»Ihr könnt ruhig stehenbleiben, das ist Kunst!« In weißen Overalls treten Vogelgestalten auf, tragen pinke Strumpfhosen und angeklebte Schnäbel. Die zum Stehenbleiben aufgerufenen Menschen sind irritiert, greifen aber beherzt zu, als es darum geht, die schrägen Vögel mit Brot zu bewerfen. Die »Taubenfütterung« des Knalltheaters ist ein legendärer Auftritt auf den Leipziger Straßentheatertagen. Schon zum 16. Mal finden diese statt. Auf den Einkaufsmeilen der Innenstadt entstehen kleine Refugien zwischen Poesie und Klamauk, Pantomime und Akrobatik.
»Seit Jahren muss ich mich nicht mehr um Bewerber kümmern«, sagt Initiator Larsen Sechert vom Knalltheater halbernst. »Das Festival spricht sich innerhalb der Szene irgendwie herum und die Bewerbungen kommen von selbst. Ich wähle dann aus, was hierher- und zusammenpasst.« Dass er sich nicht kümmern muss, stimmt nicht ganz. Denn Sechert besorgt die finanzielle Förderung des Spektakels, das lange schon vom Landesamateurtheaterverband unterstützt wird. Erstmals steuert der Cityfond Leipzig einen Beitrag bei. »Dadurch können wir in diesem Jahr besonders viele Künstler auftreten lassen«, sagt Sechert. Denn allein für den Hut zu spielen, lohne sich bei den meisten Straßentheaterfestivals nicht, auch wenn der einen wichtigen Einnahmeanteil ausmacht.
Internationale Künstler sind dabei – die meisten haben heute in Deutschland ihren Lebensmittelpunkt. Mit etwa tritt ein jonglierender, im Handstand zaubernder Einmannzirkus auf. Jay Toor aus Israel zeigt, welche Turbulenzen eine Clownin im Urlaub durchmacht. Es gibt Magie aus Südkorea, Wäscheleinenspiel, Kindermärchen und mit Mr. Copini Zirkus-Comedy-Rock, der bereits Publikum in 30 Ländern begeisterte und mehrere Preise gewann.
Die Situation, sich vor spontanem Publikum zu bewähren, bildet den Reiz für alle. Denn das kann jederzeit gehen. Ehrlicher kann Kunst kaum sein: Um einen Obolus wird erst nach der Aufführung gebeten. »Die Leipziger sind über die Jahre großzügiger geworden«, sagt Organisator Larsen Sechert. »Die wissen das Vorgeführte schon zu schätzen.« Ohnehin ist es Secherts Anspruch, die Menschen nicht nur zu unterhalten, sondern auch fürs Theater zu gewinnen. »Wenn jemand durchs Straßentheater animiert wird, mal ins Theater zu gehen oder selbst zu spielen, bin ich zufrieden. Das ist schon passiert, wenn auch selten.«
Bevor Hut und Eimer kreisen, ist in den Darbietungen zu erleben, mit wie wenig Mitteln sich Theater veranstalten lässt. Da reicht manchem ein Kreidekreis, der zur Manege wird. Andere erklären die ganze Fußgängerzone zu ihrem Areal. »Hier muss alles seine Ordnung und Sauberkeit haben«, lautete der Appell eines Narrenduos, das auf einer früheren Festivalausgabe Schaufenster putzte und eine ulkige Verrenkungsnummer auf einer Leiter zeigte. Immer war der Popo im Weg.
> Straßentheatertage: 14.–16.9., 15–18 Uhr, Innenstadt