sei hinsichtlich des unternehmerischen und politischen Engagements von Jörg Drews »bewusst unvollständig, einseitig und falsch«. Er verweist darauf, dass Drews immer wieder betone, dass seine politischen Ansichten konservativ, aber nicht rechts seien und das Unternehmen in den vergangenen Jahren auch an andere Parteien Geld spendete. Drews selbst ist im Bürgerbündnis Bautzen aktiv, kandidierte im Stadtrat also nicht für, sondern gegen die AfD, betont Al-Omary. Zudem sei das Unternehmen weder während der Erstellung des Papers noch der Veröffentlichung angehört worden.

Neu sind die Aussagen eines ehemaligen Mitarbeiters von Hentschke Bau, der im Paper zitiert wird. In einem Interview mit 15 Grad Research erzählt der Mann von einem Vorfall im Pausenraum des Unternehmenssitzes in Bautzen: Ein Kollege soll »vom Vergasen geredet und rechtsradikale Positionen geäußert« haben. Etwa 15 weitere Mitarbeiter im Raum sollen dabei keinen Widerspruch eingelegt haben.

»Wir können nicht bestätigen, dass es diesen angeblichen Vorfall überhaupt gegeben hat, und weisen den Vorwurf zurück«, sagt Al-Omary. Zudem sei Hentschke Bau ein pluralistisches und tolerantes Unternehmen mit Mitarbeitern aus zwölf Nationen mit unterschiedlichen Kulturen und Weltanschauungen. »Wir würden einen solchen Vorfall nicht dulden.«

Für 15 Grad Research bedeutet die juristische Auseinandersetzung erhebliche finanzielle Schwierigkeiten. Deswegen hat Frag den Staat, ein Projekt zur Förderung von Informationsfreiheit, angekündigt, sämtliche Prozesskosten zu übernehmen. »Wir haben den Gegenrechtsschutz geschaffen, um eine Auseinandersetzung mit der extremen Rechten zu ermöglichen und insbesondere eine freie Wissenschaft vor Einschüchterung zu schützen«, teilt Projektleiter Arne Semsrott auf Anfrage mit. »In diesem Fall geht es gerade darum, bestehende Machtungleichgewichte auszugleichen – auf der einen Seite ein kleiner Verein, der eingeschüchtert werden soll; auf der anderen Seite ein mächtiger Unternehmer, der bereits mehrfach vor Gericht gezogen ist.« Vor etwa drei Jahren forderte Hentschke Bau Unterlassung und Schadenersatz vom Tagesspiegel, nachdem ein Journalist in einer Reportage über rechtsextreme Proteste an der B 96 auch den Einfluss von Drews in der Stadt thematisierte. Der zentrale Vorwurf laut Tagesspiegel: Der Journalist habe im Artikel verschwiegen, dass die Firma neben Drews noch einen zweiten Geschäftsführer habe. 

Weil der Trägerverein des Kollektivs seinen Sitz in Dresden hat, läuft das Verfahren über das Landgericht dort, gesondert zu dem gegen die Uni Leipzig, für das das Verwaltungsgericht zuständig ist. Beide Gerichte entscheiden nun einzeln, ob es zu einem Prozess kommen wird.


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1 Kommentar(e)

David Rasche 28.08.2023 | um 08:33 Uhr

Hallo, danke für diesen Artikel. Es wird Zeit, dass die EU endlich ihre Prinzipien durchsetzt um somit freie Arbeit von Journalist*innen zu gewährleisten. Insbesondere bei Forschenden oder Vereinen die sich im Arbeitsfeld von Toleranz und Aufklärung betätigen- einem toleranten Miteinander - ist es notwendig, das jedewede Versuche von Unternehmen mittels SLAPP Klagen unbequeme Berichterstattung zu unterminieren eingeschränkt wird. Es braucht ein europaweites Verbot dieser SLAPP Klagen, bzw. Kläger*innen sollten dezidiert vor Gerichten nachweisen müssen warum eine Unterlassungsklage legitim ist. Siehe dazu die kritische Berichterstattung beispielsweise in der taz, den Klageversuch des Unternehmens United Capital RE GmbH Leipzig im Frühjahr 2022 gegen die gemeinnützige Studierendenzeitung "LUHZE" (siehe auch Luhzeprozess) oder Fälle von Umweltforscher*innen die sich mit solchen Angriffen auseinandersetzen mussten. In ihrem Bericht erwähnen sie ja bereits nämlich einen der wichtigsten Punkte im Spannungsfeld solcher Auseinandersetzungen: das ökonomische Gefälle. Kritische Forscher*innen und Journalist*innen stehen mitunter einem Finanzriesen gegenüber - kritische Berichterstattung muss dennoch möglich sein. Dazu beizutragen, betroffene Forscher*innen und Journalist*innen in ihrer Arbeit (auch mental) zu unterstützen ist unser aller Aufgabe. Daher nochmals danke für den Bericht und auch für die kritische Berichterstattung ggü. dem o.g. zu kritisierenden Leipziger Unternehmen. Es geht immer weiter, überall dort wo Kapitalinteressen im Vordergrund stehen müssen sich Menschen zusammentun um die Rechte aller zu erhalten. Es gibt kein Recht auf menschenverachtende Einstellungen! Siehe auch: https://germany.representation.ec.europa.eu/news/eu-kommission-geht-gegen-missbrauchliche-klagen-slapp-klagen-gegen-journalisten-und-2022-04-27_de