Seit Anfang des Jahres müssen Freie Radios in Sachsen um ihre Finanzierung bangen. Radio Blau in Leipzig, Coloradio in Dresden und Radio T in Chemnitz werden zwar hauptsächlich von Ehrenamtlichen bespielt, erhalten jedoch auch eine jährliche Förderung der Sächsischen Landesmedienanstalt (SLM), etwa für Koordinierungsstellen und benötigte Technik. Im Januar wurde das Radio Zett aus Zittau neu in die Förderung aufgenommen. Eigentlich eine erfreuliche Nachricht für die sächsische Medienlandschaft. Allerdings wurde der Fördertopf nicht entsprechend angepasst – daher geht mit dieser Entscheidung eine Kürzung der Fördergelder für die anderen Sender einher.
Sächsische Community-Radios erhalten von der SLM in diesem Jahr 221.000 Euro aus dem Rundfunkbeitrag, die jetzt durch vier anstatt durch drei Freie Radios geteilt werden. Die SLM ist mit der Medienvielfalt im Freistaat betraut und soll diese fördern; durch die Aufteilung der Fördergelder ohne Erhöhung des Etats stellt sie jedoch eine Konkurrenzsituation zwischen hauptsächlich ehrenamtlich betriebenen Sendern her. Rund 100.000 Euro der Gesamtsumme nehmen allein die Sende- und Leitungskosten in Anspruch. »Wir senden mehr denn je«, sagt Anja Thümmler von Radio Blau. »Dazu brauchen wir eine dauerhafte, strukturelle Förderung.«
Nun lizenzierte der Medienrat der SLM Ende Juni das Radio WSW aus Weißwasser als nicht-kommerzielles Lokalradio. Somit kann der Sender aus Steuergeldern finanzierte Förderung des Freistaats erhalten. Diese Entscheidung wurde von Expertinnen und Experten sowie von Radioschaffenden scharf kritisiert. »Hier herrscht ein Missverständnis dessen, was nicht-kommerzielle Lokalradios sind«, sagt Rüdiger Steinmetz, emeritierter Lehrstuhlinhaber für Medienwissenschaft und Medienkultur an der Universität Leipzig. Beim Radio WSW handle es sich nicht um ein partizipatives und bürgernahes Freies Radio, sondern um einen Privatsender unter einer Tarnkappe.
Dieser ist zwar inzwischen werbefrei, doch reiche das als einziges Kriterium nicht aus. Nicht-kommerzielle Radios seien gemeinnützig, hauptsächlich ehrenamtlich betrieben und lokal verankert, sagt Steinmetz. Darüber hinaus bildeten sie Bürgerinnen und Bürger hinsichtlich ihrer Medienkompetenz: Bei Radio Blau etwa haben alle Menschen die Möglichkeit, das Programm niedrigschwellig mitzugestalten. Laut Steinmetz stellen solche Community-Medien eine wichtige dritte Säule neben privat-kommerziellen und öffentlich-rechtlichen Angeboten dar, das müsse auch in der lange schon anstehenden Novellierung des sächsischen Privatrundfunkgesetzes festgeschrieben werden.
Da diese noch nicht durchgesetzt wurde, beruft sich die Sächische Landesmedienanstalt auf Anfrage des kreuzers auf veraltetes Recht: Es gelte »als Unterscheidungsmerkmal zwischen kommerzieller und nicht-kommerzieller Rundfunkveranstaltung lediglich der sich bereits aus dem Wortsinn ergebende Verzicht auf Werbung als Mittel der Finanzierung«.
Steinmetz war bis Sommer dieses Jahres Teil des Medienrates, hat an der Lizenzierung des Radios WSW jedoch nicht mehr mitgewirkt. Nicht alle Mitglieder dieses Gremiums können so viel Medienkompetenz und -erfahrung vorweisen wie er. Der Medienrat wird durch den Landtag berufen und speist sich zum Teil aus ehemaligen Politikerinnen und Politikern statt aus neutralen Medienprofis.
Der Bundesverband Freier Radios äußerte sich hinsichtlich der Lizenzierung des Radio WSW als nicht-kommerzielles Radio besorgt über die mediale Vielfalt. Dadurch würden die Qualitätsansprüche herabgesenkt, was zu einer »Verringerung der Chancen für echte nicht-kommerzielle Lokalradios« führe.
Medienvielfalt bedeute nicht zwingend eine große Anzahl an Sendern, sondern werde durch verschiedene Perspektiven und Beteiligte gewährleistet, findet Thümmler: »Bei Radio Blau kommen auch Migrant*innen oder Menschen mit Behinderung zu Wort und wir achten auf ausgeglichene Geschlechterverhältnisse. Das bedeutet für mich Vielfalt.« Die wichtige Arbeit Freier Radios sehe sie vonseiten der Sächsischen Landesmedienanstalt nicht ausreichend wertgeschätzt.
Ob das Sendeangebot der Freien Radios im bisherigen Umfang weiterbestehen kann, ist momentan unklar. Laut Steinmetz dürfe das Beispiel aus Weißwasser keinesfalls Schule machen: Wenn noch mehr private Radiosender als nicht-kommerzielle Lokalradios lizenziert würden, nur weil sie keine Werbung mehr schalten, würde die Situation für Community-Medien wie Radio Blau noch prekärer werden.