Knapp zwei Seiten lang ist der Abschnitt über Bauunternehmer Jörg Drews im Policy-Paper »Vernetzt und etabliert: Unternehmerisches Engagement für die extreme Rechte in Ostsachsen«. Darin will der Unternehmer »zahlreiche unwahre Tatsachenbehauptungen und rechtswidrige Äußerungen« gefunden haben. Deswegen gehen er und seine Bautzner Firma Hentschke Bau juristische Schritte – gegen die Universität Leipzig als Herausgeber. Eine juristische Auseinandersetzung droht auch dem Trägerverein eines ehrenamtliches Recherchekollektiv aus Görlitz, das für das Paper Daten, Interviews, Foto- und Videomaterial zur Verfügung gestellt und es ebenfalls auf seiner Website veröffentlicht hat.
Mitte März gab das an der Uni Leipzig ansässige Else-Frenkel-Brunswik-Institut (EFBI) die Publikation heraus. Es geht um den Einfluss von Unternehmen auf rechte Strukturen in Ostsachsen. Sie kommt zu dem Schluss, dass Unternehmer, die der rechten Szene nahestehen und sich politisch wie sozial engagieren, diese in vielerlei Hinsicht stärken. Sie spenden Geld und stellen materielle Ressourcen bereit, lassen die Szene von ihren Kontakten im Mittelstand profitieren und normalisieren durch ihr Handeln antidemokratische Positionen innerhalb der Betriebe. Als Beispiel kommt unter anderen der Bauunternehmer Jörg Drews vor.
Sowohl die Uni Leipzig als auch das Kollektiv 15 Grad Research erhalten Ende April eine Unterlassungsaufforderung. »Wir hätten sagen können: Ok, wir streichen alles. Das wollten wir aber nicht«, sagt Thomas Schmidt, ein Mitarbeiter des Kollektivs, der eigentlich anders heißt, seinen echten Namen aus Sicherheitsgründen aber nicht öffentlich preisgeben will. Weil 15 Grad Research die Unterlassungsaufforderung ignoriert, reicht Drews am Landgericht Dresden Klage ein, die das Kollektiv erwidert. Jetzt wird das Gericht entscheiden, ob es zum Verfahren kommt. Auch die Universität gibt nicht klein bei. »Das EFBI steht nach wie vor zu den Inhalten des Policy Papers«, sagt Pressesprecher Carsten Heckmann.
Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von 15 Grad Research haben es sich zur Aufgabe gemacht, Vorfälle des Rechtsextremismus systematisch zu sammeln. Die Chronik, die auf der Website einzusehen ist, enthält über 800 Einträge von 1990 bis heute. Schmidt erzählt, dass das Kollektiv in der Zusammenarbeit mit dem EFBI eine Chance sah, möglichen Gründen hinter diesen Vorfällen nachzugehen. »Rechtes, verschwörungstheoretisches Gedankengut hat sich festgesetzt in der Region. Das ist nicht einfach kurz gekommen und dann wieder gegangen«, resümiert er. »Die Länder- und Kommunalpolitik ist auf dem rechten Auge blind gewesen. Das wurde immer verharmlost. Man hat sich damit nicht auseinandergesetzt und keine klaren moralischen Grenzen gezogen.«
Jörg Drews ist nur eins der aufgeführten Beispiele. Schmidt sagt, das Paper greife nur einen kleinen Teil auf: «Wir haben eine Liste, da stehen etwa 50 bis 60 Unternehmer*innen aus dem Landkreis drauf, die uns während Demonstrationen oder anderen Veranstaltungen aufgefallen sind. Wir würden nicht alle davon als rechtsextrem bezeichnen, aber sie tendieren auf jeden Fall dahin.« Drews ist aber nicht irgendein Unternehmer, sondern einer, dessen Firma prestigeträchtige Aufträge in ganz Deutschland bekommt – 2019 machte die Firma satte 180 Millionen Euro Umsatz. In Dresden sanierte sie in den vergangenen Jahren die Augustusbrücke. In der Region unterstützt er viele Projekte, ist etwa Haupt- und Trikotsponsor von Fußballverein Budissa Bautzen.
Neu ist die Kritik an ihm nicht: Was im Policy-Paper steht, war auch schon anderswo zu lesen (zum Beispiel bei Deutschlandfunk und Jungle World). Unternehmenssprecher Falk Al-Omary schreibt auf kreuzer-Anfrage: Die Studie des EFBI sei hinsichtlich des unternehmerischen und politischen Engagements von Jörg Drews »bewusst unvollständig, einseitig und falsch«. Er verweist darauf, dass Drews immer wieder betone, dass seine politischen Ansichten konservativ, aber nicht rechts seien und das Unternehmen in den vergangenen Jahren auch an andere Parteien Geld spendete. Drews selbst ist im Bürgerbündnis Bautzen aktiv, kandidierte im Stadtrat also nicht für, sondern gegen die AfD, betont Al-Omary. Zudem sei das Unternehmen weder während der Erstellung des Papers noch der Veröffentlichung angehört worden.
Für 15 Grad Research bedeutet die juristische Auseinandersetzung erhebliche finanzielle Schwierigkeiten. Deswegen hat Frag den Staat, ein Projekt zur Förderung von Informationsfreiheit, angekündigt, sämtliche Prozesskosten zu übernehmen. »Wir haben den Gegenrechtsschutz geschaffen, um eine Auseinandersetzung mit der extremen Rechten zu ermöglichen und insbesondere eine freie Wissenschaft vor Einschüchterung zu schützen«, teilt Projektleiter Arne Semsrott auf Anfrage mit. »In diesem Fall geht es gerade darum, bestehende Machtungleichgewichte auszugleichen – auf der einen Seite ein kleiner Verein, der eingeschüchtert werden soll; auf der anderen Seite ein mächtiger Unternehmer, der bereits mehrfach vor Gericht gezogen ist.« Vor etwa drei Jahren forderte Hentschke Bau Unterlassung und Schadenersatz vom Tagesspiegel, nachdem ein Journalist in einer Reportage über rechtsextreme Proteste an der B 96 auch den Einfluss von Drews in der Stadt thematisierte. Der zentrale Vorwurf laut Tagesspiegel: Der Journalist habe im Artikel verschwiegen, dass die Firma neben Drews noch einen zweiten Geschäftsführer habe.
Weil der Trägerverein des Kollektivs seinen Sitz in Dresden hat, läuft das Verfahren über das Landgericht dort, gesondert zu dem gegen die Uni Leipzig, für das das Verwaltungsgericht zuständig ist. Beide Gerichte entscheiden nun einzeln, ob es zu einem Prozess kommen wird.
> redaktioneller Hinweis: In einer früheren Version des Artikel wurden Ergebnisse der Untersuchung des Recherchekollektivs 15 Grad Research zu Jörg Drews und Hentschke Bau dargestellt. Hentschke Bau und Drews haben gegen diese Äußerungen erstinztanzlich am Landgericht Dresden eine Unterlassung erwirkt und durch die Zahlung einer Sicherheitsleitung von 66.000 Euro bei der Gerichtskasse die sofortige Vollstreckbarkeit des nicht rechtskräftigen Urteils ausgelöst. Bis zur endgültigen gerichtlichen Klärung dürfen diese Äußerungen nicht mehr verbreitet werden. Der kreuzer hat sich entschieden, die entsprechenden Passagen bis zur endgültigen gerichtlichen Klärung zu streichen.