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Kultur

Im Schatten des Achtecks

Rezension: Das TdJW huldigt H. P. Lovecraft mit Horror-Kult in einem Bad Lausicker Sanatorium

  Im Schatten des Achtecks | Rezension: Das TdJW huldigt H. P. Lovecraft mit Horror-Kult in einem Bad Lausicker Sanatorium  Foto: Ida Zenna

Als B. eines Morgens aus unruhigen Träumen erwacht, findet er sein Bad zum Ungeheuer verwandelt vor. Eben noch Wellness-Oase, hat sich das Hermannsbad Bad Lausick plötzlich zur Sektenhöhle verwandelt, die okkulte Rituale pflegt. Lauert in den Tiefen der Un-Heilstätte nicht ein achtarmiges Wesen oder hat sich B. den Kraken eingebildet?

Eine Feier des Klassik-Horrors ereignet sich im Theater der Jungen Welt, wenn »Der eingebildete Krake« umgeht, ähm: umschwebt. Der Titel ist famos, der Plot – mit Molière hat er nichts zu tun – auch, er blendet Davos und Arkham ineinander. Der Alpenort steht für Sanatoriumsgespräche à la »Der Zauberberg«, am zweiten, fiktiven Ort aus H. P. Lovecrafts Horrorstorys nimmt die psychiatrische Anstalt namens Arkham Sanatorium regelmäßig neue Patienten auf, denen die Realität zu Kopfe stieg.

Ein Patient ist auch B., jedenfalls wird er als solcher vom Personal in Hermannsbad Bad Lausick angesprochen. Er selbst stellt sich als Gast vor, als er am Ort ankommt, dessen Initialen sicher zufällig fast jene des Horrorschriftstellers sind. Mit B. prallt die Gegenwart auf Mysteriöses, dabei möchte er nur Urlaub machen. Aber allmählich dämmert er weg und sein Verstand schwindet.

Einzig in einem achteckigen Kuppelbau trägt sich das alles zu. An dessen Pfeilern deuten Doppelreihen von Kreisen Tentakel-Saugnäpfe an. Andeutung bleibt vieles in Handlung und Spiel, wenn Regisseur Wilke Weermann Rationalität und Horror vermischt. Verzerrt und dosiert dringen Nachrichten in den abgeriegelten Raum. Das Personal agiert als mechanisches Kollektiv, scheint Bewusstsein zu verpflanzen, an der Schöpfung zu schrauben. Was der Mensch draußen längst tut – und die selbstgemachte Klima-Katastrophe eventuell doch nicht mehr aufhalten kann. Wie viel Wirklichkeit können wir aushalten, ehe wir wahnsinnig werden?, steht als Frage hinter Lovecrafts Geschichten. Auch Weermann stellt sie im Kern seiner Inszenierung. Und ist klug genug, sich Antworten zu verweigern.

Denn gerade das Nichtwissen, das heimliche Beschleichen des Ungewissen und Unheimlichen machen den Reiz des Horrors aus. Darauf versteht sich die Regie. Die Schauspielenden üben ansehnliche Zurückhaltung, um diese Atmosphäre nicht durch ein Zuviel zu vernichten.

Neunzig zitatfreudige, dunkle Minuten ziehen hier vorbei. Es ist geschicktes Theater, das dem Großmeister des Horror-Wahnsinns huldigt, ohne ihn zu erklären. In seinen Worten: »Doch eines Tages wird uns das Aneinanderfügen einzelner Erkenntnisse so erschreckende Perspektiven der Wirklichkeit und unserer furchtbaren Aufgabe darin eröffnen, dass diese Offenbarung uns entweder in den Wahnsinn treibt oder uns aus der tödlichen Erkenntnis in den Frieden und den Schutz eines neuen dunklen Zeitalters flüchten lässt.«

> »Der eingebildete Krake«: 1., 3., 31.10., 20 Uhr, TdJW


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