»Das Museum der bildenden Künste Leipzig regt an, sich zu verbinden – mit anderen Menschen, der Umgebung und der Kunst.« So lautet die Präambel des Hauses unter dem neuen Museumsdirektor Stefan Weppelmann. Weiter: »Wir schaffen Räume für den Austausch und Kontemplation – zum Nachdenken, Lachen, Erinnern, Debattieren, Verweilen, Forschen, Gestalten, Lernen, Hinterfragen und Genießen.« Dazu gehört auch die Ausstellung »Re-Connect. Kunst und Kampf im Bruderland«, die bis September zu sehen ist. Sie soll »die erste Ausstellung unseres Museums zur migrantischen Kunstproduktion und Lebenswirklichkeit in der DDR und ihren Folgen darstellen«. Leider scheitert das Haus am hohen Anspruch.
Am 2. September findet beispielsweise eine dialogische Führung mit dem Fotografen Mahmoud Dabdoub statt. Der 1958 geborene Palästinenser wuchs in einem libanesischen Flüchtlingslager auf, lebte seit 1981 in der DDR, studierte künstlerische Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) und dokumentiert seitdem detailreich das Leben in Leipzig wie auch in der DDR.
Im Ausstellungskatalog finden sich eine Vielzahl von ihm aufgenommener Porträts und Situationen aus der Zeit vor 1989 aus der HGB. Weder seine Biografie noch Werkliste stehen im Katalog. Er fehlt einfach. Seine Aufnahmen hängen auch nicht im Hauptraum der Ausstellung, die den Werken von den Künstlerinnen gewidmet ist, die die migrantische Kunstproduktion präsentieren sollen, sondern im Raum »Archiv der Erinnerung und Zukunft«. Ein ausliegendes kopiertes Beiheft erklärt: »Fotografien Mahmoud Dabdoub, Alltag in der DDR, 1981–1989«. Die ausgewählten Bildmotive zeigen offensichtlich nur ausländische Personen und damit einen schmalen Ausschnitt des vom Künstler erlebten Alltags. Allein diese Reduzierung der Motive verwundert sehr.
Vielmehr wurden im großen Hauptsaal des Kellergeschosses Künstlerinnen und Künstler mit historischen bis aktuellen Kunstwerken zusammengetragen, die unter dem Postulat »Bruderland« fern jeglicher Vergleiche oder Netzwerke vor Ort zu sehen sind. Mit diesem Teil soll »das Spektrum der Leipziger Kunst erweitert, neue Impulse hinsichtlich einer transnationalen Kunst- und Kulturgeschichte gesetzt und die Forschungsperspektive auf die Kunst aus Ostdeutschland konstruktiv geöffnet werden«.
Ausgewählt wurden dafür Rimer Cardillo, in Uruguay geboren, der zu Beginn der Siebziger in Berlin-Weißensee und an der HGB studierte, César Olhagaray wurde in Chile geboren, kam 1973 in die DDR und lebt seitdem hier. Michael Touma wuchs in Haifa auf und begann 1975 zuerst ein Kunststudium in Dresden, dann in Berlin-Weißensee und ab 1987 an der HGB und lebt seither in der Stadt. Getachew Yossef Hagoss aus Äthiopien studierte zu Beginn der Achtziger an der HGB und kehrte danach nach Addis Abeba zurück. Solomon Wija, ebenfalls aus Addis Abeba, studierte ab 1982 an der HGB und lebt seit 1989 hier. Teresa Casanueva wurde in Havanna geboren, studierte an der Burg Giebichenstein in Halle und lebt in Berlin. Mona Ragy Enayat, aus Kairo stammend, studierte 1988–92 an der HGB, Semir Alschausky wurde 1962 in Leipzig geboren und studierte in Berlin-Weißensee und ab 1990 an der Universität der Künste.
Ihre Arbeiten hängen jeweils solitär an den Wänden neben den Biografien. Wer erwartet, dass die Einflüsse von Lehrenden oder Mitstudierenden zu sehen sind, wird enttäuscht. Dass es sich dabei nicht um ein Teufelswerk aus unbekannten Elementen handelt, zeigt die Präsentation von Getachew Yossef Hagoss. Augenfällig ähneln seine Kompositionen jenen seines HGB-Professor Heinz Wagner oder der Bildaufbau dem des damaligen Assistenten Hartwig Ebersbach. Auf Gemeinsamkeiten oder Unterschiede hinzuweisen, erfüllt die Ausstellung nicht. Vielmehr stellt sie die Arbeiten als etwas »Anderes« heraus und untersagt eine vergleichende Betrachtungsweise.
Weil das Museum die lokalen Kunstproduktionen aus diesen Jahrzehnten nicht kennt, präsentiert es Entzweiungen beziehungsweise eine doppelte Entgrenzung. Die Künstlerin und der Künstler, die seit Jahrzehnten in der Stadt agieren, müssen sich in einem exotischen Rahmen des Andersseins präsentieren. Anstatt die produktiven Verbindungen von außen und innen im Leipziger Kunstfeld aufzuzeigen, wie überhaupt den Blick auf experimentelle Ansätze zu lenken, versagt die Ausstellung auf ganzer Linie.
Transparenzhinweis: In einer früheren Version wurde die Ausstellung fälschlicherweise mit dem Titel »Re-Connected« genannt. Der richtige Titel lautet »Re-Connect«. Zudem war der Name von César Olhagaray falsch geschrieben. Wir bitten um Entschuldigung und bedanken uns für die Hinweise unser Leserinnen und Leser.