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Ausflug & Reise

Überdauert

Die Spuren jüdischen Lebens in Erfurt könnten bald Weltkulturerbe sein

  Überdauert | Die Spuren jüdischen Lebens in Erfurt könnten bald Weltkulturerbe sein  Foto: Tilmann2007, CC BY-SA 4.0

»Mein Schatz!« Anno 1349 wird Kalman von Wiehe von Angst getrieben. In seinem Keller vergräbt der jüdische Kaufmann vorsorglich Münzen und Schmuck, weil er ein Pogrom befürchtet. Von Wiehe überlebt wie rund 900 Gemeindemitglieder den 21. März in Erfurt nicht. Die Pest tobt, die Bürgerschaft gibt den Juden die Schuld daran. Jahrhunderte später taucht der Schatz wieder auf, zeitgleich mit anderen Spuren jüdischen Lebens, das damals aus der Stadt verschwand.

Dieses bringen rekonstruierte Gebäude und Sachzeugnisse wieder in Erinnerung. Auf dichtem Raum berichten die Artefakte von der bedeutenden jüdischen Gemeinde und ihrem Untergang. Kalman von Wiehes Schatz ist Teil dieser erstaunlichen, eine kurze Blütezeit dokumentierenden Materialfülle. Für das jüdisch-mittelalterliche Erbe strebt Erfurt den Status als UNESCO-Weltkulturerbe an. Im Juni oder Juli soll die Entscheidung in Saudi-Arabien fallen.

Am Eingang zur schönsten Erfurter Gasse, der schmalen von Speicherhäusern eingefassten Waagegasse, steht die Alte Synagoge. Nach dem Pogrom geriet ihr eigentlicher Zweck in Vergessenheit. Von anderen Bauten verborgen, überdauerte das Relikt auch den Nationalsozialismus. Im wieder hergerichteten Gotteshaus kann man die drei (Aus-)Bauphasen ihrer Gemeindezeit am Mauerwerk ablesen. Später vorgenommene Tordurchbrüche sowie Stuckfiguren und umlaufende Empore im ersten Stock zeugen von der Nutzung als Lager und Tanzsaal. Im Untergeschoss wird man des kostbaren Schatzes gewahr, der nur 100 Meter entfernt von der Synagoge vergraben wurde.

Ein ebenso kurzer Weg führt zur Mikwe, die direkt hinter der Krämerbrücke am Geraufer liegt. Durchs Dachfenster kann man jederzeit ins Ritualbad einen Blick werfen, es samstags betreten. Die seltsame Plastik eines umgedreht eingemauerten Männerkopfes mit Lilienkrone, gibt den Historikern Rätsel auf.

Wenn man schon mal in Erfurt ist, lohnt ein Abstecher zum Dom. Dort erkennt man auch, warum das jüdische Leben hier einst endete. Das Chorgestühl enthält ein mittelalterliches Schmähmotiv: eine so genannte »Judensau«. In Form eines Ritters triumphiert das Christentum über den auf einem Schwein reitenden Juden.


> juedisches-leben.erfurt.de


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1 Kommentar(e)

TP 20.09.2023 | um 07:59 Uhr

Ein schöner Hinweis zu einem spannenden Ausflugsziel.